Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.Spartanerhaß keine Ruhe im Grade, und man wollte ihn sogar in der Schlacht Auch das Theater benutzte den Effect, den die Erscheinungen der Todten Spartanerhaß keine Ruhe im Grade, und man wollte ihn sogar in der Schlacht Auch das Theater benutzte den Effect, den die Erscheinungen der Todten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0266" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116194"/> <p xml:id="ID_931" prev="#ID_930"> Spartanerhaß keine Ruhe im Grade, und man wollte ihn sogar in der Schlacht<lb/> bei Leuktra auf Seite der Thebaner fechtend gesehen haben. Auch beim Grab¬<lb/> male des Miltiades wollte man in der Nacht Pferdegewieher und Schlachtge¬<lb/> töse bemerken. Plutarch erzählt aus der Chronik seiner Vaterstadt Charonea<lb/> in Böotien. daß zur Zeit des Lukullus der Räuber Dämon heimtückischer Weise<lb/> im Bade erstochen worden sei, „Hierauf soll man," schreibt er. „wie unsere<lb/> Väter erzählen, an demselben Orte eine Zeit lang Gespenster gesehen und ein<lb/> jämmerliches Wehklagen gehört und deshalb das Bad verschlossen und die Thür<lb/> zugemauert haben. Einige, die an demselben Ort wohnen, glauben noch heu¬<lb/> tigen Tages, daß sich dort Erscheinungen unter großem Wehklagen blicken<lb/> lassen." Auch der übermüthige Pausanias spukte nicht nur nach seinem Tode<lb/> in dem Tempel der Athene, wo er eingemauert worden war, sondern war auch<lb/> selbst in der letzten Zeit seines Lebens von dem Geiste einer edeln Byzantinerin,<lb/> Kleonike, die er geliebt, aber einst in der Dunkelheit für einen Meuchelmörder<lb/> gehalten und niedergestoßen hatte, arg geängstigt worden. Den Kaiser Nerv<lb/> erschreckte der Schatten seiner Mutter Agrippina, den König Philipp den Dritten<lb/> von Makedonien der seines unschuldig gemordeten Sohnes Demetrios. Von<lb/> Kaligula erzählt Sueton: „Sein Leichnam wurde heimlich in die lanüschen<lb/> Gärten geschafft und auf einem eilfertig errichteten Scheiterhaufen halb verbrannt<lb/> und mit leichtem Rasen überschüttet. Später wurde er von seinen aus der<lb/> Verbannung zurückgekehrten Schwestern wieder ausgegraben, verbrannt und be¬<lb/> graben. Es ist hinlänglich gewiß, daß die Wächter der Gärten von Gespenstern<lb/> beunruhigt wurden, bevor dies geschah, und daß auch in demselben Hause, in<lb/> welchem er getödtet worden war, keine Nacht ohne irgend einen Schrecken vor¬<lb/> überging, bis es von einer Feuersbrunst verzehrt ward." Wie Virgil seine<lb/> zürnende Dido dem scheidenden Aeneas drohen läßt, sie werde nach ihrem Tode<lb/> ihm überallhin als Schatten folgen, so ruft bei Horaz der dem qualvollen Tode<lb/> und der Hexe Kanidia Hand verfallene Knaben „Ja, wenn ich, zum Sterben<lb/> gezwungen, das Leben verhaucht haben werde, will ich als nächtliche Grauen¬<lb/> gestalt dir begegnen, als Schatten dein Antlitz mit krummen Klauen zerfleischen<lb/> und ans unruhvolle Herz gelagert den Schlaf durch Furcht dir rauben."</p><lb/> <p xml:id="ID_932" next="#ID_933"> Auch das Theater benutzte den Effect, den die Erscheinungen der Todten<lb/> auf die Phantasie zu machen im Stande sind, in vielfacher Weise, und auf der<lb/> Bühne befand sich die sogenannte „charonische Stiege", um die unterweltlichen<lb/> Gestalten emporsteigen zu lassen. In den „Persern" des Aeschylos erscheint<lb/> der König Dareios, ertheilt guten Rath und versinkt wieder mit den Worten:<lb/> „Ich aber geh' von hinnen in des Grabes Nacht. Lebt wohl, o Greise; ob<lb/> in Leid auch, dennoch gönnet, so lang es Tag ist, eurer Seele frohen Muth,<lb/> weil doch den Todten stirbt die Lust an Gold und Gut." In den „Eume-<lb/> niden" betritt die ermordete Klytämnestra die Oberwelt, um die im Tempel</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0266]
