Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.sache. Die Mutter Boabdils, welche ihrem Sohne Vorwürfe macht u. s. f. Eine mehr künstlerische Behandlung namentlich von Seiten der Neueren 32*
sache. Die Mutter Boabdils, welche ihrem Sohne Vorwürfe macht u. s. f. Eine mehr künstlerische Behandlung namentlich von Seiten der Neueren 32*
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sache. Die Mutter Boabdils, welche ihrem Sohne Vorwürfe macht u. s. f.
von Aug. Pinelli, ist ein langes Weib, das dem rastenden Wanderer vor
ihm den Weg zeigt, und der Beschauer begreift nur nicht, weshalb dieses höchst
einfache Motiv in ein so seltsames Gewand gekleidet ist. P. van sehend el
(Belgien) zeigt uns in Lebensgröße einen Greis mit einer jungen Frau, beide
sehr aufgeregt, in einer Kerzenbeleuchtung, welche die glatte porzellanhaste Aus¬
führung nur noch härter macht; der Katalog gibt die Aufklärung: Steven
van der Berghem und seine Tochter. Wie lange Jahre haben wir mit gläu¬
bigem und ergebenen Sinn solche Rebus, die ewig ungelöst bleiben, für Kunst¬
werke aufgenommen! Es geht noch, wenn, wie in dem Bildchen von Scipione
Vanutelli, bei malerischer Behandlung und liebenswürdiger Ausführung in
die Bewegung der Costüm-Figuren eine gewisse für sich wirkende Empfindung
gelegt ist, die hier freilich stark ins Sentimentale spielt; man nimmt dann in
Gottesnamen den historischen Namen drein. Neuerdings ist es noch Mode ge¬
worden, geschichtliche Personen, auch Dichter und Künstler in einem anekdoten¬
haften Momente ihres Privatlebens vorzuführen; versteigt man sich dabei, wie
das oft vorkommt, ins Lebensgröße, so gibt das Bild meistens, wie die Jugend
Callots von van Severdonk. eine blos äußerlich malerische Zusammen¬
stellung mittelmäßiger Modellfiguren.
Eine mehr künstlerische Behandlung namentlich von Seiten der Neueren
zeigt sich in dem einfachen Sittenbilde, welches das Treiben vergangener Jahr¬
hunderte von seiner heitern und zugleich malerischen Seite zu schildern sucht.
Diese Richtung steht im Gegensatz zu der ältern, welche wie Gisbert Flüg¬
gen (gestorben 1859; sein letztes Bild: „Im Vorzimmer eines Ministers", war
auf der Ausstellung) in die Darstellung früherer Zeiten einen besondern meistens
rührenden Inhalt legte und dabei die einzelnen Individuen zu besonderen
Charakteren auszuprägen bemüht war: Bilder, die, in der Ausführung nicht
ganz ohne Verdienst, zu sehr an die Prosa des ifflandschen Schauspiels erinnern.
Die Neueren dagegen wollen nur das gewöhnliche Leben der Menschen im ein¬
fachen Genuß des Daseins oder im geselligen Verkehr wiedergeben und die be¬
hagliche Empfindung des Momentes mittheilen, wobei es ihnen besonders noch
darum zu thun ist, ihre Figuren leicht und zierlich in eine koloristische Licht-
und Lufthülle zu setzen, die ihnen die Härte und Schwere des materiellen Lebens
benimmt. Derartige Darstellungen haben immer etwas Anziehendes, wenn
ihnen auch die Gediegenheit des Lebens und die naive Versenkung in dieses
kleine Dasein, die den Holländern eigenthümlich ist, fast durchweg mangelt.
Nur begnügt sich hier der Künstler zu leicht mit der Feinheit des coloristischen
Tons und einer oberflächlichen Anmuth in der Behandlung der Figuren, denen
es daher an der Individualität und an der Sicherheit der Form fehlt: wie das
meistens bei den Bildern L. von Hagns, so auch bei seinem „Sonntags-
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