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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Die unausgesetzte Theilnahme Hippels an Allem, was sich auf die Neu¬
bildung des Heeres bezog, hatte ihn, wie angedeutet, in sehr nahe freundschaft¬
liche Beziehungen zu Gneisenau und Scharnhorst gebracht. Er war in seiner
Vertrauensstellung zum Staatskanzler das verbindende Mittelglied zwischen
diesem und jenen Organisatoren der Armee. Wie Hardenberg ihn in die
Geheimnisse der auswärtigen Politik einweihte, so setzte ihn Scharnhorst in
Kenntniß von allen Vorbereitungen zum Kampfe. Hippel kannte dessen Ent¬
würfe zur Einrichtung der Landwehr, und zwar schon bevor sie zu einem
Ganzen geordnet waren. Nachdem die Details unter Scharnhorsts Leitung
durch den Staatsrath Krause zusammengestellt worden, gelangten sie in der
ersten Woche des Februar durch Scharnhorst "zur letzten Feile und Redaction"
nochmals in Hippels Hände, und am Is. März schon wurde die Arbeit dem
König zur Sanction vorgelegt.

Noch aber war Hippel die glänzendste und wichtigste That seines Lebens
vorbehalten. Wir sahen, wie er in den verschiedensten Zweigen der Verwal¬
tung eine Energie entwickelte, die fortwährend sich steigerte und ihn den hervor¬
ragendsten Geistern des damaligen Preußen würdig an die Seite stellte. Es wurde
angedeutet, daß er selbst in rein militärischen Angelegenheiten mit Klarheit, Be¬
stimmtheit und seltener Geistesschärfe wiederholt den richtigen Weg finden half.
Wir h"ben endlich daraus hingewiesen, daß er auch in den Fragen der aus¬
wärtigen Politik manchen Fingerzeig gab, dessen Befolgung der guten Sache
von Nutzen war. Es bleibt jetzt nur noch zu erwähnen, daß er den "Aufruf
an mein Volt" erdacht, entworfen und verfaßt hat.

Die Aufforderung vom 3. Februar hatte einen mächtigen Umschwung aller
Verhältnisse herbeigeführt. Jeder wußte, wem die Rüstungen Preußens galten.
Gleichwohl war der König noch nicht zum offnen Bruch entschlossen. Napoleon
sollte "sich selbst erst ins Unrecht setzen". Hardenberg suchte deshalb durch die
feinsten diplomatischen Künste zu temporisiren, fand aber in diesen an Napo¬
leon einen ebenbürtigen Gegner. Endlich gelangte der König zur Einsicht, daß
ein Entschluß gefaßt werden mußte, die Allianz mit Rußland kam am 28. Febr.
zu Breslau zu Stande. Noch aber war man zweifelhaft, in welcher Weise an
Frankreich der Krieg zu erklären sei. Ancillon erhielt den Auftrag, ein Kriegs-
manifest zu entwerfen, und er lieferte ein solches, welches, wie Hippel sagt,
"ein Muster vortrefflicher Kanzelberedsamkeit und gründlich ausgearbeitet war",
aber trotzdem wenig Beifall fand.

Um die Mitte des März nämlich fanden fast täglich Abends zwischen sieben
und neun Uhr in Breslau beim Staatskanzler vertraute Berathungen statt, an
denen dieser selbst, Scharnhorst, Gneisenau, Thile der Erste und außerdem die
Staatsräthe Jordan und Hippel theilnahmen, und welche der eigentliche Herd
der Bewegung waren. In einer derselben -- vermuthlich am 14. März


Grenzboten III. 1863. 62

Die unausgesetzte Theilnahme Hippels an Allem, was sich auf die Neu¬
bildung des Heeres bezog, hatte ihn, wie angedeutet, in sehr nahe freundschaft¬
liche Beziehungen zu Gneisenau und Scharnhorst gebracht. Er war in seiner
Vertrauensstellung zum Staatskanzler das verbindende Mittelglied zwischen
diesem und jenen Organisatoren der Armee. Wie Hardenberg ihn in die
Geheimnisse der auswärtigen Politik einweihte, so setzte ihn Scharnhorst in
Kenntniß von allen Vorbereitungen zum Kampfe. Hippel kannte dessen Ent¬
würfe zur Einrichtung der Landwehr, und zwar schon bevor sie zu einem
Ganzen geordnet waren. Nachdem die Details unter Scharnhorsts Leitung
durch den Staatsrath Krause zusammengestellt worden, gelangten sie in der
ersten Woche des Februar durch Scharnhorst „zur letzten Feile und Redaction"
nochmals in Hippels Hände, und am Is. März schon wurde die Arbeit dem
König zur Sanction vorgelegt.

