Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.setzt bei ihren Gegnern eine Naivetät voraus, die. wenigstens wo es sich um Schwer hat es sich gerächt, daß man vor dem Versuch einer Vereinbarung Was nun zunächst die Bürgschaft für die Verfassung betrifft, so gestehen setzt bei ihren Gegnern eine Naivetät voraus, die. wenigstens wo es sich um Schwer hat es sich gerächt, daß man vor dem Versuch einer Vereinbarung Was nun zunächst die Bürgschaft für die Verfassung betrifft, so gestehen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0120" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116048"/> <p xml:id="ID_424" prev="#ID_423"> setzt bei ihren Gegnern eine Naivetät voraus, die. wenigstens wo es sich um<lb/> Verfassungsangelegenheiten handelt, den Ungarn durchaus fremd ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_425"> Schwer hat es sich gerächt, daß man vor dem Versuch einer Vereinbarung<lb/> den Weg der Octroyirung gewählt hat. Denn natürlich ist gegenwärtig, wo<lb/> die Erfolglosigkeit des Octroyirungsverfahrens immer deutlicher zu Tage tritt,<lb/> eine Vereinbarung schwieriger, als sie vor dem October 1860 gewesen wäre.<lb/> Der Ausgangspunkt der Vereinbarung kann nur die Anerkennung der unga¬<lb/> rischen Ansprüche sein, ihr Ziel muß sein, die Ungarn zur Anerkennung des<lb/> Gesammtstaates, d. h. zur Beschickung des Reichsrathes, zu bewegen. Dies<lb/> Ziel kann nur erreicht werden, wenn die Ungarn die Ueberzeugung gewinnen,<lb/> daß ihre politische Freiheit ihnen durch die Gesammtverfassung ebenso sicher ver¬<lb/> bürgt ist. als sie es unter ihrer Sonderverfassung war, wenn ferner die nationalen<lb/> Ansprüche der Ungarn im weitesten Maße Gewährung finden, und endlich,<lb/> wenn Ungarn durch die Theilnahme an der Gesammtverfassung ein entschei¬<lb/> dender Einfluß auf den Gang und die Richtung der allgemeinen Politik Oest¬<lb/> reichs in Aussicht gestellt wird. Der Schwerpunkt Oestreichs würde damit<lb/> nicht nach Ungarn verlegt werden, sondern es würde nur constatirt werden, daß<lb/> Oestreichs Schwerpunkt, wenn überhaupt ein solcher existirt. nirgend wo anders<lb/> als in Ungarn liegt.</p><lb/> <p xml:id="ID_426" next="#ID_427"> Was nun zunächst die Bürgschaft für die Verfassung betrifft, so gestehen<lb/> wir, daß unser Vertrauen auf die Stärke derselben nicht sehr groß ist. In¬<lb/> dessen darf man nicht vergessen, daß der Zutritt der Ungarn die Aussichten<lb/> für den Bestand der Verfassung wesentlich günstiger stellen würde, schon des¬<lb/> halb, weil der Hauptgrund der Unsicherheit, der in der gemeinsamen, wenn<lb/> auch auf verschiedenen Wegen ins Werk gesetzten Opposition der Ungarn und<lb/> Slaven gegen den Gesammtstaat liegt, alsdann fortfallen würde. Denn die<lb/> Gefahren, welche die Verfassung Oestreichs bedrohen, haben ihren Grund viel<lb/> weniger in den reactionären Elementen, welche dem constitutionellen System<lb/> abgeneigt sind, als in den separatistischen Elementen, welchen der Gesammtstaat<lb/> ein Gräuel ist. Jede Stärkung des Gesammtsiaats ist in Oestreich eine Stär¬<lb/> kung des Constitutionalismus, für den es nur die eine Garantie gibt: Friede<lb/> mit Ungarn und freiwillige Betheiligung der Ungarn an dem gemeinschaftlichen<lb/> östreichischen Verfassungsleben. — Was aber die nationalen Interessen Ungarns<lb/> betrifft, so würde diesen zunächst dadurch Genüge geleistet werden müssen, daß<lb/> die Integrität des ungarischen Reiches ohne Rückhalt anerkannt würde, daß vor<lb/> Allem die Union Ungarns und Siebenbürgens nach Maßgabe der Gesetzcs-<lb/> artikel von 1848 unbedingt vollzogen würde, daß den Ansprüchen Ungarns<lb/> auf das Littorale Genüge geleistet würde, und daß die Negierung den künst¬<lb/> lichen, und zwar zum größten Nachtheil der Monarchie großgezogenen Selbstän¬<lb/> digkeitsbestrebungen der Südslaven ihren Schutz entzöge, und sich nur darauf</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0120]
setzt bei ihren Gegnern eine Naivetät voraus, die. wenigstens wo es sich um
Verfassungsangelegenheiten handelt, den Ungarn durchaus fremd ist.
