Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.die nichts dafür kann, daß Lessing in ihr geboren ist, eilig nachgesprochen von In der That: wenn heut' ein Geist herniederstiege! 2. -- Wonach gestern Abend, als bei Möckern das erste Auch das Barometer der Seelen ist allmälig im Steigen. Wir athmen Auf dem Pflaster darunter verschwinden die Budenreihen, welche die Messe die nichts dafür kann, daß Lessing in ihr geboren ist, eilig nachgesprochen von In der That: wenn heut' ein Geist herniederstiege! 2. — Wonach gestern Abend, als bei Möckern das erste Auch das Barometer der Seelen ist allmälig im Steigen. Wir athmen Auf dem Pflaster darunter verschwinden die Budenreihen, welche die Messe <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0170" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116098"/> <p xml:id="ID_634" prev="#ID_633"> die nichts dafür kann, daß Lessing in ihr geboren ist, eilig nachgesprochen von<lb/> der regierenden Kleinstädterei einer andern, die sich sonst nicht ungern eine<lb/> Großstadt nennen hört, vom Echo wiederholt in mehr als einem andern Win¬<lb/> kel — sogar in Leipzig, das seine Leute bildet, nicht ohne leisen Nachklang, wenn<lb/> auch selbstverständlich nur bei denen, die sich nicht bilden lassen wollen. Viel¬<lb/> fach Mißgunst, Beschränktheit und Zerrissenheit, Zweifel und Pessimismus im<lb/> großen Vaterlande. Die patriotische Partei, wie man schließen möchte, an<lb/> Zahl wie an Energie schwächer, als man gemeint. Dazu ein politischer Him¬<lb/> mel so düster umzogen wie droben der physische. Am Horizont kriegsschwanger<lb/> die polnische Wolke, über allen deutschen Landen drohend der Zusammensturz<lb/> des Gebäudes, das uns wenigstens die handelspolitische Einheit gewährt, in<lb/> Preußen die Gewitterschwüle vor den Wahlen zum Landtag der Entscheidung.</p><lb/> <p xml:id="ID_635"> In der That: wenn heut' ein Geist herniederstiege!</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> 2.</head><lb/> <p xml:id="ID_636"> — Wonach gestern Abend, als bei Möckern das erste<lb/> Siegesfeuer in rothem Nebeldunst aufflammte, Tausende von Augen sehnsüchtig<lb/> und sorgenvoll ausgeschaut, das scheint uns morgen werden zu sollen. Der<lb/> Himmel klärt sich zu einem hellen Octobertage, und auch diesmal rüstet sich<lb/> die Sonne, unser Fest mit zu begehen, wenn auch vielleicht in Begleitung von<lb/> Wolken, die noch immer bedenklich genug vorüberziehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_637"> Auch das Barometer der Seelen ist allmälig im Steigen. Wir athmen<lb/> auf und die Stadt mit uns. Prächtig erhebt sich am ehemaligen grimmaischen<lb/> Thor mit ihren vier rothen Thürmen, ihrem Reisigschmuck, ihren Schlacht¬<lb/> trophäen und dem wehenden Wald von Tricoloren auf ihren Zinnen die Ehren¬<lb/> pforte, welche der Ausschuß sinnig an der Stelle errichtete, wo in der<lb/> Octoberschlacht Held Friccius mit der ostpreußischen Landwehr zuerst stürmend<lb/> in die Stadt drang. Daneben das Denkmal, welches die That der tapfern<lb/> Schaar bleibend ehren wird. Dahinter die Straßen in dem Schmuck von Fah¬<lb/> nen, Bannern und Behängen, den wir vom Turnerfest her kennen, und der sich<lb/> diesmal — des noch immer zweifelhaften Wetters wegen — langsamer und spä¬<lb/> ter, aber kaum weniger reich und bunt entfaltet. Auf dem Augustusplatz vor der<lb/> Einfahrt in die innere Stadt eine stattliche Allee von Kandelabern, welche Ur¬<lb/> nen mit Blumen und Strauchwerk tragen und durch Festons geschmackvoll mit<lb/> einander verbunden sind. Am Markt das Rathhaus umweht von den Flaggen<lb/> der Mächte, welche im Jahre dreizehn hier gesiegt, von der sächsischen und von<lb/> der leipziger Fahne, darüber die Farben des werdenden Deutschland.