Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.Nach sechs Uhr begann die Feier mit dem Geläut aller Glocken, während Die Mittagsstunde versammelte alles Volk vor der großen Tribüne auf dem Kunstfreunde mögen diese Bemerkung ungerechtfertigt finden. Mir schien Eine Hochherzigkeit, welche -- wir brauchen nicht zu sagen, warum -- einen doppel-
ten Triumph feierte, und welche ohne Nebengedanken zu ehren d, Bl, nicht das letzte sei" will. Möchten sich darin zunächst diejenigen unsrer allerdurchlauchtigsten Herren zu spiegeln ge¬ ruhen, welche durch die Freiheitskriege gewonnen, nicht verloren haben und doch jetzt die deutsche Fahne verläugncten. Und möchten sich daran auch die guten Beschränkten für die Zukunft ein Beispiel nehme", welche am 1!>. im Schützenhaus ihr Scparatvergnügen haben mußten und dort nicht wie ihr König den Gott, der die große Befreiungsschlacht zum Siege der deutschen Waffen lenkte, sondern nur den Engel oder Erzengel ehren zu dürfen vermeinten, der nachträglich die Stadt vor den wilden Preuße" zu schützen hatte. D. Red. Nach sechs Uhr begann die Feier mit dem Geläut aller Glocken, während Die Mittagsstunde versammelte alles Volk vor der großen Tribüne auf dem Kunstfreunde mögen diese Bemerkung ungerechtfertigt finden. Mir schien Eine Hochherzigkeit, welche — wir brauchen nicht zu sagen, warum — einen doppel-
ten Triumph feierte, und welche ohne Nebengedanken zu ehren d, Bl, nicht das letzte sei» will. Möchten sich darin zunächst diejenigen unsrer allerdurchlauchtigsten Herren zu spiegeln ge¬ ruhen, welche durch die Freiheitskriege gewonnen, nicht verloren haben und doch jetzt die deutsche Fahne verläugncten. Und möchten sich daran auch die guten Beschränkten für die Zukunft ein Beispiel nehme», welche am 1!>. im Schützenhaus ihr Scparatvergnügen haben mußten und dort nicht wie ihr König den Gott, der die große Befreiungsschlacht zum Siege der deutschen Waffen lenkte, sondern nur den Engel oder Erzengel ehren zu dürfen vermeinten, der nachträglich die Stadt vor den wilden Preuße» zu schützen hatte. D. Red. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0172" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116100"/> <p xml:id="ID_644"> Nach sechs Uhr begann die Feier mit dem Geläut aller Glocken, während<lb/> unten durch die Straßen die Reveille ging. Später fand in den Kirchen der<lb/> verschiedenen Bekenntnisse ein auf den Gegenstand des Festes bezüglicher Gottes¬<lb/> dienst statt, wobei man einige gute Predigten gehört haben soll. Alle Gassen<lb/> und Plätze der Stadt prangten jetzt im Schmuck von Flaggen, Panieren und<lb/> Fahnen, deren der Morgen noch viele neue herausgesteckt hatte, und unter denen<lb/> die deutsche Tricolore noch mehr überwog, als beim letzten Fest. Die könig¬<lb/> lichen Gebäude waren nur mit dieser geschmückt. Auch das kleine Palais am<lb/> Park, welches der König bewohnt, wenn er sich in Leipzig aushält, flaggte in<lb/> den deutschen Farben*).</p><lb/> <p xml:id="ID_645"> Die Mittagsstunde versammelte alles Volk vor der großen Tribüne auf dem<lb/> Markte, wo die vereinigten Männergesangvereine der Siade, verstärkt durch berliner<lb/> und dresdner Sänger, gegen das Ende hin auch durch Damen, zunächst das<lb/> „Herr Gott, Dich loben wir" nach einer Composition vom Kapellmeister Reinecke<lb/> sangen, dann das Halleluja aus Handels „Messias" und zuletzt Arndts ,.Lob-<lb/> gesang: Wohlauf mit Herz und Muth", componirt von Nägeli vortrugen. Die<lb/> Aufführung dieser geistlichen Musikstücke ließ nichts zu wünschen übrig. Da¬<lb/> gegen berührte unangenehm, daß einmal Bravo und Händeklatschen aus der<lb/> Menge den Sängern dankte. Auch waren drei Piecen, die doch wesentlich den¬<lb/> selben Gedanken in Tönen ausklingen ließen, wohl zu viel, zumal sie die un¬<lb/> geheure Mehrzahl der zwölf- bis fünfzehntausend Versammelten zum Schweigen<lb/> nöthigten und so sich als Nichtbetheiligte betrachten ließen, während der Cha¬<lb/> rakter des Festes möglichst allgemeine und möglichst ununterbrocheneMitwirkung<lb/> der zur Feier Zusammengekommenen verlangte. Gewiß nicht so kunstgerecht,<lb/> aber viel ergreifender als jener bei der Weite des auszufüllenden Raumes<lb/> doch etwas dünne Gesang der drei ersten Stücke klang es, als zum Schluß das<lb/> „Nun danket Alle Gott" begann und allmälig die Kopf an Kopf den Markt<lb/> und die angrenzenden Gassen füllende Menge brausend wie große Wasser in<lb/> den Gesang einstimmte.