führung zu schwach, um das Gezierte der Auffassung vergessen zu machen. Da verstanden sich die. alten Flandrer ganz anders auf die individuelle Bil¬ dung der Köpfe, wie auch die Gluth und Harmonie ihres Kolorits ganz ver¬ schieden ist von der heraussteckenden Buntheit dieser Nachkommen. Von einer' solchen Erneuerung einer vergangenen Anschauungsweise, die im Grunde an die Stelle der einen Manier nur eine andere setzt, wird die moderne Kunst ihren Umschwung gewiß nicht datiren. so wenig die Nazarener eine neue Zeit herausriefen, indem sie auf die Praeraphaeliten zurückgingen. --
Einen noch schroffem Gegensatz zu der ältern Kunstweise des Jahrhunderts bilden die Realisten, voran Piloty und seine Schule, die nach belgischen und französischem Vorgange vor Allem die farbige Erscheinung der Dinge in ihrer unmittelbaren NaturwabrKeit wiederzugeben suchen, ohne sich um den Ausdruck des Inhalts viel zu kümmern. Damit erklärten sie sich zugleich gegen jene ideale Richtung, der es namentlich um die stilvoll durchgebildete Form zu thun ist. Doch ist ihr Princip zu oberflächlich, um eine neue künstlerische An¬ schauung begründen zu können. Die Erscheinung, welche die Realisten mit Viel Aufwand von Farbstoff zu Stande bringen, ist nichts weiter, als eine mehr oder minder geschickte Nachahmung des äußeren Gewebes der Dinge, die sie zudem, um die Kraft der Localfarben zur Wirkung zu bringen, in ein grelles Tages- oder Sonnenlicht setzen. Dieser Kunst sind Mauerwerk und Wollenzeug ebenso wichtig als der Kopf des Helden, und so sehr kommt es ihr auf den täuschenden Schein der natürlichen Wirklichkeit an, daß sie das eigentlich malerische Element, den Einklang der Farben im stimmungsvollen Lichtton, in dem die Dinge wie untertauchen und die Gluth ihres innern Lebens sich mittheilen, ebenso vernachlässigt, wie Form und Ausdruck. Sie verhält sich zu dem Gegenstande, den sie darstellt, mehr oder minder gleichgiltig, jeder Stoff ist ihr recht, und sie fragt wenig darnach, ob sein Inhalt anschaulich ist oder nicht. Ja, indem sie von dem einen Extrem, dem blos körperhaften Schein, zum andern überspringt, verschmäht sie es nicht, rein innerliche Vor¬ gänge zu behandeln und verfällt so selbst wieder der Krankheit des bedeutungs¬ vollen Inhaltes: man denke nur an Seni und Wallenstein und den Galilei von Piloty. Von einem Schüler desselben. Emil Teschendorf, war etwas Aehnliches in der Ausstellung. ein für den kranken Melanchton betender Luther; Mauer wie Teppich waren wie gewöhnlich greifbar, der Reformator dagegen hatte trotz seiner krampfhaft gewundenen Stellung dem Beschauer wenig zu sagen. An einer seltsamen Verknüpfung von Extremen fehlt es in dieser Schule überhaupt nicht, welche die schöne Mitte der künstlerischen Erscheinung, in der ein inneres Leben sichtbar herausgebildet ist, verwirft. Ein bezeichnen¬ des Beispiel ist noch der keineswegs talentlose Theodor Schütz, der mit eingehender Liebe ein Stück Landleben bis zum Grashalm getreu der Na-
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führung zu schwach, um das Gezierte der Auffassung vergessen zu machen. Da verstanden sich die. alten Flandrer ganz anders auf die individuelle Bil¬ dung der Köpfe, wie auch die Gluth und Harmonie ihres Kolorits ganz ver¬ schieden ist von der heraussteckenden Buntheit dieser Nachkommen. Von einer' solchen Erneuerung einer vergangenen Anschauungsweise, die im Grunde an die Stelle der einen Manier nur eine andere setzt, wird die moderne Kunst ihren Umschwung gewiß nicht datiren. so wenig die Nazarener eine neue Zeit herausriefen, indem sie auf die Praeraphaeliten zurückgingen. —
Einen noch schroffem Gegensatz zu der ältern Kunstweise des Jahrhunderts bilden die Realisten, voran Piloty und seine Schule, die nach belgischen und französischem Vorgange vor Allem die farbige Erscheinung der Dinge in ihrer unmittelbaren NaturwabrKeit wiederzugeben suchen, ohne sich um den Ausdruck des Inhalts viel zu kümmern. Damit erklärten sie sich zugleich gegen jene ideale Richtung, der es namentlich um die stilvoll durchgebildete Form zu thun ist. Doch ist ihr Princip zu oberflächlich, um eine neue künstlerische An¬ schauung begründen zu können. Die Erscheinung, welche die Realisten mit Viel Aufwand von Farbstoff zu Stande bringen, ist nichts weiter, als eine mehr oder minder geschickte Nachahmung des äußeren Gewebes der Dinge, die sie zudem, um die Kraft der Localfarben zur Wirkung zu bringen, in ein grelles Tages- oder Sonnenlicht setzen. Dieser Kunst sind Mauerwerk und Wollenzeug ebenso wichtig als der Kopf des Helden, und so sehr kommt