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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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doch einigermaßen über das Bohnenlied. Mein Gewissen kam zum Durchbruch
und nöthigte mich, dem Principal mit schrecklichem Radebrechen, worüber die¬
ser Gentleman mehrmals in lautes Gelächter ausbrach, auf englisch so viel
verständlich zu machen, daß ich vom Malen und Zeichnen gar nichts verstehe
und in der Musik zur Anfängelschaft zurückgekommen sei. Er erwiderte mir
aber ganz trocken-. "Sie haben Ihre vollen vier Wochen Zeit und können da
recht gut alles das lernen."

Das Schuljahr begann nämlich mit dem ersten October, während wir damals
im dritten Viertel des August standen und schon Anfang Septembers zu Ma-
con eintreffen sollten. Also in diesen vier Wochen sollte und konnte ich nach
der Versicherung des Principales dreifach Künstler werden. Herr Poindexter
mußte das als Eingeborner versiehn. und so wirkte seine Rede zugleich be¬
ruhigend und erhebend aus mein Gemüth, und ich dachte bei mir: "Das Klima
in diesem Lande muß der Kunstentwicklung ganz besonders zuträglich sein und
wird seine heilsame Kraft jedenfalls auch bei Dir nicht verfehlen."

Mit erleichterten Herzen fragte ich daher den Principal, ob er das zu
künstlerischen Studien erforderliche Material an Oelfarben. Pinseln, Papier
u. tgi. in seinem Institute vorräthig habe, damit ich gleich meine Studien
beginnen könne. Er bejahte das, und die Sache war abgemacht.

Er stellte mir daraus einen Herrn Oliva vor, den er für die italienische
Sprache und für Gesang engagirt hatte. Oliva, der in Philadelphia den
Bänkelsänger gemacht, d. h. in Bierwirthschaften gesungen hatte, gab sich zwar
für den Sohn eines italienischen Generals aus und wollte den ersten italienischen
Feldzug als Offizier mitgemacht haben; ich habe aber gegründeten Verdacht,
daß er seines Zeichens eigentlich ein Schneider war. Denn er machte sich
später selbst mehre Hemden, wendete sich den Rock u. tgi., und das Alles mit
einer Fertigkeit und Geschäftskenntniß, wie sie nur ein in die Kunst der Be¬
kleidung tief Eingeweihter besitzen kann. Ich selbst habe seiner Anweisung
nicht unbeträchtliche Fortschritte in diesem edlen Gewerbe zu verdanken; denn
wir flickten später bisweilen um die Wette.

An einem Donnerstag war unser Engagement zum Abschluß gekommen,
und schon am folgenden Tage brachte Herr Poindexter den Italiener und mich
auf die Eisenbahn, um uns nach Mississippi zu entführen. Da ich gehört
hatte, daß mein Freund H. aus Dresden, ein Architekt, der sehr hübsch malte
und zeichnete, in Richmond in Virginien sei, und wir uns dort zwei Tage
aufhalten wollten, so beschloß ich, mich gleich hier allen Ernstes auf Zeich¬
nenkunst und Malerei zu werfen. Kaum waren wir also dort angelangt, so
suchte ich meinen Bekannten auf, setzte ihn von dem außerordentlichen Ereig¬
nis) meiner Ernennung zu drei Professuren in Kenntniß und bat ihn um eine
Zeichnenvorlage. '


doch einigermaßen über das Bohnenlied. Mein Gewissen kam zum Durchbruch
und nöthigte mich, dem Principal mit schrecklichem Radebrechen, worüber die¬
ser Gentleman mehrmals in lautes Gelächter ausbrach, auf englisch so viel
verständlich zu machen, daß ich vom Malen und Zeichnen gar nichts verstehe
und in der Musik zur Anfängelschaft zurückgekommen sei. Er erwiderte mir
aber ganz trocken-. „Sie haben Ihre vollen vier Wochen Zeit und können da
recht gut alles das lernen."

Das Schuljahr begann nämlich mit dem ersten October, während wir damals
im dritten Viertel des August standen und schon Anfang Septembers zu Ma-
con eintreffen sollten. Also in diesen vier Wochen sollte und konnte ich nach
der Versicherung des Principales dreifach Künstler werden. Herr Poindexter
mußte das als Eingeborner versiehn. und so wirkte seine Rede zugleich be¬
ruhigend und erhebend aus mein Gemüth, und ich dachte bei mir: „Das Klima
in diesem Lande muß der Kunstentwicklung ganz besonders zuträglich sein und
wird seine heilsame Kraft jedenfalls auch bei Dir nicht verfehlen."

Mit erleichterten Herzen fragte ich daher den Principal, ob er das zu
künstlerischen Studien erforderliche Material an Oelfarben. Pinseln, Papier
u. tgi. in seinem Institute vorräthig habe, damit ich gleich meine Studien
beginnen könne. Er bejahte das, und die Sache war abgemacht.

Er stellte mir daraus einen Herrn Oliva vor, den er für die italienische
Sprache und für Gesang engagirt hatte. Oliva, der in Philadelphia den
Bänkelsänger gemacht, d. h. in Bierwirthschaften gesungen hatte, gab sich zwar
für den Sohn eines italienischen Generals aus und wollte den ersten italienischen
Feldzug als Offizier mitgemacht haben; ich habe aber gegründeten Verdacht,
daß er seines Zeichens eigentlich ein Schneider war. Denn er machte sich
später selbst mehre Hemden, wendete sich den Rock u. tgi., und das Alles mit
einer Fertigkeit und Geschäftskenntniß, wie sie nur ein in die Kunst der Be¬
kleidung tief Eingeweihter besitzen kann. Ich selbst habe seiner Anweisung
nicht unbeträchtliche Fortschritte in diesem edlen Gewerbe zu verdanken; denn
wir flickten später bisweilen um die Wette.

An einem Donnerstag war unser Engagement zum Abschluß gekommen,
und schon am folgenden Tage brachte Herr Poindexter den Italiener und mich
auf die Eisenbahn, um uns nach Mississippi zu entführen. Da ich gehört
hatte, daß mein Freund H. aus Dresden, ein Architekt, der sehr hübsch malte
und zeichnete, in Richmond in Virginien sei, und wir uns dort zwei Tage
aufhalten wollten, so beschloß ich, mich gleich hier allen Ernstes auf Zeich¬
nenkunst und Malerei zu werfen. Kaum waren wir also dort angelangt, so
suchte ich meinen Bekannten auf, setzte ihn von dem außerordentlichen Ereig¬
nis) meiner Ernennung zu drei Professuren in Kenntniß und bat ihn um eine
Zeichnenvorlage. '


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/162>, abgerufen am 15.01.2025.