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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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die Verdammung des ihnen "vergebenen Buches zu dringen; bei dem Urtheile
selbst sollen die Richter die allgemein anerkannte katholische Lehre vor Augen
haben ohne Rücksicht auf das. was eine Nation, ein bestimmter Orden oder
eine Schule an besonderen Meinungen und Ansichten habe. Sie sollen ferner
das Buch ganz lesen. auf den Grundgedanken des Verfassers ihr Augenmerk
richten, die Stellen nicht aus dem Zusammenhang reißen und die verwandten
Wohl mit einander vergleichen; endlich bei einem katholischen, sonst unbescholte¬
nen Auctor sollen sie einzelne Aeußerungen, die nach zwei Seiten ausgelegt
werden können, immer im besseren Sinne deuten.

Die Einrichtung der Kongregation ist der Art. daß ihr Kollegium aus
Richtern. Räthen, Referenten und einem Secretär gebildet wird. Die Nichter-
stellen bekleiden jederzeit einige Cardinäle; die Referenten sind zwei Weltpriester
und ein regulirter Chorherr. Als Räthe werden im lwnukriv poutiüeio Koma
1861 siebzehn Prälaten (darunter zwei Ordensgeistliche). zehn Weltgeistlichc
und dreißig Ordensgeistliche (darunter vier Dominikaner und vier Jesuiten)
aufgezählt. Uebrigens übernehmen nicht blos die Referenten, sondern auch
die Räthe Referate. Der jedesmalige maxister s^cri M-M, also ein Domi¬
nikanermönch, ist der'ständige Assistent des präsidirenden Cardinals.

Wie weit nun die Congregation hinter den oben angeführten Verord¬
nungen Benedict des Vierzehnten zurückgeblieben ist das soll uns ein Blick auf
den Index selbst, das Product ihrer Thätigkeit zeigen. Er hat die Bestim¬
mung, ein Verzeichnis) der glaubcns- und sittenwidrigen Bücher zu sein, deren
Lesung wegen der damit verbundenen Seelcngefahr bei schwerer Strafe ver¬
boten ist. Nun finden wir ihn aber angefüllt zum guten Theil mit solchen
Werken und Schriften, die nicht etwa-glaubcns- oder sittengefährlich sind, son¬
dern die trotz alles Verbotes und trotz der auf ihren Gebrauch gesetzten Strafe
der Cxcommunication die unvermeidlichen Handbücher der gelehrten Katholiken
geworden und geblieben sind.

Der Vater der bayerischen Geschichte, ^unes ^.vsntiuus, steht sogleich in
der ersten Classe des sog. tridentinischen Index, also in der Reihe der Ketzer
oder solcher, deren Schriften ganz verdammt sind.

Durch Decret vom 4. Februar 1637 wurde "ebst andern seiner Schriften
des Hugo Grotius einziges Werk as M-e bslli xaeis libri tre3 verboten.
'

Am meisten tritt das tendenziöseVerfahren der Jndexcvngrcgation hinsicht¬
lich der juristischen und historischen Werke zu Tage. Cs ist eine constante
Beobachtung, daß all die Werke, welche die Trennung der beiden Gewalten oder
den Satz vertheidigt haben, daß die weltliche Macht in weltlichen Sachen nicht
der römischen Curie untergeordnet sei. von der Jndexcongregation verboten wur¬
den; ebenso alle historischen Schriften, wenn sie irgendwie bedeutend waren
oder zur Kenntniß der Congregation gelangten, in denen die Missethaten man-


die Verdammung des ihnen «vergebenen Buches zu dringen; bei dem Urtheile
selbst sollen die Richter die allgemein anerkannte katholische Lehre vor Augen
haben ohne Rücksicht auf das. was eine Nation, ein bestimmter Orden oder
eine Schule an besonderen Meinungen und Ansichten habe. Sie sollen ferner
das Buch ganz lesen. auf den Grundgedanken des Verfassers ihr Augenmerk
richten, die Stellen nicht aus dem Zusammenhang reißen und die verwandten
Wohl mit einander vergleichen; endlich bei einem katholischen, sonst unbescholte¬
nen Auctor sollen sie einzelne Aeußerungen, die nach zwei Seiten ausgelegt
werden können, immer im besseren Sinne deuten.

Die Einrichtung der Kongregation ist der Art. daß ihr Kollegium aus
Richtern. Räthen, Referenten und einem Secretär gebildet wird. Die Nichter-
stellen bekleiden jederzeit einige Cardinäle; die Referenten sind zwei Weltpriester
und ein regulirter Chorherr. Als Räthe werden im lwnukriv poutiüeio Koma
1861 siebzehn Prälaten (darunter zwei Ordensgeistliche). zehn Weltgeistlichc
und dreißig Ordensgeistliche (darunter vier Dominikaner und vier Jesuiten)
aufgezählt. Uebrigens übernehmen nicht blos die Referenten, sondern auch
die Räthe Referate. Der jedesmalige maxister s^cri M-M, also ein Domi¬
nikanermönch, ist der'ständige Assistent des präsidirenden Cardinals.

Wie weit nun die Congregation hinter den oben angeführten Verord¬
nungen Benedict des Vierzehnten zurückgeblieben ist das soll uns ein Blick auf
den Index selbst, das Product ihrer Thätigkeit zeigen. Er hat die Bestim¬
mung, ein Verzeichnis) der glaubcns- und sittenwidrigen Bücher zu sein, deren
Lesung wegen der damit verbundenen Seelcngefahr bei schwerer Strafe ver¬
boten ist. Nun finden wir ihn aber angefüllt zum guten Theil mit solchen
Werken und Schriften, die nicht etwa-glaubcns- oder sittengefährlich sind, son¬
dern die trotz alles Verbotes und trotz der auf ihren Gebrauch gesetzten Strafe
der Cxcommunication die unvermeidlichen Handbücher der gelehrten Katholiken
geworden und geblieben sind.

Der Vater der bayerischen Geschichte, ^unes ^.vsntiuus, steht sogleich in
der ersten Classe des sog. tridentinischen Index, also in der Reihe der Ketzer
oder solcher, deren Schriften ganz verdammt sind.

Durch Decret vom 4. Februar 1637 wurde »ebst andern seiner Schriften
des Hugo Grotius einziges Werk as M-e bslli xaeis libri tre3 verboten.
'

Am meisten tritt das tendenziöseVerfahren der Jndexcvngrcgation hinsicht¬
lich der juristischen und historischen Werke zu Tage. Cs ist eine constante
Beobachtung, daß all die Werke, welche die Trennung der beiden Gewalten oder
den Satz vertheidigt haben, daß die weltliche Macht in weltlichen Sachen nicht
der römischen Curie untergeordnet sei. von der Jndexcongregation verboten wur¬
den; ebenso alle historischen Schriften, wenn sie irgendwie bedeutend waren
oder zur Kenntniß der Congregation gelangten, in denen die Missethaten man-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/149>, abgerufen am 15.01.2025.