Schwer hat es sich gerächt, daß man vor dem Versuch einer Vereinbarung
den Weg der Octroyirung gewählt hat. Denn natürlich ist gegenwärtig, wo
die Erfolglosigkeit des Octroyirungsverfahrens immer deutlicher zu Tage tritt,
eine Vereinbarung schwieriger, als sie vor dem October 1860 gewesen wäre.
Der Ausgangspunkt der Vereinbarung kann nur die Anerkennung der unga¬
rischen Ansprüche sein, ihr Ziel muß sein, die Ungarn zur Anerkennung des
Gesammtstaates, d. h. zur Beschickung des Reichsrathes, zu bewegen. Dies
Ziel kann nur erreicht werden, wenn die Ungarn die Ueberzeugung gewinnen,
daß ihre politische Freiheit ihnen durch die Gesammtverfassung ebenso sicher ver¬
bürgt ist. als sie es unter ihrer Sonderverfassung war, wenn ferner die nationalen
Ansprüche der Ungarn im weitesten Maße Gewährung finden, und endlich,
wenn Ungarn durch die Theilnahme an der Gesammtverfassung ein entschei¬
dender Einfluß auf den Gang und die Richtung der allgemeinen Politik Oest¬
reichs in Aussicht gestellt wird. Der Schwerpunkt Oestreichs würde damit
nicht nach Ungarn verlegt werden, sondern es würde nur constatirt werden, daß
Oestreichs Schwerpunkt, wenn überhaupt ein solcher existirt. nirgend wo anders
als in Ungarn liegt.
Was nun zunächst die Bürgschaft für die Verfassung betrifft, so gestehen
wir, daß unser Vertrauen auf die Stärke derselben nicht sehr groß ist. In¬
dessen darf man nicht vergessen, daß der Zutritt der Ungarn die Aussichten
für den Bestand der Verfassung wesentlich günstiger stellen würde, schon des¬
halb, weil der Hauptgrund der Unsicherheit, der in der gemeinsamen, wenn
auch auf verschiedenen Wegen ins Werk gesetzten Opposition der Ungarn und
Slaven gegen den Gesammtstaat liegt, alsdann fortfallen würde. Denn die
Gefahren, welche die Verfassung Oestreichs bedrohen, haben ihren Grund viel
weniger in den reactionären Elementen, welche dem constitutionellen System
abgeneigt sind, als in den separatistischen Elementen, welchen der Gesammtstaat
ein Gräuel ist. Jede Stärkung des Gesammtsiaats ist in Oestreich eine Stär¬
kung des Constitutionalismus, für den es nur die eine Garantie gibt: Friede
mit Ungarn und freiwillige Betheiligung der Ungarn an dem gemeinschaftlichen
östreichischen Verfassungsleben. — Was aber die nationalen Interessen Ungarns
betrifft, so würde diesen zunächst dadurch Genüge geleistet werden müssen, daß
die Integrität des ungarischen Reiches ohne Rückhalt anerkannt würde, daß vor
Allem die Union Ungarns und Siebenbürgens nach Maßgabe der Gesetzcs-
artikel von 1848 unbedingt vollzogen würde, daß den Ansprüchen Ungarns
auf das Littorale Genüge geleistet würde, und daß die Negierung den künst¬
lichen, und zwar zum größten Nachtheil der Monarchie großgezogenen Selbstän¬
digkeitsbestrebungen der Südslaven ihren Schutz entzöge, und sich nur darauf
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