Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Ziemlich stark sind die Juden auf den Inseln Rhodus und Cypern. und
auf Candia haben sich deren gegen 800 niedergelassen, von denen die Hälfte
auf die Hauptstadt Kanea kommen. Die Juden in letzter Stadt sind meist
Handwerker und der Sprache nach Spanier. Aschkenasim erscheinen hier wie
in den benachbarten Gemeinden sehr selten und niemals um zu bleiben.

Wenden wir uns nach Syrien, so finden wir zunächst in Beirut, dann in
Aleppo und Damaskus jüdische Gemeinden. Die in Beirut zählt 80 Familien
mit ungefähr 300 Seelen, alle syrischer Abkunft mit Ausnahme von zweien,
die aus spaniolischen Gemeinden eingewandert sind. Ihre Beschäftigung besteht
fast blos in Handel, die Aermeren fini Lastträger. Vier deutsche Meilen von
hier, in Deir El Kamar. existirt eine Judengemeinde von circa 300 Mitglie¬
dern, weiche eine Synagoge besitzt. Die Männer sind mM Ackerbauer, Pferde¬
züchter und Lastthierlreiber. Sie leben mit den benachbarten Drusen und Maro-
niten in gutem Vernehmen, wissen aber auch die Flinte gut zu gebrauchen,
wenn es Feinde zu bekämpfen gilt. Sie sind alle Syrer von Geburt und
unterscheiden sich von ihren Nachbarn nur durch ihre Religion. Andere syrische
und nur arabisch redende Judengemeinden sind die in Tripolis, die aus etwa
80. und die in Chasbeia, die ungefähr aus 100 Mitgliedern besteht und in
Charakter und Gewohnheiten große Ähnlichkeit mit der in Deir EI Ka¬
mar hat.

Die jüdische Gemeinde in Damascus zählt 5,000 Seelen und besitzt 8 Sy¬
nagogen. Die große Mehrzahl besteht aus Sephardim. einige sind Unterthanen
Oestreichs, Italiens oder Preußens, die meisten aber sind Rajahs. Aehnlich
verhält es sich mit Haleb (Aleppo), wo 4,800, mit Antakia (Antiochia). wo
circa 200, und mit Aintab, wo gegen 300 Juden angesiedelt sind. In Bag¬
dad schlägt man deren Zahl auf etwa 5,500 an; in Mossul leben ungefähr 1,000,
in Nisibin 2S0. in Erbil Mbela) 800, in Liertut über 1,000. in Basra circa
150 Juden. Auch in Suk Esch schluch und andern Orten am EupKrat be¬
finden sich deren einige.

In Persien wohnen seit sehr alter Zeit zahlreiche Jsraeliten. In Buschir
befinden sich nach Petermanns "Reisen im Orient" 30. in Barasgun 12,
in Kaserun 10. in Kulpagun 61, in Schiras 80, in Serkun 30, in Ispahan
100, in Hamadan 1,000 jüdische Familien, und auch in Jesd, der Perscrstadt.
sowie in Kerind. dem Hauptort der Sekte der AIy Jlahis, gibt es deren mehre.
Die Juden leben in Persien unter schwerem Druck und sind steten Mißhand¬
lungen von Seiten der fanatischen Schiiten ausgesetzt, weshalb schon Tausende
von ihnen ihren Glauben abgeschworen haben und Moslemin geworden sind,
was namentlich von allen denen gilt, welche in Lar und Mesched wohnen. Viele
glauben an die Seelenwanderung, eine Lehre, die in neuern kabbalistischen
Schriften vorgetragen wird und von einem deutsch-polnischen Rabbi von der


Ziemlich stark sind die Juden auf den Inseln Rhodus und Cypern. und
auf Candia haben sich deren gegen 800 niedergelassen, von denen die Hälfte
auf die Hauptstadt Kanea kommen. Die Juden in letzter Stadt sind meist
Handwerker und der Sprache nach Spanier. Aschkenasim erscheinen hier wie
in den benachbarten Gemeinden sehr selten und niemals um zu bleiben.

Wenden wir uns nach Syrien, so finden wir zunächst in Beirut, dann in
Aleppo und Damaskus jüdische Gemeinden. Die in Beirut zählt 80 Familien
mit ungefähr 300 Seelen, alle syrischer Abkunft mit Ausnahme von zweien,
die aus spaniolischen Gemeinden eingewandert sind. Ihre Beschäftigung besteht
fast blos in Handel, die Aermeren fini Lastträger. Vier deutsche Meilen von
hier, in Deir El Kamar. existirt eine Judengemeinde von circa 300 Mitglie¬
dern, weiche eine Synagoge besitzt. Die Männer sind mM Ackerbauer, Pferde¬
züchter und Lastthierlreiber. Sie leben mit den benachbarten Drusen und Maro-
niten in gutem Vernehmen, wissen aber auch die Flinte gut zu gebrauchen,
wenn es Feinde zu bekämpfen gilt. Sie sind alle Syrer von Geburt und
unterscheiden sich von ihren Nachbarn nur durch ihre Religion. Andere syrische
und nur arabisch redende Judengemeinden sind die in Tripolis, die aus etwa
80. und die in Chasbeia, die ungefähr aus 100 Mitgliedern besteht und in
Charakter und Gewohnheiten große Ähnlichkeit mit der in Deir EI Ka¬
mar hat.

