Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.siebenbürgischen Hofkanzlei, die Unterordnung der ungarische" Kammer unter die Einen besonders bedrohlichen Charakter nahm der Conflict auf dem Reichs¬ siebenbürgischen Hofkanzlei, die Unterordnung der ungarische» Kammer unter die Einen besonders bedrohlichen Charakter nahm der Conflict auf dem Reichs¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0014" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115942"/> <p xml:id="ID_19" prev="#ID_18"> siebenbürgischen Hofkanzlei, die Unterordnung der ungarische» Kammer unter die<lb/> allgemeine Hvfkammer, waren im Gegentheil Maßregeln, gegen deren Ver-<lb/> fassungsmäßigkeit sich viel einwenden ließ, und die jedenfalls v.in der Feind¬<lb/> schaft der Regierung gegen die ungarische Constitution einen unzweideutigen<lb/> Beweis ablegten. Von der Ausführung der dringend nothwendigen Reformen<lb/> konnte unter solchen Umständen, wo es sich um die Vertheidigung des Voll-<lb/> wertes der Freiheit und der Selbständigkeit der Länder der ungarischen Krone<lb/> handelte, nicht die Rede sein. Jeder Verfassungskampf erscheint unfruchtbar,<lb/> weil während der Dauer desselben der Fortschritt der Gesetzgebung gehemmt ist;<lb/> in der That ist er nicht unfruchtbar, da im Verfassungsstaate die feste Begrün¬<lb/> dung der Verfassung die einzige Bürgschaft für einen stetigen und sicheren Fort¬<lb/> schritt ist, und da jeder Fortschritt im Einzelnen, welcher der verfassungsmäßigen<lb/> Grundlage entbehrt, nur dazu beiträgt, das Bollwerk des Rechtes zu erschüttern,<lb/> statt es zu schützen. So leichtsinnig und abgeschmackt es ist, einen Berfassungskampf<lb/> herbeizuführen, so nothwendig ist es, denselben, wenn er einmal entbrannt ist,<lb/> ohne Wanken und ohne Aufgeben der verfassungsmäßigen Rechte durchzuführen.</p><lb/> <p xml:id="ID_20" next="#ID_21"> Einen besonders bedrohlichen Charakter nahm der Conflict auf dem Reichs¬<lb/> tage des Jahres 1811 an, als es sich um Durchführung des Finanzpatents in<lb/> den Ländern der ungarischen Krone handelte. (Vgl. den Artikel über Springers<lb/> Geschichte Oestreichs in Ur. 26. dieser Blätter.) Es ist zuzugeben, daß die<lb/> ganze bedenkliche und gewaltsame Maßregel, von der man die Rettung vor<lb/> völligem, finanziellem Ruin erwartete, erfolglos bleiben mußte, wenn es nicht<lb/> gelang, ihr auch in Ungarn Geltung zu verschaffen. Es ließ sich aber andrer¬<lb/> seits voraussehen, daß der ungarische Reichstag einer Legalisirung der durch<lb/> das Patent eingeführten Maßregeln sich widersetzen würde. Die finanzielle<lb/> Selbständigkeit des Landes war den Ungarn ein überaus kostbares Kleinod,<lb/> nicht nur weil sie die festeste Stütze der Landesverfassung war, sondern auch<lb/> weil die verzweifelten östreichischen Finanzverhältnisse dringend mahnten, das<lb/> Land von der die übrigen Provinzen bedrückenden Noth frei zu halten. Die<lb/> Regierung ihrerseits mußte (es war dies für sie eine Lebensfrage) Alles daran<lb/> setzen, um ihre Maßregeln auch für Ungarn durchzubringen. Da es ihr auf ver¬<lb/> fassungsmäßigen Wege nicht gelang, so entschloß sie sich zu einem Staatsstreich,<lb/> löste den Reichstag auf und führte die Bestimmungen des Patentes provisorisch<lb/> für Ungarn ein. Nach diesem Gewaltschritt hielt die Regierung es für das<lb/> Bequemste, sich dadurch Ruhe zu verschaffen, daß sie den Reichstag lange Zeit<lb/> hindurch gar nicht einberief. Sie erreichte dadurch nur, daß die Opposition<lb/> sich in den Comitaten Luft machte. Fast überall erklären die Comitats-<lb/> versammlungen, die sich wiederum als die unerschütterliche Grundlage der Ver¬<lb/> fassung bewähren, daß sie die Subsidien an Naturalien und Rekruten nicht<lb/> leisten würden, wenn es ihnen nicht aus gesetzliche Weise durch den Reichstag</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0014]