</p><lb/> <p xml:id="ID_646" next="#ID_647"> Kunstfreunde mögen diese Bemerkung ungerechtfertigt finden. Mir schien<lb/> sie am Orte. Jener erste Theil hatte etwas von einer katholischen Messe.</p><lb/> <note xml:id="FID_20" place="foot"> Eine Hochherzigkeit, welche — wir brauchen nicht zu sagen, warum — einen doppel-<lb/> ten Triumph feierte, und welche ohne Nebengedanken zu ehren d, Bl, nicht das letzte sei»<lb/> will. Möchten sich darin zunächst diejenigen unsrer allerdurchlauchtigsten Herren zu spiegeln ge¬<lb/> ruhen, welche durch die Freiheitskriege gewonnen, nicht verloren haben und doch jetzt die deutsche<lb/> Fahne verläugncten. Und möchten sich daran auch die guten Beschränkten für die Zukunft ein<lb/> Beispiel nehme», welche am 1!>. im Schützenhaus ihr Scparatvergnügen haben mußten und dort<lb/> nicht wie ihr König den Gott, der die große Befreiungsschlacht zum Siege der deutschen Waffen<lb/> lenkte, sondern nur den Engel oder Erzengel ehren zu dürfen vermeinten, der nachträglich die<lb/> Stadt vor den wilden Preuße» zu schützen hatte. D. Red.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0172]
Nach sechs Uhr begann die Feier mit dem Geläut aller Glocken, während
unten durch die Straßen die Reveille ging. Später fand in den Kirchen der
verschiedenen Bekenntnisse ein auf den Gegenstand des Festes bezüglicher Gottes¬
dienst statt, wobei man einige gute Predigten gehört haben soll. Alle Gassen
und Plätze der Stadt prangten jetzt im Schmuck von Flaggen, Panieren und
Fahnen, deren der Morgen noch viele neue herausgesteckt hatte, und unter denen
die deutsche Tricolore noch mehr überwog, als beim letzten Fest. Die könig¬
lichen Gebäude waren nur mit dieser geschmückt. Auch das kleine Palais am
Park, welches der König bewohnt, wenn er sich in Leipzig aushält, flaggte in
den deutschen Farben*).
Die Mittagsstunde versammelte alles Volk vor der großen Tribüne auf dem
Markte, wo die vereinigten Männergesangvereine der Siade, verstärkt durch berliner
und dresdner Sänger, gegen das Ende hin auch durch Damen, zunächst das
„Herr Gott, Dich loben wir" nach einer Composition vom Kapellmeister Reinecke
sangen, dann das Halleluja aus Handels „Messias" und zuletzt Arndts ,.Lob-
gesang: Wohlauf mit Herz und Muth", componirt von Nägeli vortrugen. Die
Aufführung dieser geistlichen Musikstücke ließ nichts zu wünschen übrig. Da¬
gegen berührte unangenehm, daß einmal Bravo und Händeklatschen aus der
Menge den Sängern dankte. Auch waren drei Piecen, die doch wesentlich den¬
selben Gedanken in Tönen ausklingen ließen, wohl zu viel, zumal sie die un¬
geheure Mehrzahl der zwölf- bis fünfzehntausend Versammelten zum Schweigen
nöthigten und so sich als Nichtbetheiligte betrachten ließen, während der Cha¬
rakter des Festes möglichst allgemeine und möglichst ununterbrocheneMitwirkung
der zur Feier Zusammengekommenen verlangte. Gewiß nicht so kunstgerecht,
aber viel ergreifender als jener bei der Weite des auszufüllenden Raumes
doch etwas dünne Gesang der drei ersten Stücke klang es, als zum Schluß das
„Nun danket Alle Gott" begann und allmälig die Kopf an Kopf den Markt
und die angrenzenden Gassen füllende Menge brausend wie große Wasser in
den Gesang einstimmte.
Kunstfreunde mögen diese Bemerkung ungerechtfertigt finden. Mir schien
sie am Orte. Jener erste Theil hatte etwas von einer katholischen Messe.
Eine Hochherzigkeit, welche — wir brauchen nicht zu sagen, warum — einen doppel-
ten Triumph feierte, und welche ohne Nebengedanken zu ehren d, Bl, nicht das letzte sei»
will. Möchten sich darin zunächst diejenigen unsrer allerdurchlauchtigsten Herren zu spiegeln ge¬
ruhen, welche durch die Freiheitskriege gewonnen, nicht verloren haben und doch jetzt die deutsche
Fahne verläugncten. Und möchten sich daran auch die guten Beschränkten für die Zukunft ein
Beispiel nehme», welche am 1!>. im Schützenhaus ihr Scparatvergnügen haben mußten und dort
nicht wie ihr König den Gott, der die große Befreiungsschlacht zum Siege der deutschen Waffen
lenkte, sondern nur den Engel oder Erzengel ehren zu dürfen vermeinten, der nachträglich die
Stadt vor den wilden Preuße» zu schützen hatte. D. Red.
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