Die jüdische Gemeinde in Damascus zählt 5,000 Seelen und besitzt 8 Sy¬
nagogen. Die große Mehrzahl besteht aus Sephardim. einige sind Unterthanen
Oestreichs, Italiens oder Preußens, die meisten aber sind Rajahs. Aehnlich
verhält es sich mit Haleb (Aleppo), wo 4,800, mit Antakia (Antiochia). wo
circa 200, und mit Aintab, wo gegen 300 Juden angesiedelt sind. In Bag¬
dad schlägt man deren Zahl auf etwa 5,500 an; in Mossul leben ungefähr 1,000,
in Nisibin 2S0. in Erbil Mbela) 800, in Liertut über 1,000. in Basra circa
150 Juden. Auch in Suk Esch schluch und andern Orten am EupKrat be¬
finden sich deren einige.

In Persien wohnen seit sehr alter Zeit zahlreiche Jsraeliten. In Buschir
befinden sich nach Petermanns „Reisen im Orient" 30. in Barasgun 12,
in Kaserun 10. in Kulpagun 61, in Schiras 80, in Serkun 30, in Ispahan
100, in Hamadan 1,000 jüdische Familien, und auch in Jesd, der Perscrstadt.
sowie in Kerind. dem Hauptort der Sekte der AIy Jlahis, gibt es deren mehre.
Die Juden leben in Persien unter schwerem Druck und sind steten Mißhand¬
lungen von Seiten der fanatischen Schiiten ausgesetzt, weshalb schon Tausende
von ihnen ihren Glauben abgeschworen haben und Moslemin geworden sind,
was namentlich von allen denen gilt, welche in Lar und Mesched wohnen. Viele
glauben an die Seelenwanderung, eine Lehre, die in neuern kabbalistischen
Schriften vorgetragen wird und von einem deutsch-polnischen Rabbi von der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0074" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115468"/>
          <p xml:id="ID_201"> Ziemlich stark sind die Juden auf den Inseln Rhodus und Cypern. und<lb/>
auf Candia haben sich deren gegen 800 niedergelassen, von denen die Hälfte<lb/>
auf die Hauptstadt Kanea kommen. Die Juden in letzter Stadt sind meist<lb/>
Handwerker und der Sprache nach Spanier. Aschkenasim erscheinen hier wie<lb/>
in den benachbarten Gemeinden sehr selten und niemals um zu bleiben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_202"> Wenden wir uns nach Syrien, so finden wir zunächst in Beirut, dann in<lb/>
Aleppo und Damaskus jüdische Gemeinden. Die in Beirut zählt 80 Familien<lb/>
mit ungefähr 300 Seelen, alle syrischer Abkunft mit Ausnahme von zweien,<lb/>
die aus spaniolischen Gemeinden eingewandert sind. Ihre Beschäftigung besteht<lb/>
fast blos in Handel, die Aermeren fini Lastträger. Vier deutsche Meilen von<lb/>
hier, in Deir El Kamar. existirt eine Judengemeinde von circa 300 Mitglie¬<lb/>
dern, weiche eine Synagoge besitzt. Die Männer sind mM Ackerbauer, Pferde¬<lb/>
züchter und Lastthierlreiber. Sie leben mit den benachbarten Drusen und Maro-<lb/>
niten in gutem Vernehmen, wissen aber auch die Flinte gut zu gebrauchen,<lb/>
wenn es Feinde zu bekämpfen gilt. Sie sind alle Syrer von Geburt und<lb/>
unterscheiden sich von ihren Nachbarn nur durch ihre Religion. Andere syrische<lb/>
und nur arabisch redende Judengemeinden sind die in Tripolis, die aus etwa<lb/>
80. und die in Chasbeia, die ungefähr aus 100 Mitgliedern besteht und in<lb/>
Charakter und Gewohnheiten große Ähnlichkeit mit der in Deir EI Ka¬<lb/>
mar hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_203"> Die jüdische Gemeinde in Damascus zählt 5,000 Seelen und besitzt 8 Sy¬<lb/>
nagogen. Die große Mehrzahl besteht aus Sephardim. einige sind Unterthanen<lb/>
Oestreichs, Italiens oder Preußens, die meisten aber sind Rajahs. Aehnlich<lb/>
verhält es sich mit Haleb (Aleppo), wo 4,800, mit Antakia (Antiochia). wo<lb/>
circa 200, und mit Aintab, wo gegen 300 Juden angesiedelt sind. In Bag¬<lb/>
dad schlägt man deren Zahl auf etwa 5,500 an; in Mossul leben ungefähr 1,000,<lb/>
in Nisibin 2S0. in Erbil Mbela) 800, in Liertut über 1,000. in Basra circa<lb/>
150 Juden. Auch in Suk Esch schluch und andern Orten am EupKrat be¬<lb/>
finden sich deren einige.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_204" next="#ID_205"> In Persien wohnen seit sehr alter Zeit zahlreiche Jsraeliten. In Buschir<lb/>
