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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Als unter Innocenz dem Elster die Benedictiner von Se. Maurus eine
Ausgabe der augustinischen Werke veranstalteten und dazu Noten und Summa¬
rien schrieben, in denen sie den Augustinus ganz jansenistisch umdeuteten, er¬
schienen von den Jesuiten Gegenschriften. Aber die Jndexcongregation ver¬
urteilte gerade diese Schriften der Jesuiten. Damals nun dachten diese
keineswegs an das RoiUÄ loeuta. rss luna, sondern sie beschwerten sich sehr
bitter über das Verfahren des Index und appellirten aä papirm asilus int'or-
MÄiräum. Indessen der damalige Papst beachtete dies nicht weiter; denn er
war selbst, ein großer Freund des Jansenismus, so daß er sogar damit umging
einen Hauptjansenisten zum Cardinal zu erheben.

Damals aber war die Kongregation überhaupt noch weit entfernt von der
Höhe des Ansehens, zu der man sie heute künstlich emporheben zu können hofft,
seit sich die beiden Orden und Schulen die Hand gereicht, um mit vereinten
Kräften die neuere Wissenschaft in Zucht zu nehmen. --

Daß damals die Regierungen einzelner Länder auf Bücher Censuren setzten
ohne Rücksicht auf den römischen Index, kam öfter vor*); so verbot das pariser
Parlament das Buch über die Ehe vom Jesuiten Sanchez, weil es viele obscöne
Dinge enthalte. Ebenso ließ es das Werk des P. Santarelli, der dem Papst
das Recht, Könige abzusetzen, beilegt, öffentlich durch den Henker verbrennen,
und daß das Werk des Cardinals Bellarnün, in welchem er von der päpstlichen
Gewalt alle weltliche verliehen sein läßt, nicht dasselbe Schicksal hatte, sondern
es beim bloßen Verbote sein Verbleiben hatte, ist dem Einfluß der Jesuiten
bei der Königin zuzuschreiben. -- Uebrigens traf denselben Bellarmin das Ge¬
schick, daß 1590 sein Werk äisMationes auch auf den römischen Index kam;
die unterdessen dem großen Jesuiten zu Theil gewordene Cardinalswürde scheint
ober so reinigend auf das verurtheilte Buch gewirkt zu haben, daß Clemens der
Achte das Verbot wieder annullirte. Bekanntlich steht der Name des Molinäus
Carolus in der ersten Classe des tridentinischen Index, wodurch angezeigt ist,
daß alle seine Schriften, sowohl die schon erschienenen als auch die allenfalls
noch erscheinenden verboten seien. Demungeachtet hat die spanische Inquisition
unter Philipp dem Zweiten einige Werke dieses Autors ohne alle Verbesserung,
andere nach geringerer oder größerer Reinigung zu lesen erlaubt. Am wei¬
testen ging in dieser Beziehung die portugiesische Inquisition unter dem Mi¬
nisterium Pombal, indem sie mit einem Male den ganzen römischen Index für
ungiltig erklärte.

Wie insbesondere die Jesuiten, gegenwärtig am eifrigsten bemüht, das
Ansehen der Jndexcongregation unantastbar zu machen, früher über denselben



Indeß ist es umgekehrt auch in unser" Zeiten nicht unerhört, daß fürstlichen Vetos zu
Gefallen Jndexccnsuren in Rom unterblieben (Görres Mystik!); solche Interpellationen wirken
naturlich schneller und sicherer als alle Gründe!

Als unter Innocenz dem Elster die Benedictiner von Se. Maurus eine
Ausgabe der augustinischen Werke veranstalteten und dazu Noten und Summa¬
rien schrieben, in denen sie den Augustinus ganz jansenistisch umdeuteten, er¬
schienen von den Jesuiten Gegenschriften. Aber die Jndexcongregation ver¬
urteilte gerade diese Schriften der Jesuiten. Damals nun dachten diese
keineswegs an das RoiUÄ loeuta. rss luna, sondern sie beschwerten sich sehr
bitter über das Verfahren des Index und appellirten aä papirm asilus int'or-
MÄiräum. Indessen der damalige Papst beachtete dies nicht weiter; denn er
war selbst, ein großer Freund des Jansenismus, so daß er sogar damit umging
einen Hauptjansenisten zum Cardinal zu erheben.

Damals aber war die Kongregation überhaupt noch weit entfernt von der
Höhe des Ansehens, zu der man sie heute künstlich emporheben zu können hofft,
seit sich die beiden Orden und Schulen die Hand gereicht, um mit vereinten
Kräften die neuere Wissenschaft in Zucht zu nehmen. —

Daß damals die Regierungen einzelner Länder auf Bücher Censuren setzten
ohne Rücksicht auf den römischen Index, kam öfter vor*); so verbot das pariser
Parlament das Buch über die Ehe vom Jesuiten Sanchez, weil es viele obscöne
Dinge enthalte. Ebenso ließ es das Werk des P. Santarelli, der dem Papst
das Recht, Könige abzusetzen, beilegt, öffentlich durch den Henker verbrennen,
und daß das Werk des Cardinals Bellarnün, in welchem er von der päpstlichen
Gewalt alle weltliche verliehen sein läßt, nicht dasselbe Schicksal hatte, sondern
es beim bloßen Verbote sein Verbleiben hatte, ist dem Einfluß der Jesuiten
bei der Königin zuzuschreiben. — Uebrigens traf denselben Bellarmin das Ge¬
schick, daß 1590 sein Werk äisMationes auch auf den römischen Index kam;
die unterdessen dem großen Jesuiten zu Theil gewordene Cardinalswürde scheint
ober so reinigend auf das verurtheilte Buch gewirkt zu haben, daß Clemens der
Achte das Verbot wieder annullirte. Bekanntlich steht der Name des Molinäus
Carolus in der ersten Classe des tridentinischen Index, wodurch angezeigt ist,
daß alle seine Schriften, sowohl die schon erschienenen als auch die allenfalls
noch erscheinenden verboten seien. Demungeachtet hat die spanische Inquisition
unter Philipp dem Zweiten einige Werke dieses Autors ohne alle Verbesserung,
andere nach geringerer oder größerer Reinigung zu lesen erlaubt. Am wei¬
testen ging in dieser Beziehung die portugiesische Inquisition unter dem Mi¬
nisterium Pombal, indem sie mit einem Male den ganzen römischen Index für
ungiltig erklärte.

Wie insbesondere die Jesuiten, gegenwärtig am eifrigsten bemüht, das
Ansehen der Jndexcongregation unantastbar zu machen, früher über denselben



Indeß ist es umgekehrt auch in unser» Zeiten nicht unerhört, daß fürstlichen Vetos zu
Gefallen Jndexccnsuren in Rom unterblieben (Görres Mystik!); solche Interpellationen wirken
naturlich schneller und sicherer als alle Gründe!
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/151>, abgerufen am 15.01.2025.