</p><lb/> <p xml:id="ID_638" next="#ID_639"> Auf dem Pflaster darunter verschwinden die Budenreihen, welche die Messe<lb/> hierher gepflanzt hat, und statt ihrer steigt, von Masten mit schwarzrothgoldnen<lb/> Bannern umgeben, die große Tribüne aus, die morgen die Gesangvereine auf¬<lb/> nehmen soll. An den Bahnhöfen werden die Veteranen empfangen, von de-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0170]
die nichts dafür kann, daß Lessing in ihr geboren ist, eilig nachgesprochen von
der regierenden Kleinstädterei einer andern, die sich sonst nicht ungern eine
Großstadt nennen hört, vom Echo wiederholt in mehr als einem andern Win¬
kel — sogar in Leipzig, das seine Leute bildet, nicht ohne leisen Nachklang, wenn
auch selbstverständlich nur bei denen, die sich nicht bilden lassen wollen. Viel¬
fach Mißgunst, Beschränktheit und Zerrissenheit, Zweifel und Pessimismus im
großen Vaterlande. Die patriotische Partei, wie man schließen möchte, an
Zahl wie an Energie schwächer, als man gemeint. Dazu ein politischer Him¬
mel so düster umzogen wie droben der physische. Am Horizont kriegsschwanger
die polnische Wolke, über allen deutschen Landen drohend der Zusammensturz
des Gebäudes, das uns wenigstens die handelspolitische Einheit gewährt, in
Preußen die Gewitterschwüle vor den Wahlen zum Landtag der Entscheidung.
In der That: wenn heut' ein Geist herniederstiege!
2.
— Wonach gestern Abend, als bei Möckern das erste
Siegesfeuer in rothem Nebeldunst aufflammte, Tausende von Augen sehnsüchtig
und sorgenvoll ausgeschaut, das scheint uns morgen werden zu sollen. Der
Himmel klärt sich zu einem hellen Octobertage, und auch diesmal rüstet sich
die Sonne, unser Fest mit zu begehen, wenn auch vielleicht in Begleitung von
Wolken, die noch immer bedenklich genug vorüberziehen.
Auch das Barometer der Seelen ist allmälig im Steigen. Wir athmen
auf und die Stadt mit uns. Prächtig erhebt sich am ehemaligen grimmaischen
Thor mit ihren vier rothen Thürmen, ihrem Reisigschmuck, ihren Schlacht¬
trophäen und dem wehenden Wald von Tricoloren auf ihren Zinnen die Ehren¬
pforte, welche der Ausschuß sinnig an der Stelle errichtete, wo in der
Octoberschlacht Held Friccius mit der ostpreußischen Landwehr zuerst stürmend
in die Stadt drang. Daneben das Denkmal, welches die That der tapfern
Schaar bleibend ehren wird. Dahinter die Straßen in dem Schmuck von Fah¬
nen, Bannern und Behängen, den wir vom Turnerfest her kennen, und der sich
diesmal — des noch immer zweifelhaften Wetters wegen — langsamer und spä¬
ter, aber kaum weniger reich und bunt entfaltet. Auf dem Augustusplatz vor der
Einfahrt in die innere Stadt eine stattliche Allee von Kandelabern, welche Ur¬
nen mit Blumen und Strauchwerk tragen und durch Festons geschmackvoll mit
einander verbunden sind. Am Markt das Rathhaus umweht von den Flaggen
der Mächte, welche im Jahre dreizehn hier gesiegt, von der sächsischen und von
der leipziger Fahne, darüber die Farben des werdenden Deutschland.
Auf dem Pflaster darunter verschwinden die Budenreihen, welche die Messe
hierher gepflanzt hat, und statt ihrer steigt, von Masten mit schwarzrothgoldnen
Bannern umgeben, die große Tribüne aus, die morgen die Gesangvereine auf¬
nehmen soll. An den Bahnhöfen werden die Veteranen empfangen, von de-
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