Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.anbefohlen werde. Nach langem Widerstande sieht sich die Regierung, zum Theil Der zähe Widerstand, den die Ungarn jedem verfassungswidrigen Schritte Sehen wir von den Gefahren ab, mit denen eine Politik des Trocken- anbefohlen werde. Nach langem Widerstande sieht sich die Regierung, zum Theil Der zähe Widerstand, den die Ungarn jedem verfassungswidrigen Schritte Sehen wir von den Gefahren ab, mit denen eine Politik des Trocken- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0015" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115943"/> <p xml:id="ID_21" prev="#ID_20"> anbefohlen werde. Nach langem Widerstande sieht sich die Regierung, zum Theil<lb/> (wie Springer ausführt) aus Furcht vor den möglichen Folgen, welche die da¬<lb/> maligen orientalischen Wirren auf Ungarn ausüben könnten, genöthigt, im<lb/> Jahre 1823 den Reichstag einzuberufen. Auch die Verhandlungen mit diesem<lb/> Reichstag vermochten nicht die wirkliche Lösung eines Conflictes herbeizuführen,<lb/> der seiner Natur nach unlösbar war. Die Forderungen der Ungarn in Bezug<lb/> auf die Folgen des Finanzpatentes waren staatsrechtlich Völlig gerechtfertigt;<lb/> ihre Annahme von Seiten der Regierung, die bereits seit vierzehn Jahren da¬<lb/> hin gearbeitet hatte, die Grundsätze des Patentes durchzuführen, und dadurch<lb/> eine Reihe von Thatsachen und Zuständen geschaffen hatte, die sich nicht wieder<lb/> rückgängig machen ließen, war eine Unmöglichkeit. Es wiederholte sich die<lb/> alte Erscheinung: die Opposition beharrte auf der Wahrung des Rechtsstand-<lb/> punkles, die Regierung hielt die vollendete Thatsache aufrecht; der Reichstag<lb/> seinerseits rächte sich dafür durch die äußerste Kargheit in der Abmessung der<lb/> der Regierung zu bcwilligcuden Subsidien.</p><lb/> <p xml:id="ID_22"> Der zähe Widerstand, den die Ungarn jedem verfassungswidrigen Schritte<lb/> der Regierung entgegensetzten, brachte, wie Springer trefflich darlegt, diese be¬<lb/> sonders auf den Antrieb des zum Kanzler ernannten Grafen Adam Raviczki,<lb/> dahin, den Grundsatz festzuhalten, jede Verfassungsverletzung zu vermeiden, an<lb/> dem Buchstaben der Verfassung streng festzuhalten, dagegen den Inhalt des po¬<lb/> litischen Bewußtseins zu untergraben und mit Hilfe der veralteten Verfassungs¬<lb/> form das conservative Interesse zu fördern. Ungarn wollte nicht gegen die Be¬<lb/> stimmungen der Verfassung unfrei werden, es sollte durch dieselben unfrei bleiben.<lb/> (Springer.)</p><lb/> <p xml:id="ID_23" next="#ID_24"> Sehen wir von den Gefahren ab, mit denen eine Politik des Trocken-<lb/> legens schließlich immer die Regierung bedroht, die sie gegen einen' Landtag<lb/> in Anwendung bringt, so war der Plan für die nächste Zukunft nicht ungeschickt<lb/> angelegt. Indessen hatte die Negierung bei demselben doch nicht genügend in<lb/> Anschlag gebracht, daß die Verfassung bereits von einer andern Seite her in<lb/> einigen ihrer Grundlagen bedroht war: im Lande selbst begann sich eine libe¬<lb/> rale Partei zu bilden, die auf nichts Anderes ausging, als die zahlreichen Pri¬<lb/> vilegien der Aristokratie zu brechen. Eine Regierung, welche auf das Wohl<lb/> des Landes bedacht gewesen wäre, würde ohne Zweifel die Leitung dieser Par¬<lb/> tei übernommen haben, mit ihrer Hilfe die nothwendigen Veränderungen in ad¬<lb/> ministrativer Beziehung durchgesetzt und sich bemüht haben, auf verfassungs¬<lb/> mäßigen Wege das Land ohne Erschütterungen aus den halb mittelalterlichen<lb/> Verhältnissw in Zustände hinüberzuleiten, die den modernen Staatsidcen ent¬<lb/> sprechend wären. Indessen kam es dem wiener Cabinet gar nicht darauf an,<lb/> Ungarn gut zu regle en, sondern vielmehr nur darauf, dasselbe, wie ein unter¬<lb/> worfenes Land, in möglichster Abhängigkeit von der Centralgewalt zu erhalten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
