Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.das uns nach Mohne bringen sollte. Diese Reise nahm bei dem damaligen Ziemlich betroffen über diese Niederlage, lehnte ich mich über das Gelän¬ Die Ufer des Alabama sind von Montgomery bis weithin stromab recht das uns nach Mohne bringen sollte. Diese Reise nahm bei dem damaligen Ziemlich betroffen über diese Niederlage, lehnte ich mich über das Gelän¬ Die Ufer des Alabama sind von Montgomery bis weithin stromab recht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0164" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116092"/> <p xml:id="ID_610" prev="#ID_609"> das uns nach Mohne bringen sollte. Diese Reise nahm bei dem damaligen<lb/> niedrigen Wasserstand des Alabama fast drei Tage in Anspruch, und so meinte<lb/> ich Gelegenheit genug zum Zeichnen zu finden. Ich sah mich daher alsbald<lb/> nach einem passenden Plätzchen um und war so glücklich, auf dem Verdeck eine<lb/> alte Kutsche zu entdecken, in der ich sofort mein Atelier aufzuschlagen beschloß.<lb/> Rasch holte ich das Genrebild, zwei sitzende Knaben, die mit einem Hunde<lb/> spielten, herbei und schlüpfte in die Kutsche. Ich zog meinen ziemlich stumpfen<lb/> Bleistift, den ich in Ermanglung eines Messers nicht spitzen konnte, aus der<lb/> Brusttasche, legte ein Stück Papier auf ein Buch, dem mein aufgestemmtes<lb/> rechtes Knie zum Stützpunkt diente, und machte mich an meine beiden Knäb-<lb/> lein. Das Gesicht des Einen stand bald im äußern Umriß auf dem Papiere;<lb/> aber jetzt kamen die Augen und das Lockenhaar an die Reihe, beides sehr be¬<lb/> denkliche Punkte. Mit wahrer Künstlerruhe setzte ich den Mund und das<lb/> Geruchsorgan im Kopfe ein, führte die Augen aus, und siehe da! das rechte<lb/> Auge stand im stumpfen, das linke im spitzen Winkel zur Nase. Ueberdies<lb/> hatten beide Augen einen ganz verschiedenen Blick. Fatal! sehr fatal! Schielen<lb/> lassen wollte ich meinen Jungen durchaus nicht; auch sollte er wenigstens eine<lb/> menschliche Gesichtsbildung bekommen. Leider konnte ich nichts wegwischen,<lb/> denn ich hatte auch keinen Gummi. Ich zeichnete daher sofort ein Paar neue<lb/> Augen theilweis über die alten weg. Kaum war ich damit fertig, als ein klei¬<lb/> ner Aankee, ein Schulbube, mein Atelier besuchte, sich ganz ungezwungen neben<lb/> mich setzte, meine Zeichnung betrachtete und mich dann ganz naiv fragte, ob<lb/> ich einen Affen malen wollte. Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu, hieß<lb/> ihm das Feld räumen, packte meine Jungen zusammen, verwies sie in die Reise¬<lb/> tasche und beschloß, vorerst das Klima noch etwas mehr auf mich wirken zu<lb/> lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_611"> Ziemlich betroffen über diese Niederlage, lehnte ich mich über das Gelän¬<lb/> der des untern Deckes und starrte auf den Fluß hinab. Da zupft es mich am<lb/> Aermel. Ich sehe mich um und gewahre den Principal, der mir sehr bald un¬<lb/> ter dem Vorwand, daß ihm das Reisegeld ausgegangen sei, meine ganze Baar-<lb/> schaft bis auf zwei Dollar als Darlehen abzuschwatzen wußte. Dies geschah,<lb/> wie ich später merkte, in der wollwollenden Absicht, mir die Mittel zum Da¬<lb/> vonlaufen zu entziehen. So erleichtert, suchte ich mich durch das bunte Schau¬<lb/> spiel, das die Fahrt bot, etwas aufzuheitern.</p><lb/> <p xml:id="ID_612" next="#ID_613"> Die Ufer des Alabama sind von Montgomery bis weithin stromab recht<lb/> anmuthig. Sie steigen auf beiden Seiten ziemlich hoch und namentlich auf der<lb/> rechten Seite ziemlich steil an und sind links bewa-ldee, während sie rechts meist<lb/> kahl sind und große Baumwollpflanzungen begrenzen. Diese Pflanzungen war¬<lb/> fen Massen von Baumwollballen aus, die von Negern das steile Ufer herab¬<lb/> gerollt wurden, sowie unser Dampfer in Sicht kam. Auch wurden an vielen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0164]
das uns nach Mohne bringen sollte. Diese Reise nahm bei dem damaligen
niedrigen Wasserstand des Alabama fast drei Tage in Anspruch, und so meinte
ich Gelegenheit genug zum Zeichnen zu finden. Ich sah mich daher alsbald
nach einem passenden Plätzchen um und war so glücklich, auf dem Verdeck eine
alte Kutsche zu entdecken, in der ich sofort mein Atelier aufzuschlagen beschloß.