befinden sich nach Petermanns &#x201E;Reisen im Orient" 30. in Barasgun 12,<lb/>
in Kaserun 10. in Kulpagun 61, in Schiras 80, in Serkun 30, in Ispahan<lb/>
100, in Hamadan 1,000 jüdische Familien, und auch in Jesd, der Perscrstadt.<lb/>
sowie in Kerind. dem Hauptort der Sekte der AIy Jlahis, gibt es deren mehre.<lb/>
Die Juden leben in Persien unter schwerem Druck und sind steten Mißhand¬<lb/>
lungen von Seiten der fanatischen Schiiten ausgesetzt, weshalb schon Tausende<lb/>
von ihnen ihren Glauben abgeschworen haben und Moslemin geworden sind,<lb/>
was namentlich von allen denen gilt, welche in Lar und Mesched wohnen. Viele<lb/>
glauben an die Seelenwanderung, eine Lehre, die in neuern kabbalistischen<lb/>
Schriften vorgetragen wird und von einem deutsch-polnischen Rabbi von der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0074] Ziemlich stark sind die Juden auf den Inseln Rhodus und Cypern. und auf Candia haben sich deren gegen 800 niedergelassen, von denen die Hälfte auf die Hauptstadt Kanea kommen. Die Juden in letzter Stadt sind meist Handwerker und der Sprache nach Spanier. Aschkenasim erscheinen hier wie in den benachbarten Gemeinden sehr selten und niemals um zu bleiben. Wenden wir uns nach Syrien, so finden wir zunächst in Beirut, dann in Aleppo und Damaskus jüdische Gemeinden. Die in Beirut zählt 80 Familien mit ungefähr 300 Seelen, alle syrischer Abkunft mit Ausnahme von zweien, die aus spaniolischen Gemeinden eingewandert sind. Ihre Beschäftigung besteht fast blos in Handel, die Aermeren fini Lastträger. Vier deutsche Meilen von hier, in Deir El Kamar. existirt eine Judengemeinde von circa 300 Mitglie¬ dern, weiche eine Synagoge besitzt. Die Männer sind mM Ackerbauer, Pferde¬ züchter und Lastthierlreiber. Sie leben mit den benachbarten Drusen und Maro- niten in gutem Vernehmen, wissen aber auch die Flinte gut zu gebrauchen, wenn es Feinde zu bekämpfen gilt. Sie sind alle Syrer von Geburt und unterscheiden sich von ihren Nachbarn nur durch ihre Religion. Andere syrische und nur arabisch redende Judengemeinden sind die in Tripolis, die aus etwa 80. und die in Chasbeia, die ungefähr aus 100 Mitgliedern besteht und in Charakter und Gewohnheiten große Ähnlichkeit mit der in Deir EI Ka¬ mar hat. Die jüdische Gemeinde in Damascus zählt 5,000 Seelen und besitzt 8 Sy¬ nagogen. Die große Mehrzahl besteht aus Sephardim. einige sind Unterthanen Oestreichs, Italiens oder Preußens, die meisten aber sind Rajahs. Aehnlich verhält es sich mit Haleb (Aleppo), wo 4,800, mit Antakia (Antiochia). wo circa 200, und mit Aintab, wo gegen 300 Juden angesiedelt sind. In Bag¬ dad schlägt man deren Zahl auf etwa 5,500 an; in Mossul leben ungefähr 1,000, in Nisibin 2S0. in Erbil Mbela) 800, in Liertut über 1,000. in Basra circa 150 Juden. Auch in Suk Esch schluch und andern Orten am EupKrat be¬ finden sich deren einige. In Persien wohnen seit sehr alter Zeit zahlreiche Jsraeliten. In Buschir befinden sich nach Petermanns „Reisen im Orient" 30. in Barasgun 12, in Kaserun 10. in Kulpagun 61, in Schiras 80, in Serkun 30, in Ispahan 100, in Hamadan 1,000 jüdische Familien, und auch in Jesd, der Perscrstadt. sowie in Kerind. dem Hauptort der Sekte der AIy Jlahis, gibt es deren mehre. Die Juden leben in Persien unter schwerem Druck und sind steten Mißhand¬ lungen von Seiten der fanatischen Schiiten ausgesetzt, weshalb schon Tausende von ihnen ihren Glauben abgeschworen haben und Moslemin geworden sind, was namentlich von allen denen gilt, welche in Lar und Mesched wohnen. Viele glauben an die Seelenwanderung, eine Lehre, die in neuern kabbalistischen Schriften vorgetragen wird und von einem deutsch-polnischen Rabbi von der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/74
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/74>, abgerufen am 01.09.2024.