anbefohlen werde. Nach langem Widerstande sieht sich die Regierung, zum Theil
(wie Springer ausführt) aus Furcht vor den möglichen Folgen, welche die da¬
maligen orientalischen Wirren auf Ungarn ausüben könnten, genöthigt, im
Jahre 1823 den Reichstag einzuberufen. Auch die Verhandlungen mit diesem
Reichstag vermochten nicht die wirkliche Lösung eines Conflictes herbeizuführen,
der seiner Natur nach unlösbar war. Die Forderungen der Ungarn in Bezug
auf die Folgen des Finanzpatentes waren staatsrechtlich Völlig gerechtfertigt;
ihre Annahme von Seiten der Regierung, die bereits seit vierzehn Jahren da¬
hin gearbeitet hatte, die Grundsätze des Patentes durchzuführen, und dadurch
eine Reihe von Thatsachen und Zuständen geschaffen hatte, die sich nicht wieder
rückgängig machen ließen, war eine Unmöglichkeit. Es wiederholte sich die
alte Erscheinung: die Opposition beharrte auf der Wahrung des Rechtsstand-
punkles, die Regierung hielt die vollendete Thatsache aufrecht; der Reichstag
seinerseits rächte sich dafür durch die äußerste Kargheit in der Abmessung der
der Regierung zu bcwilligcuden Subsidien.
Der zähe Widerstand, den die Ungarn jedem verfassungswidrigen Schritte
der Regierung entgegensetzten, brachte, wie Springer trefflich darlegt, diese be¬
sonders auf den Antrieb des zum Kanzler ernannten Grafen Adam Raviczki,
dahin, den Grundsatz festzuhalten, jede Verfassungsverletzung zu vermeiden, an
dem Buchstaben der Verfassung streng festzuhalten, dagegen den Inhalt des po¬
litischen Bewußtseins zu untergraben und mit Hilfe der veralteten Verfassungs¬
form das conservative Interesse zu fördern. Ungarn wollte nicht gegen die Be¬
stimmungen der Verfassung unfrei werden, es sollte durch dieselben unfrei bleiben.
(Springer.)
Sehen wir von den Gefahren ab, mit denen eine Politik des Trocken-
legens schließlich immer die Regierung bedroht, die sie gegen einen' Landtag
in Anwendung bringt, so war der Plan für die nächste Zukunft nicht ungeschickt
angelegt. Indessen hatte die Negierung bei demselben doch nicht genügend in
Anschlag gebracht, daß die Verfassung bereits von einer andern Seite her in
einigen ihrer Grundlagen bedroht war: im Lande selbst begann sich eine libe¬
rale Partei zu bilden, die auf nichts Anderes ausging, als die zahlreichen Pri¬
vilegien der Aristokratie zu brechen. Eine Regierung, welche auf das Wohl
des Landes bedacht gewesen wäre, würde ohne Zweifel die Leitung dieser Par¬
tei übernommen haben, mit ihrer Hilfe die nothwendigen Veränderungen in ad¬
ministrativer Beziehung durchgesetzt und sich bemüht haben, auf verfassungs¬
mäßigen Wege das Land ohne Erschütterungen aus den halb mittelalterlichen
Verhältnissw in Zustände hinüberzuleiten, die den modernen Staatsidcen ent¬
sprechend wären. Indessen kam es dem wiener Cabinet gar nicht darauf an,
Ungarn gut zu regle en, sondern vielmehr nur darauf, dasselbe, wie ein unter¬
worfenes Land, in möglichster Abhängigkeit von der Centralgewalt zu erhalten.
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