Rasch holte ich das Genrebild, zwei sitzende Knaben, die mit einem Hunde
spielten, herbei und schlüpfte in die Kutsche. Ich zog meinen ziemlich stumpfen
Bleistift, den ich in Ermanglung eines Messers nicht spitzen konnte, aus der
Brusttasche, legte ein Stück Papier auf ein Buch, dem mein aufgestemmtes
rechtes Knie zum Stützpunkt diente, und machte mich an meine beiden Knäb-
lein. Das Gesicht des Einen stand bald im äußern Umriß auf dem Papiere;
aber jetzt kamen die Augen und das Lockenhaar an die Reihe, beides sehr be¬
denkliche Punkte. Mit wahrer Künstlerruhe setzte ich den Mund und das
Geruchsorgan im Kopfe ein, führte die Augen aus, und siehe da! das rechte
Auge stand im stumpfen, das linke im spitzen Winkel zur Nase. Ueberdies
hatten beide Augen einen ganz verschiedenen Blick. Fatal! sehr fatal! Schielen
lassen wollte ich meinen Jungen durchaus nicht; auch sollte er wenigstens eine
menschliche Gesichtsbildung bekommen. Leider konnte ich nichts wegwischen,
denn ich hatte auch keinen Gummi. Ich zeichnete daher sofort ein Paar neue
Augen theilweis über die alten weg. Kaum war ich damit fertig, als ein klei¬
ner Aankee, ein Schulbube, mein Atelier besuchte, sich ganz ungezwungen neben
mich setzte, meine Zeichnung betrachtete und mich dann ganz naiv fragte, ob
ich einen Affen malen wollte. Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu, hieß
ihm das Feld räumen, packte meine Jungen zusammen, verwies sie in die Reise¬
tasche und beschloß, vorerst das Klima noch etwas mehr auf mich wirken zu
lassen.
Ziemlich betroffen über diese Niederlage, lehnte ich mich über das Gelän¬
der des untern Deckes und starrte auf den Fluß hinab. Da zupft es mich am
Aermel. Ich sehe mich um und gewahre den Principal, der mir sehr bald un¬
ter dem Vorwand, daß ihm das Reisegeld ausgegangen sei, meine ganze Baar-
schaft bis auf zwei Dollar als Darlehen abzuschwatzen wußte. Dies geschah,
wie ich später merkte, in der wollwollenden Absicht, mir die Mittel zum Da¬
vonlaufen zu entziehen. So erleichtert, suchte ich mich durch das bunte Schau¬
spiel, das die Fahrt bot, etwas aufzuheitern.
Die Ufer des Alabama sind von Montgomery bis weithin stromab recht
anmuthig. Sie steigen auf beiden Seiten ziemlich hoch und namentlich auf der
rechten Seite ziemlich steil an und sind links bewa-ldee, während sie rechts meist
kahl sind und große Baumwollpflanzungen begrenzen. Diese Pflanzungen war¬
fen Massen von Baumwollballen aus, die von Negern das steile Ufer herab¬
gerollt wurden, sowie unser Dampfer in Sicht kam. Auch wurden an vielen
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