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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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"hier ist nichts von gewöhnlichem Reiz, sondern der Adel stilvoller Form und
malerischer Behandlung. Eine Kritik, die den Maßstab der großen Kunstepochen
anlegt, würde auch hier deren vollendete Durchbildung' nicht finden, vielleicht
auch den Ausdruck eines feuriger bewegten Lebens wünschen; aber ein Talent
wie das Berbers spricht sich in solchen einzelnen Figuren nur fragmentarisch
aus und würde erst bei größeren Compositionen zur vollen Geltung kommen.
Eine mehr moderne und deshalb gefälligere Anmuth zeigt sich in dem Bilde
von Gustav Müller. Jupiter und Antiope; das classische Motiv erforderte eine
größere, breitere Behandlung, aber die lebendige Auffassung und das malerische
Talent -- die mehr noch aus seiner jungen Römerin sprechen -- eröffnen dem
jungen Künstler eine schöne Zukunft, wenn er seine Form an den großen Mu¬
stern läutern und befestigen lernt. Noch sind die Studienköpfe von Gustav
Gaul, einem Schüler Nabis, durch den Ausdruck und die seine Verschmelzung
der lebenswarmen Töne bemerkenswert!), und in den verschiedenen Bildern von
C. Will ich zeigt sich bei etwas trockener Ausführung eine Anschauung, die sich
an den großen Meistern gebildet hat. Dem Gegenstande nach gehört noch die
Waldnymphe von Victor Müller hierher, ein nacktes, nachlässig hingestrecktes
Weib in weitläufiger Waldumgebung; auch hier ist die Schönheit der mensch¬
lichen Gestalt in einem ganz einfachen Lebensmomente das künstlerische Motiv.
Sonst freilich ein Bild ganz anderer Art: Hier ist absichtlich mit der classischen
Ueberlieferung und der stilvollen Auffassung der Form gebrochen, um lediglich
durch die bloße Natürlichkeit der Bewegung und das Leuchten des Fleisches ans
dem grünen Grunde zu wirken. Ein cvloristisches Talent ist dem Werke nicht
abzusprechen, und man könnte sich das warme Farbenspiel der Evastöchter aus
dem frischen Grün der Wiese und im Dunkel des Waldes schon gefallen las¬
sen, wenn nur die Gestalt nicht gar so form- und knochenlos wäre und so den
Eindruck, daß wir es hier mit einer etwas zweideutigen Nymphengattung zu
thun haben, noch verstärkt^

Indem die Kunst, der Darstellung des Nackten zugewendet, mehr nach der
künstlerischen Erscheinung als nach der Bedeutung des Jnhalö fragt, stellt sich noth¬
wendig diese ganze Richtung, welche nun unstreitig an Boden gewinnt, der
eigentlich historischen Kunst gegenüber. Auch ist es hier nicht um den Reiz und
die kokette Wirkung nackter Figuren zu thun, nach welcher die akademische
Kunstweise in ihven typischen Modellgestaltcn, wenn auch verstohlen, haschte,
(ein bezeichnendes Beispiel dieser Manier ist die gelenkte und gezierte Venus
von Gegenbaur), sondern um die malerische Schönheit, um die Verherrlichung
des menschlichen Körpers durch die Kunst, um diese selber in dem Sinne
schöpferischer Formbildung. Gerade diese Richtung, mag sie nun mehr auf
stilvolle Form im engern Sinne oder die malerische Erscheinung .des Körpers
"n Spiel der Farben und des Lichtes ausgehen, hat die Aufgabe, die An-


"hier ist nichts von gewöhnlichem Reiz, sondern der Adel stilvoller Form und
malerischer Behandlung. Eine Kritik, die den Maßstab der großen Kunstepochen
anlegt, würde auch hier deren vollendete Durchbildung' nicht finden, vielleicht
auch den Ausdruck eines feuriger bewegten Lebens wünschen; aber ein Talent
wie das Berbers spricht sich in solchen einzelnen Figuren nur fragmentarisch
aus und würde erst bei größeren Compositionen zur vollen Geltung kommen.
Eine mehr moderne und deshalb gefälligere Anmuth zeigt sich in dem Bilde
von Gustav Müller. Jupiter und Antiope; das classische Motiv erforderte eine
größere, breitere Behandlung, aber die lebendige Auffassung und das malerische
Talent — die mehr noch aus seiner jungen Römerin sprechen — eröffnen dem
jungen Künstler eine schöne Zukunft, wenn er seine Form an den großen Mu¬
stern läutern und befestigen lernt. Noch sind die Studienköpfe von Gustav
Gaul, einem Schüler Nabis, durch den Ausdruck und die seine Verschmelzung
der lebenswarmen Töne bemerkenswert!), und in den verschiedenen Bildern von
C. Will ich zeigt sich bei etwas trockener Ausführung eine Anschauung, die sich
an den großen Meistern gebildet hat. Dem Gegenstande nach gehört noch die
Waldnymphe von Victor Müller hierher, ein nacktes, nachlässig hingestrecktes
Weib in weitläufiger Waldumgebung; auch hier ist die Schönheit der mensch¬
lichen Gestalt in einem ganz einfachen Lebensmomente das künstlerische Motiv.
Sonst freilich ein Bild ganz anderer Art: Hier ist absichtlich mit der classischen
Ueberlieferung und der stilvollen Auffassung der Form gebrochen, um lediglich
durch die bloße Natürlichkeit der Bewegung und das Leuchten des Fleisches ans
dem grünen Grunde zu wirken. Ein cvloristisches Talent ist dem Werke nicht
abzusprechen, und man könnte sich das warme Farbenspiel der Evastöchter aus
dem frischen Grün der Wiese und im Dunkel des Waldes schon gefallen las¬
sen, wenn nur die Gestalt nicht gar so form- und knochenlos wäre und so den
Eindruck, daß wir es hier mit einer etwas zweideutigen Nymphengattung zu
thun haben, noch verstärkt^

Indem die Kunst, der Darstellung des Nackten zugewendet, mehr nach der
künstlerischen Erscheinung als nach der Bedeutung des Jnhalö fragt, stellt sich noth¬
wendig diese ganze Richtung, welche nun unstreitig an Boden gewinnt, der
eigentlich historischen Kunst gegenüber. Auch ist es hier nicht um den Reiz und
die kokette Wirkung nackter Figuren zu thun, nach welcher die akademische
Kunstweise in ihven typischen Modellgestaltcn, wenn auch verstohlen, haschte,
(ein bezeichnendes Beispiel dieser Manier ist die gelenkte und gezierte Venus
von Gegenbaur), sondern um die malerische Schönheit, um die Verherrlichung
des menschlichen Körpers durch die Kunst, um diese selber in dem Sinne
schöpferischer Formbildung. Gerade diese Richtung, mag sie nun mehr auf
stilvolle Form im engern Sinne oder die malerische Erscheinung .des Körpers
"n Spiel der Farben und des Lichtes ausgehen, hat die Aufgabe, die An-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/215>, abgerufen am 15.01.2025.