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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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hatten einige Ausdrücke des erstem Schriftstücks Bedenken erregt. Einmal sollte
das Wort "stetig", mit dem Scharnhorsts "rastloses und planvolles" Wir¬
ken noch ferner bezeichnend gerühmt war, und welches man für undeutsch an¬
sehen wollte, durch den Begriff "anhaltend" ersetzt werden, und fernerhin
wünschte man dringend, daß in dem Satze, der eine nicht ausreichende An¬
erkennung der Verdienste Scharnhorsts andeutete, eine Aenderung vorgenommen
würde. Es wurde hervorgehoben, daß die betreffende Stelle dunkel sei, und
vorgeschlagen, auszusprechen, daß die Verdienste Scharnhorsts allgemein an¬
erkannt seien. In diesem Sinne schrieb man im Auftrage des Staatskanzlers
an Gneisenau. Dieser hielt in seiner von Patschkau in Schlesien, 4. Juli,
datirten Antwort mit Entschiedenheit an der ursprünglichen Fassung fest. Hip¬
pe! sprach sich, von Hardenberg über die Sache befragt, energisch für Gnei¬
senau aus, und so erschienen Nachruf und Nekrolog am 13. und 16. Juli in
den berliner Blättern unverändert, jener wie folgt:

"Am 28. Juni starb zu Prag an den Folgen seiner in der Schlacht bei
Groß-Görschen erhaltenen Wunde der königlich preußische General-Lieutenant
von Scharnhorst.

-Er war einer der ausgezeichnetsten Männer unserer Zeit. Das rastlose,
stetige, planvolle Wirken nach einem Ziel, die Klarheit und Festigkeit des Ver¬
standes, die umfassende Größe der Ansichten, die Freiheit von Vorurtheilen
des Herkommens, die stolze Gleichgiltigkeit gegen äußere Auszeichnungen, der
Muth, in den unscheinbarsten Verhältnissen mit den schlichtesten Mitteln durch
bloße Stärke des Geistes den größten Zwecken nachzustreben, jugendlicher
Unternehmungsgeist, die höchste Besonnenheit, Muth und Ausdauer in der Ge¬
fahr, endlich die umfassendste Kenntniß des Kriegswesens machen ihn zu einem
der merkwürdigsten Staatsmänner und Soldaten, aus welche Deutschland stolz
sein durfte.

Billig und gerecht im Urtheil, sanft und ruhig in allen Verhältnissen mit
Anderen, freundlich, herzlich im ganzen Lebensumgange, zart und edel in der
Empfindungsweise, war er einer der liebenswürdigsten Menschen, die den Kreis
des geselligen Lebens zieren.

Was er dem Staate gewesen ist, und dem Volke, und der ganzen deut¬
schen Nation, mögen Wenige oder Viele erkennen, aber es wäre unwürdig,
wenn Einer davon gleichgiltig bliebe bei dem traurigen Todesfälle.

Es müßte keine Wahrheit und keine Tiefe mehr in der menschlichen Natur
sein, wenn dieser Mann je von denen vergessen werden könnte, die ihm nahe
standen, ihn verehrt und geliebt haben."

Die Wiedereröffnung des Feldzugs gab Hivpels Leben einen bewegteren
Charakter. Am 13. August 1813 reiste er in der Begleitung des Staatskanzlers
von Gnadenfrei ab nach Prag, wo er unter Andern auch Gentz kennen lernte,


hatten einige Ausdrücke des erstem Schriftstücks Bedenken erregt. Einmal sollte
das Wort „stetig", mit dem Scharnhorsts „rastloses und planvolles" Wir¬
ken noch ferner bezeichnend gerühmt war, und welches man für undeutsch an¬
sehen wollte, durch den Begriff „anhaltend" ersetzt werden, und fernerhin
wünschte man dringend, daß in dem Satze, der eine nicht ausreichende An¬
erkennung der Verdienste Scharnhorsts andeutete, eine Aenderung vorgenommen
würde. Es wurde hervorgehoben, daß die betreffende Stelle dunkel sei, und
vorgeschlagen, auszusprechen, daß die Verdienste Scharnhorsts allgemein an¬
erkannt seien. In diesem Sinne schrieb man im Auftrage des Staatskanzlers
an Gneisenau. Dieser hielt in seiner von Patschkau in Schlesien, 4. Juli,
datirten Antwort mit Entschiedenheit an der ursprünglichen Fassung fest. Hip¬
pe! sprach sich, von Hardenberg über die Sache befragt, energisch für Gnei¬
senau aus, und so erschienen Nachruf und Nekrolog am 13. und 16. Juli in
den berliner Blättern unverändert, jener wie folgt:

„Am 28. Juni starb zu Prag an den Folgen seiner in der Schlacht bei
Groß-Görschen erhaltenen Wunde der königlich preußische General-Lieutenant
von Scharnhorst.

-Er war einer der ausgezeichnetsten Männer unserer Zeit. Das rastlose,
stetige, planvolle Wirken nach einem Ziel, die Klarheit und Festigkeit des Ver¬
standes, die umfassende Größe der Ansichten, die Freiheit von Vorurtheilen
des Herkommens, die stolze Gleichgiltigkeit gegen äußere Auszeichnungen, der
Muth, in den unscheinbarsten Verhältnissen mit den schlichtesten Mitteln durch
bloße Stärke des Geistes den größten Zwecken nachzustreben, jugendlicher
Unternehmungsgeist, die höchste Besonnenheit, Muth und Ausdauer in der Ge¬
fahr, endlich die umfassendste Kenntniß des Kriegswesens machen ihn zu einem
der merkwürdigsten Staatsmänner und Soldaten, aus welche Deutschland stolz
sein durfte.

Billig und gerecht im Urtheil, sanft und ruhig in allen Verhältnissen mit
Anderen, freundlich, herzlich im ganzen Lebensumgange, zart und edel in der
Empfindungsweise, war er einer der liebenswürdigsten Menschen, die den Kreis
des geselligen Lebens zieren.

Was er dem Staate gewesen ist, und dem Volke, und der ganzen deut¬
schen Nation, mögen Wenige oder Viele erkennen, aber es wäre unwürdig,
wenn Einer davon gleichgiltig bliebe bei dem traurigen Todesfälle.

Es müßte keine Wahrheit und keine Tiefe mehr in der menschlichen Natur
sein, wenn dieser Mann je von denen vergessen werden könnte, die ihm nahe
standen, ihn verehrt und geliebt haben."

Die Wiedereröffnung des Feldzugs gab Hivpels Leben einen bewegteren
Charakter. Am 13. August 1813 reiste er in der Begleitung des Staatskanzlers
von Gnadenfrei ab nach Prag, wo er unter Andern auch Gentz kennen lernte,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/505>, abgerufen am 28.07.2024.