es ihr auf den täuschenden Schein der natürlichen Wirklichkeit an, daß sie das eigentlich malerische Element, den Einklang der Farben im stimmungsvollen Lichtton, in dem die Dinge wie untertauchen und die Gluth ihres innern Lebens sich mittheilen, ebenso vernachlässigt, wie Form und Ausdruck. Sie verhält sich zu dem Gegenstande, den sie darstellt, mehr oder minder gleichgiltig, jeder Stoff ist ihr recht, und sie fragt wenig darnach, ob sein Inhalt anschaulich ist oder nicht. Ja, indem sie von dem einen Extrem, dem blos körperhaften Schein, zum andern überspringt, verschmäht sie es nicht, rein innerliche Vor¬ gänge zu behandeln und verfällt so selbst wieder der Krankheit des bedeutungs¬ vollen Inhaltes: man denke nur an Seni und Wallenstein und den Galilei von Piloty. Von einem Schüler desselben. Emil Teschendorf, war etwas Aehnliches in der Ausstellung. ein für den kranken Melanchton betender Luther; Mauer wie Teppich waren wie gewöhnlich greifbar, der Reformator dagegen hatte trotz seiner krampfhaft gewundenen Stellung dem Beschauer wenig zu sagen. An einer seltsamen Verknüpfung von Extremen fehlt es in dieser Schule überhaupt nicht, welche die schöne Mitte der künstlerischen Erscheinung, in der ein inneres Leben sichtbar herausgebildet ist, verwirft. Ein bezeichnen¬ des Beispiel ist noch der keineswegs talentlose Theodor Schütz, der mit eingehender Liebe ein Stück Landleben bis zum Grashalm getreu der Na-
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Da verstanden sich die. alten Flandrer ganz anders auf die individuelle Bil¬
dung der Köpfe, wie auch die Gluth und Harmonie ihres Kolorits ganz ver¬
schieden ist von der heraussteckenden Buntheit dieser Nachkommen. Von einer'
solchen Erneuerung einer vergangenen Anschauungsweise, die im Grunde an
die Stelle der einen Manier nur eine andere setzt, wird die moderne Kunst
ihren Umschwung gewiß nicht datiren. so wenig die Nazarener eine neue Zeit
herausriefen, indem sie auf die Praeraphaeliten zurückgingen. —
Einen noch schroffem Gegensatz zu der ältern Kunstweise des Jahrhunderts
bilden die Realisten, voran Piloty und seine Schule, die nach belgischen
und französischem Vorgange vor Allem die farbige Erscheinung der Dinge in
ihrer unmittelbaren NaturwabrKeit wiederzugeben suchen, ohne sich um den
Ausdruck des Inhalts viel zu kümmern. Damit erklärten sie sich zugleich gegen
jene ideale Richtung, der es namentlich um die stilvoll durchgebildete Form zu
thun ist. Doch ist ihr Princip zu oberflächlich, um eine neue künstlerische An¬
schauung begründen zu können. Die Erscheinung, welche die Realisten mit
Viel Aufwand von Farbstoff zu Stande bringen, ist nichts weiter, als eine
mehr oder minder geschickte Nachahmung des äußeren Gewebes der Dinge, die
sie zudem, um die Kraft der Localfarben zur Wirkung zu bringen, in ein
grelles Tages- oder Sonnenlicht setzen. Dieser Kunst sind Mauerwerk und
Wollenzeug ebenso wichtig als der Kopf des Helden, und so sehr kommt es
ihr auf den täuschenden Schein der natürlichen Wirklichkeit an, daß sie das
eigentlich malerische Element, den Einklang der Farben im stimmungsvollen
Lichtton, in dem die Dinge wie untertauchen und die Gluth ihres innern Lebens
sich mittheilen, ebenso vernachlässigt, wie Form und Ausdruck. Sie verhält
sich zu dem Gegenstande, den sie darstellt, mehr oder minder gleichgiltig, jeder
Stoff ist ihr recht, und sie fragt wenig darnach, ob sein Inhalt anschaulich ist
oder nicht. Ja, indem sie von dem einen Extrem, dem blos körperhaften
Schein, zum andern überspringt, verschmäht sie es nicht, rein innerliche Vor¬
gänge zu behandeln und verfällt so selbst wieder der Krankheit des bedeutungs¬
vollen Inhaltes: man denke nur an Seni und Wallenstein und den Galilei
von Piloty. Von einem Schüler desselben. Emil Teschendorf, war etwas
Aehnliches in der Ausstellung. ein für den kranken Melanchton betender Luther;
Mauer wie Teppich waren wie gewöhnlich greifbar, der Reformator dagegen
hatte trotz seiner krampfhaft gewundenen Stellung dem Beschauer wenig zu
sagen. An einer seltsamen Verknüpfung von Extremen fehlt es in dieser
Schule überhaupt nicht, welche die schöne Mitte der künstlerischen Erscheinung,
in der ein inneres Leben sichtbar herausgebildet ist, verwirft. Ein bezeichnen¬
des Beispiel ist noch der keineswegs talentlose Theodor Schütz, der mit
eingehender Liebe ein Stück Landleben bis zum Grashalm getreu der Na-
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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/219>, abgerufen am 24.01.2025.
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