Spartanerhaß keine Ruhe im Grade, und man wollte ihn sogar in der Schlacht
bei Leuktra auf Seite der Thebaner fechtend gesehen haben. Auch beim Grab¬
male des Miltiades wollte man in der Nacht Pferdegewieher und Schlachtge¬
töse bemerken. Plutarch erzählt aus der Chronik seiner Vaterstadt Charonea
in Böotien. daß zur Zeit des Lukullus der Räuber Dämon heimtückischer Weise
im Bade erstochen worden sei, „Hierauf soll man," schreibt er. „wie unsere
Väter erzählen, an demselben Orte eine Zeit lang Gespenster gesehen und ein
jämmerliches Wehklagen gehört und deshalb das Bad verschlossen und die Thür
zugemauert haben. Einige, die an demselben Ort wohnen, glauben noch heu¬
tigen Tages, daß sich dort Erscheinungen unter großem Wehklagen blicken
lassen." Auch der übermüthige Pausanias spukte nicht nur nach seinem Tode
in dem Tempel der Athene, wo er eingemauert worden war, sondern war auch
selbst in der letzten Zeit seines Lebens von dem Geiste einer edeln Byzantinerin,
Kleonike, die er geliebt, aber einst in der Dunkelheit für einen Meuchelmörder
gehalten und niedergestoßen hatte, arg geängstigt worden. Den Kaiser Nerv
erschreckte der Schatten seiner Mutter Agrippina, den König Philipp den Dritten
von Makedonien der seines unschuldig gemordeten Sohnes Demetrios. Von
Kaligula erzählt Sueton: „Sein Leichnam wurde heimlich in die lanüschen
Gärten geschafft und auf einem eilfertig errichteten Scheiterhaufen halb verbrannt
und mit leichtem Rasen überschüttet. Später wurde er von seinen aus der
Verbannung zurückgekehrten Schwestern wieder ausgegraben, verbrannt und be¬
graben. Es ist hinlänglich gewiß, daß die Wächter der Gärten von Gespenstern
beunruhigt wurden, bevor dies geschah, und daß auch in demselben Hause, in
welchem er getödtet worden war, keine Nacht ohne irgend einen Schrecken vor¬
überging, bis es von einer Feuersbrunst verzehrt ward." Wie Virgil seine
zürnende Dido dem scheidenden Aeneas drohen läßt, sie werde nach ihrem Tode
ihm überallhin als Schatten folgen, so ruft bei Horaz der dem qualvollen Tode
und der Hexe Kanidia Hand verfallene Knaben „Ja, wenn ich, zum Sterben
gezwungen, das Leben verhaucht haben werde, will ich als nächtliche Grauen¬
gestalt dir begegnen, als Schatten dein Antlitz mit krummen Klauen zerfleischen
und ans unruhvolle Herz gelagert den Schlaf durch Furcht dir rauben."
Auch das Theater benutzte den Effect, den die Erscheinungen der Todten
auf die Phantasie zu machen im Stande sind, in vielfacher Weise, und auf der
Bühne befand sich die sogenannte „charonische Stiege", um die unterweltlichen
Gestalten emporsteigen zu lassen. In den „Persern" des Aeschylos erscheint
der König Dareios, ertheilt guten Rath und versinkt wieder mit den Worten:
„Ich aber geh' von hinnen in des Grabes Nacht. Lebt wohl, o Greise; ob
in Leid auch, dennoch gönnet, so lang es Tag ist, eurer Seele frohen Muth,
weil doch den Todten stirbt die Lust an Gold und Gut." In den „Eume-
niden" betritt die ermordete Klytämnestra die Oberwelt, um die im Tempel
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