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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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ertheilte ihnen die Erlaubnis;, vorläufig noch weiter vier Wochen zu censiren. Es
steht zu erwarten, daß sie auch ihr Verbot des Dziennik Powszechny wird zurück-
nehmen oder mildern müssen. Und dennoch scheint sie den Muth noch nicht verloren
zu haben; richtiger: sie scheint nicht zu vergessen, daß sie sich den Rückweg, ja je¬
den Ausweg abgeschnitten hat, und ist entschlossen, immer neue Opfer in ihren eig¬
nen Untergang zu verwickeln. Eine neue Instruction, betreffend die Organisation
einer regulären Nativnalarmce ist erlassen, neue Aushebung im Lande, neuer Zuzug
aus unserer Provinz angeordnet. Man rüstet für den Winter, sucht Quartiere, ord¬
net den Bau von einer Art von Caravanserai zur Ausnahme der Leute an und for¬
dert Pelze. Deren achttausend aufzubringen, ist der Provinz Posen befohlen, wie
man sagt. Freilich wird es Mühe machen, ihren Uebergang zu ermöglichen; viel¬
leicht auch sie herbeizuschaffen. Denn hier ist eine starke Reaction eingetreten; un¬
sere polnischen Mitbürger fangen doch an zu glauben, daß der Aufstand ohne frem¬
den Beistand nicht reussiren könne, und daß französische Hilfe kommen werde, dar¬
auf hoffen die Verständigen schon lange nicht mehr.'

Besonders hat die Vernichtung des taczanowskischcn Corps, durch welche viele
angesehene Familien in tiefe Trauer verseht sind, die noch eben hochgehenden Hoff¬
nungswogen Plötzlich in trübe Stille verwandelt. Mir sind über den Verlauf die¬
ser Angelegenheit folgende Mittheilungen aus guter Quelle geworden. Edmund
v. Taczcmowski, ein naher Verwandter des, preußischen Kammerherrn, des einzigen
polnischen Landtagsmitglicdcs, das sich stets vom Kolko ausgeschlossen, ist der Sohn
eines Edelmannes, der ebenfalls mit der Revolution keine Gemeinschaft haben will.
Er ist ein hoher Dreißiger, war preußischer Linicnoffizier und später Garibaldianer.
Seine eignen Angelegenheiten hatte er allzusehr vernachlässigt; nach seiner Verehe-
lichung waren sie geradezu zerrüttet, aber bei dem Ansehn und dem Reichthum der
Familie, welcher er angehörte, nicht hoffnungslos. Als Mielcckis Corps geschlagen
ward, wurde man -- wahrscheinlich infolge ruhmrediger Aeußerungen, die er
hatte fallen lassen -- auf ihn aufmerksam. Er ward zum Führer berufen,
leistete aber nicht eher Folge, als bis man ihn nicht blos moralisch nöthigte.
Seine Ehre zu retten ging er; aber so wenig Glauben hatte er an seine Sache,
daß er nicht einmal sein Hofgesinde veranlaßte, ihn zu begleiten. Es ist bekannt,
daß er anfangs im koniner Kreise sehr unglücklich kämpfte und heftige Differenzen
mit der Nationalrcgicrung hatte. Später kam er aus den Einfall, ein Rcitcrcorps
zu bilden. "Man hielt diese Id?e für sehr unglücklich und zweifelte daran, daß sich Reiter
halten könnten, Taezanowski hat uns nun aber doch das Gegentheil bewiesen,"
sagte mir ein Pole noch den Tag vor der unglücklichen Schlacht. Mit den Führern
des Aufstandes versöhnt und zur Bildung eines gemischten Corps autorisire, zog er
nun zwischen Czcnstochau und Peisern an der preußischen Grenze hin und her, um
die Zuzüge aus unserer Provinz aufzunehmen. Seine Thätigkeit aber bestand doch
nur in der Gewalt, die er über die Bewohner jener Grcnzkrcise übte, und in dem
Bemühen, dieselben zu insurgircn. Seine Virtuosität zeigte er darin, daß er sich den
russischen Truppen, die ihn mehr als einmal umzingelt zu haben meinten, immer wie¬
der entzog. Während wir aber von seinem Kriegsruhm redeten, war er nicht aus
Rosen gebettet. Die Bevölkerung war unzuverlässig, widerwillig und nur durch
Terrorismus im Dienste des Aufruhrs zu erhalten; und Taczalwwskis Corps hat diesen


