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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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bei dieser Arbeit überraschte, sing nunmehr an, mich vollständig zu verachten,
und wurde so ungezogen, daß wir ihn fortjagen mußten. Der Principal, bei
dem wir uns beschwerten, hatte nicht den Muth, Tom zu züchtigen, und gab uns
einen andern Neger Namens Meagher. Dieser hatte kurz vorher dem Gärtner
34 Dollars gestohlen und war entlaufen, aber durch Bluthunde ausgespürt und
zurückgebracht worden. Bei ihm war also die größte Vorsicht nöthig. Er
pflegte zu allem dummöhrig "Ja" zu sagen und das ihm Anbefohlene sehr häufig
doch nicht zu machen. "Meagher, bring Holz!" -- "Ja." -- "Meagher, warum
hast Du das Holz nicht gebracht,?" -- "Ja." -- "Wenn Du es nun nicht gleich
bringst, sagen wir es dem Principal." -- "Ja". Aber das Holz kam nicht, und
wenn es auch im Winter nicht sehr kalt war, so wehten doch im Januar, Februar
und März rauhe Winde, und dann gab es bei den zerbrochnen Fenstern und
bei den Löchern in den Wänden unsrer Stube einen ganz unerträglichen Zug.
Wir mußten daher Holz stehlen und sielen ohne Weiteres über einen großen
Haufen Nutzholz her, das Poindexter für den Bau eines Gebäudes hatte zu¬
bauen lassen. In' Ermangelung einer Säge steckten wir große Stämme, die
bis an die Stubenthür reichten, in den Ofen und schoben nach, je nachdem sie
verbrannten. So halfen wir uns durch; Poindexter kam freilich sehr übel
dabei weg.

Die Ladies schienen übrigens in dieser Beziehung noch schlechter gestellt
zu sein, als wir; denn weder in ihrem großen Gesellschastssaale, noch im Speise¬
salon, noch auch in den Räumen, in denen Musikstunden gegeben wurden, ward
geheizt. Es kam daher nicht selten vor, daß die Mädchen nicht spielen konnte.",
weil ihnen die Finger zu steif waren. Daß sie sich diese Vernachlässigung
ruhig gefallen ließen, wund'erke mich nicht wenig von diesen anspruchsvollen
Amerikanerinnen. Allein es gab hier noch seltsamere Dinge. In dem schon an¬
geführten Aufsatz aus dem "Alabama Planier" über das "Calhoun-Jnstitut" --
dies war der Name der Schule -- hatte ich nämlich unter Andrem Folgendes
gefunden:

"Das Küchendepartement ist kein Hohn auf gutes Leben, wo verhungerte
Schüler einander einen elend zubereiteten Bissen wegzuschnappen suchen, viel¬
mehr strotzt es vor Ueberfluß an Allem, was von dem umliegenden Lande
oder in Mohne erlangt werden kann. Früchte, Gemüse, Fische, Austern u. s. w.
kommen täglich per Eisenbahn von Mohne für das Wirthschaftsdepartement
an. Die Vortheile eines guten Tisches in einem Dameninstitut wird jeder
sehen; denn unsre Töchter werden so mit jener Lebensweise vertraut, die, ein
Erbrecht der Kinder unsres reichen und ergiebigen Südens ist."

Darnach hätte man allerdings eine reichbesetzte Tafel erwarten können.
Poindexter hatte aber die Sache einfacher eingerichtet. Zum Frühstück gab es
eine Tasse schlechten Kaffee, glühend heiße Biscuits (eine Art Rundstück mit


bei dieser Arbeit überraschte, sing nunmehr an, mich vollständig zu verachten,
und wurde so ungezogen, daß wir ihn fortjagen mußten. Der Principal, bei
dem wir uns beschwerten, hatte nicht den Muth, Tom zu züchtigen, und gab uns
einen andern Neger Namens Meagher. Dieser hatte kurz vorher dem Gärtner
34 Dollars gestohlen und war entlaufen, aber durch Bluthunde ausgespürt und
zurückgebracht worden. Bei ihm war also die größte Vorsicht nöthig. Er
pflegte zu allem dummöhrig „Ja" zu sagen und das ihm Anbefohlene sehr häufig
doch nicht zu machen. „Meagher, bring Holz!" — „Ja." — „Meagher, warum
hast Du das Holz nicht gebracht,?" — „Ja." — „Wenn Du es nun nicht gleich
bringst, sagen wir es dem Principal." — „Ja". Aber das Holz kam nicht, und
wenn es auch im Winter nicht sehr kalt war, so wehten doch im Januar, Februar
und März rauhe Winde, und dann gab es bei den zerbrochnen Fenstern und
bei den Löchern in den Wänden unsrer Stube einen ganz unerträglichen Zug.
Wir mußten daher Holz stehlen und sielen ohne Weiteres über einen großen
Haufen Nutzholz her, das Poindexter für den Bau eines Gebäudes hatte zu¬
bauen lassen. In' Ermangelung einer Säge steckten wir große Stämme, die
bis an die Stubenthür reichten, in den Ofen und schoben nach, je nachdem sie
verbrannten. So halfen wir uns durch; Poindexter kam freilich sehr übel
dabei weg.

Die Ladies schienen übrigens in dieser Beziehung noch schlechter gestellt
zu sein, als wir; denn weder in ihrem großen Gesellschastssaale, noch im Speise¬
salon, noch auch in den Räumen, in denen Musikstunden gegeben wurden, ward
geheizt. Es kam daher nicht selten vor, daß die Mädchen nicht spielen konnte.»,
weil ihnen die Finger zu steif waren. Daß sie sich diese Vernachlässigung
ruhig gefallen ließen, wund'erke mich nicht wenig von diesen anspruchsvollen
Amerikanerinnen. Allein es gab hier noch seltsamere Dinge. In dem schon an¬
geführten Aufsatz aus dem „Alabama Planier" über das „Calhoun-Jnstitut" —
dies war der Name der Schule — hatte ich nämlich unter Andrem Folgendes
gefunden:

„Das Küchendepartement ist kein Hohn auf gutes Leben, wo verhungerte
Schüler einander einen elend zubereiteten Bissen wegzuschnappen suchen, viel¬
mehr strotzt es vor Ueberfluß an Allem, was von dem umliegenden Lande
oder in Mohne erlangt werden kann. Früchte, Gemüse, Fische, Austern u. s. w.
kommen täglich per Eisenbahn von Mohne für das Wirthschaftsdepartement
an. Die Vortheile eines guten Tisches in einem Dameninstitut wird jeder
sehen; denn unsre Töchter werden so mit jener Lebensweise vertraut, die, ein
Erbrecht der Kinder unsres reichen und ergiebigen Südens ist."

Darnach hätte man allerdings eine reichbesetzte Tafel erwarten können.
Poindexter hatte aber die Sache einfacher eingerichtet. Zum Frühstück gab es
eine Tasse schlechten Kaffee, glühend heiße Biscuits (eine Art Rundstück mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/202>, abgerufen am 15.01.2025.