siebenbürgischen Hofkanzlei, die Unterordnung der ungarische» Kammer unter die
allgemeine Hvfkammer, waren im Gegentheil Maßregeln, gegen deren Ver-
fassungsmäßigkeit sich viel einwenden ließ, und die jedenfalls v.in der Feind¬
schaft der Regierung gegen die ungarische Constitution einen unzweideutigen
Beweis ablegten. Von der Ausführung der dringend nothwendigen Reformen
konnte unter solchen Umständen, wo es sich um die Vertheidigung des Voll-
wertes der Freiheit und der Selbständigkeit der Länder der ungarischen Krone
handelte, nicht die Rede sein. Jeder Verfassungskampf erscheint unfruchtbar,
weil während der Dauer desselben der Fortschritt der Gesetzgebung gehemmt ist;
in der That ist er nicht unfruchtbar, da im Verfassungsstaate die feste Begrün¬
dung der Verfassung die einzige Bürgschaft für einen stetigen und sicheren Fort¬
schritt ist, und da jeder Fortschritt im Einzelnen, welcher der verfassungsmäßigen
Grundlage entbehrt, nur dazu beiträgt, das Bollwerk des Rechtes zu erschüttern,
statt es zu schützen. So leichtsinnig und abgeschmackt es ist, einen Berfassungskampf
herbeizuführen, so nothwendig ist es, denselben, wenn er einmal entbrannt ist,
ohne Wanken und ohne Aufgeben der verfassungsmäßigen Rechte durchzuführen.
Einen besonders bedrohlichen Charakter nahm der Conflict auf dem Reichs¬
tage des Jahres 1811 an, als es sich um Durchführung des Finanzpatents in
den Ländern der ungarischen Krone handelte. (Vgl. den Artikel über Springers
Geschichte Oestreichs in Ur. 26. dieser Blätter.) Es ist zuzugeben, daß die
ganze bedenkliche und gewaltsame Maßregel, von der man die Rettung vor
völligem, finanziellem Ruin erwartete, erfolglos bleiben mußte, wenn es nicht
gelang, ihr auch in Ungarn Geltung zu verschaffen. Es ließ sich aber andrer¬
seits voraussehen, daß der ungarische Reichstag einer Legalisirung der durch
das Patent eingeführten Maßregeln sich widersetzen würde. Die finanzielle
Selbständigkeit des Landes war den Ungarn ein überaus kostbares Kleinod,
nicht nur weil sie die festeste Stütze der Landesverfassung war, sondern auch
weil die verzweifelten östreichischen Finanzverhältnisse dringend mahnten, das
Land von der die übrigen Provinzen bedrückenden Noth frei zu halten. Die
Regierung ihrerseits mußte (es war dies für sie eine Lebensfrage) Alles daran
setzen, um ihre Maßregeln auch für Ungarn durchzubringen. Da es ihr auf ver¬
fassungsmäßigen Wege nicht gelang, so entschloß sie sich zu einem Staatsstreich,
löste den Reichstag auf und führte die Bestimmungen des Patentes provisorisch
für Ungarn ein. Nach diesem Gewaltschritt hielt die Regierung es für das
Bequemste, sich dadurch Ruhe zu verschaffen, daß sie den Reichstag lange Zeit
hindurch gar nicht einberief. Sie erreichte dadurch nur, daß die Opposition
sich in den Comitaten Luft machte. Fast überall erklären die Comitats-
versammlungen, die sich wiederum als die unerschütterliche Grundlage der Ver¬
fassung bewähren, daß sie die Subsidien an Naturalien und Rekruten nicht
leisten würden, wenn es ihnen nicht aus gesetzliche Weise durch den Reichstag
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