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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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lassen, überdies ließ Fouah6 jetzt dem wiener Cabinet Nachrichten zugehen, nach
welchen im französischen Heere ein den Bourbonen höchst feindseliger Geist
herrschte, und zu gleicher Zeit erfuhr man aus Italien, daß dort die Gährung
gegen das neue östreichische Regiment täglich zunahm, eine Gährung, die Mu-
rat in gefährlicher Weise benutzen konnte, wenn Oestreich anderwärts enga-
girt war.

So entsagte denn auch dieser Gegner Preußens den kühnen Entwürfen,
die das Bündniß anzukündigen schien, und aus die Vorschläge Hardenbergs,
die nach Talleyrands Eintritt in die Konferenz, am 12. Januar, nochmals
vorgelegt wurden, erfolgte eine Antwort Oestreichs (28. Januar), die zur Ver¬
ständigung zu führen schien. Metternich bot nunmehr die kleinere Nordhälfte Sach¬
sens mit 782,000 Einwohnern und weitere Entschädigungen zu beiden Seiten
des Rheins an. Preußen aber hatte jetzt ebenfalls Ursache, seine Ansprüche zu
mäßigen. Nicht etwa, daß das geheime Bündniß der Gegner den preußischen
Staatsmännern schon bekannt geworden wäre; denn der Kaiser Franz. der "die
Geradheit, die Aufrichtigkeit selbst" war, wußte diesen Anschlag den beiden
Monarchen, die als seine Gäste in seiner Burg unter einem Dache mit ihm wohn¬
ten, mit treuherzigster Gemüthlichkeit zwei ganze Monate zu verbergen. Aber
Alexander war in demselben Maße, in dem er bemerkte, daß Niemand mehr
an Vereitelung seiner polnischen Pläne dachte und daß die Anstrengungen Oest¬
reichs und der Westmächte jetzt lediglich gegen Preußen gerichtet waren, lauer
in seiner Unterstützung des letzteren geworden. Vergebens suchte Stein ihn zur
Ausdauer zu bestimmen, und von nun an war die Theilung Sachsens eine
ausgemachte Sache. Alexander empfahl dem preußischen Staatskanzler, sich mit
Castlereagh über einen dahin gehenden Plan zu verständigen, ehe er ihn der
Konferenz vorlegte. Diese Verständigung kam im Wesentlichen zu Stande, und
als es sich nur noch um Leipzig handelte, welches der britische Diplomat nicht
zugestehen wollte, bot der russische Kaiser Thorn als Ersatz dafür.

Von solchen Verhältnissen beherrscht,, trat Hardenberg am 8. Februar mit
einem neuen Entwurf vor die Konferenz, durch welchen 835,000 Einwohner
von Sachsen an Preußen kamen, das preußische Staatsgebiet überhaupt seine
heutige Gestalt erhielt und zugleich die Gebietsverhältnisse Hannovers und der
Niederlande geregelt wurden, und nur zwei Tage später erfolgte in förmlicher
Erklärung die Annahme dieser Vorschläge durch Oestreich.

Auch die übrigen Gebietsvertheilungen waren nun leicht zu erledigen. Von
Polen war nur noch die Rede, um Alexanders Forderungen gut zu heißen.
Talleyrand hatte im Wesentlichen seine Ziele erreicht, England nicht. Es hatte
zu Anfang vor Allem, gebieterisch sogar, eine Theilung des Herzogthums War¬
schau verlangt, und siehe da, es hatte schließlich in Talleyrands Schlepptau
ganz etwas Anderes, nämlich die Theilung Sachsens, zuwege gebracht. Es war


Grenzboten IV. 1863. 18

lassen, überdies ließ Fouah6 jetzt dem wiener Cabinet Nachrichten zugehen, nach
welchen im französischen Heere ein den Bourbonen höchst feindseliger Geist
herrschte, und zu gleicher Zeit erfuhr man aus Italien, daß dort die Gährung
gegen das neue östreichische Regiment täglich zunahm, eine Gährung, die Mu-
rat in gefährlicher Weise benutzen konnte, wenn Oestreich anderwärts enga-
girt war.

So entsagte denn auch dieser Gegner Preußens den kühnen Entwürfen,
die das Bündniß anzukündigen schien, und aus die Vorschläge Hardenbergs,
die nach Talleyrands Eintritt in die Konferenz, am 12. Januar, nochmals
vorgelegt wurden, erfolgte eine Antwort Oestreichs (28. Januar), die zur Ver¬
ständigung zu führen schien. Metternich bot nunmehr die kleinere Nordhälfte Sach¬
sens mit 782,000 Einwohnern und weitere Entschädigungen zu beiden Seiten
des Rheins an. Preußen aber hatte jetzt ebenfalls Ursache, seine Ansprüche zu
mäßigen. Nicht etwa, daß das geheime Bündniß der Gegner den preußischen
Staatsmännern schon bekannt geworden wäre; denn der Kaiser Franz. der „die
Geradheit, die Aufrichtigkeit selbst" war, wußte diesen Anschlag den beiden
Monarchen, die als seine Gäste in seiner Burg unter einem Dache mit ihm wohn¬
ten, mit treuherzigster Gemüthlichkeit zwei ganze Monate zu verbergen. Aber
Alexander war in demselben Maße, in dem er bemerkte, daß Niemand mehr
an Vereitelung seiner polnischen Pläne dachte und daß die Anstrengungen Oest¬
reichs und der Westmächte jetzt lediglich gegen Preußen gerichtet waren, lauer
in seiner Unterstützung des letzteren geworden. Vergebens suchte Stein ihn zur
Ausdauer zu bestimmen, und von nun an war die Theilung Sachsens eine
ausgemachte Sache. Alexander empfahl dem preußischen Staatskanzler, sich mit
Castlereagh über einen dahin gehenden Plan zu verständigen, ehe er ihn der
Konferenz vorlegte. Diese Verständigung kam im Wesentlichen zu Stande, und
als es sich nur noch um Leipzig handelte, welches der britische Diplomat nicht
zugestehen wollte, bot der russische Kaiser Thorn als Ersatz dafür.

Von solchen Verhältnissen beherrscht,, trat Hardenberg am 8. Februar mit
einem neuen Entwurf vor die Konferenz, durch welchen 835,000 Einwohner
von Sachsen an Preußen kamen, das preußische Staatsgebiet überhaupt seine
heutige Gestalt erhielt und zugleich die Gebietsverhältnisse Hannovers und der
Niederlande geregelt wurden, und nur zwei Tage später erfolgte in förmlicher
Erklärung die Annahme dieser Vorschläge durch Oestreich.

Auch die übrigen Gebietsvertheilungen waren nun leicht zu erledigen. Von
Polen war nur noch die Rede, um Alexanders Forderungen gut zu heißen.
Talleyrand hatte im Wesentlichen seine Ziele erreicht, England nicht. Es hatte
zu Anfang vor Allem, gebieterisch sogar, eine Theilung des Herzogthums War¬
schau verlangt, und siehe da, es hatte schließlich in Talleyrands Schlepptau
ganz etwas Anderes, nämlich die Theilung Sachsens, zuwege gebracht. Es war


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/145>, abgerufen am 15.01.2025.