Grenzboten III. 1863. 6ö

ertheilte ihnen die Erlaubnis;, vorläufig noch weiter vier Wochen zu censiren. Es
steht zu erwarten, daß sie auch ihr Verbot des Dziennik Powszechny wird zurück-
nehmen oder mildern müssen. Und dennoch scheint sie den Muth noch nicht verloren
zu haben; richtiger: sie scheint nicht zu vergessen, daß sie sich den Rückweg, ja je¬
den Ausweg abgeschnitten hat, und ist entschlossen, immer neue Opfer in ihren eig¬
nen Untergang zu verwickeln. Eine neue Instruction, betreffend die Organisation
einer regulären Nativnalarmce ist erlassen, neue Aushebung im Lande, neuer Zuzug
aus unserer Provinz angeordnet. Man rüstet für den Winter, sucht Quartiere, ord¬
net den Bau von einer Art von Caravanserai zur Ausnahme der Leute an und for¬
dert Pelze. Deren achttausend aufzubringen, ist der Provinz Posen befohlen, wie
man sagt. Freilich wird es Mühe machen, ihren Uebergang zu ermöglichen; viel¬
leicht auch sie herbeizuschaffen. Denn hier ist eine starke Reaction eingetreten; un¬
sere polnischen Mitbürger fangen doch an zu glauben, daß der Aufstand ohne frem¬
den Beistand nicht reussiren könne, und daß französische Hilfe kommen werde, dar¬
auf hoffen die Verständigen schon lange nicht mehr.'

Besonders hat die Vernichtung des taczanowskischcn Corps, durch welche viele
angesehene Familien in tiefe Trauer verseht sind, die noch eben hochgehenden Hoff¬
nungswogen Plötzlich in trübe Stille verwandelt. Mir sind über den Verlauf die¬
ser Angelegenheit folgende Mittheilungen aus guter Quelle geworden. Edmund
v. Taczcmowski, ein naher Verwandter des, preußischen Kammerherrn, des einzigen
polnischen Landtagsmitglicdcs, das sich stets vom Kolko ausgeschlossen, ist der Sohn
eines Edelmannes, der ebenfalls mit der Revolution keine Gemeinschaft haben will.
Er ist ein hoher Dreißiger, war preußischer Linicnoffizier und später Garibaldianer.
Seine eignen Angelegenheiten hatte er allzusehr vernachlässigt; nach seiner Verehe-
lichung waren sie geradezu zerrüttet, aber bei dem Ansehn und dem Reichthum der
Familie, welcher er angehörte, nicht hoffnungslos. Als Mielcckis Corps geschlagen
ward, wurde man — wahrscheinlich infolge ruhmrediger Aeußerungen, die er
hatte fallen lassen — auf ihn aufmerksam. Er ward zum Führer berufen,
leistete aber nicht eher Folge, als bis man ihn nicht blos moralisch nöthigte.
Seine Ehre zu retten ging er; aber so wenig Glauben hatte er an seine Sache,
daß er nicht einmal sein Hofgesinde veranlaßte, ihn zu begleiten. Es ist bekannt,
daß er anfangs im koniner Kreise sehr unglücklich kämpfte und heftige Differenzen
mit der Nationalrcgicrung hatte. Später kam er aus den Einfall, ein Rcitcrcorps
zu bilden. „Man hielt diese Id?e für sehr unglücklich und zweifelte daran, daß sich Reiter
halten könnten, Taezanowski hat uns nun aber doch das Gegentheil bewiesen,"
sagte mir ein Pole noch den Tag vor der unglücklichen Schlacht. Mit den Führern
des Aufstandes versöhnt und zur Bildung eines gemischten Corps autorisire, zog er
nun zwischen Czcnstochau und Peisern an der preußischen Grenze hin und her, um
die Zuzüge aus unserer Provinz aufzunehmen. Seine Thätigkeit aber bestand doch
nur in der Gewalt, die er über die Bewohner jener Grcnzkrcise übte, und in dem
Bemühen, dieselben zu insurgircn. Seine Virtuosität zeigte er darin, daß er sich den
russischen Truppen, die ihn mehr als einmal umzingelt zu haben meinten, immer wie¬
der entzog. Während wir aber von seinem Kriegsruhm redeten, war er nicht aus
Rosen gebettet. Die Bevölkerung war unzuverlässig, widerwillig und nur durch
Terrorismus im Dienste des Aufruhrs zu erhalten; und Taczalwwskis Corps hat diesen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/523>, abgerufen am 22.12.2024.