Noch aber war Hippel die glänzendste und wichtigste That seines Lebens
vorbehalten. Wir sahen, wie er in den verschiedensten Zweigen der Verwal¬
tung eine Energie entwickelte, die fortwährend sich steigerte und ihn den hervor¬
ragendsten Geistern des damaligen Preußen würdig an die Seite stellte. Es wurde
angedeutet, daß er selbst in rein militärischen Angelegenheiten mit Klarheit, Be¬
stimmtheit und seltener Geistesschärfe wiederholt den richtigen Weg finden half.
Wir h«ben endlich daraus hingewiesen, daß er auch in den Fragen der aus¬
wärtigen Politik manchen Fingerzeig gab, dessen Befolgung der guten Sache
von Nutzen war. Es bleibt jetzt nur noch zu erwähnen, daß er den „Aufruf
an mein Volt" erdacht, entworfen und verfaßt hat.

Die Aufforderung vom 3. Februar hatte einen mächtigen Umschwung aller
Verhältnisse herbeigeführt. Jeder wußte, wem die Rüstungen Preußens galten.
Gleichwohl war der König noch nicht zum offnen Bruch entschlossen. Napoleon
sollte „sich selbst erst ins Unrecht setzen". Hardenberg suchte deshalb durch die
feinsten diplomatischen Künste zu temporisiren, fand aber in diesen an Napo¬
leon einen ebenbürtigen Gegner. Endlich gelangte der König zur Einsicht, daß
ein Entschluß gefaßt werden mußte, die Allianz mit Rußland kam am 28. Febr.
zu Breslau zu Stande. Noch aber war man zweifelhaft, in welcher Weise an
Frankreich der Krieg zu erklären sei. Ancillon erhielt den Auftrag, ein Kriegs-
manifest zu entwerfen, und er lieferte ein solches, welches, wie Hippel sagt,
„ein Muster vortrefflicher Kanzelberedsamkeit und gründlich ausgearbeitet war",
aber trotzdem wenig Beifall fand.

Um die Mitte des März nämlich fanden fast täglich Abends zwischen sieben
und neun Uhr in Breslau beim Staatskanzler vertraute Berathungen statt, an
denen dieser selbst, Scharnhorst, Gneisenau, Thile der Erste und außerdem die
Staatsräthe Jordan und Hippel theilnahmen, und welche der eigentliche Herd
der Bewegung waren. In einer derselben — vermuthlich am 14. März


Grenzboten III. 1863. 62
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[0499] Die unausgesetzte Theilnahme Hippels an Allem, was sich auf die Neu¬ bildung des Heeres bezog, hatte ihn, wie angedeutet, in sehr nahe freundschaft¬ liche Beziehungen zu Gneisenau und Scharnhorst gebracht. Er war in seiner Vertrauensstellung zum Staatskanzler das verbindende Mittelglied zwischen diesem und jenen Organisatoren der Armee. Wie Hardenberg ihn in die Geheimnisse der auswärtigen Politik einweihte, so setzte ihn Scharnhorst in Kenntniß von allen Vorbereitungen zum Kampfe. Hippel kannte dessen Ent¬ würfe zur Einrichtung der Landwehr, und zwar schon bevor sie zu einem Ganzen geordnet waren. Nachdem die Details unter Scharnhorsts Leitung durch den Staatsrath Krause zusammengestellt worden, gelangten sie in der ersten Woche des Februar durch Scharnhorst „zur letzten Feile und Redaction" nochmals in Hippels Hände, und am Is. März schon wurde die Arbeit dem König zur Sanction vorgelegt. Noch aber war Hippel die glänzendste und wichtigste That seines Lebens vorbehalten. Wir sahen, wie er in den verschiedensten Zweigen der Verwal¬ tung eine Energie entwickelte, die fortwährend sich steigerte und ihn den hervor¬ ragendsten Geistern des damaligen Preußen würdig an die Seite stellte. Es wurde angedeutet, daß er selbst in rein militärischen Angelegenheiten mit Klarheit, Be¬ stimmtheit und seltener Geistesschärfe wiederholt den richtigen Weg finden half. Wir h«ben endlich daraus hingewiesen, daß er auch in den Fragen der aus¬ wärtigen Politik manchen Fingerzeig gab, dessen Befolgung der guten Sache von Nutzen war. Es bleibt jetzt nur noch zu erwähnen, daß er den „Aufruf an mein Volt" erdacht, entworfen und verfaßt hat. Die Aufforderung vom 3. Februar hatte einen mächtigen Umschwung aller Verhältnisse herbeigeführt. Jeder wußte, wem die Rüstungen Preußens galten. Gleichwohl war der König noch nicht zum offnen Bruch entschlossen. Napoleon sollte „sich selbst erst ins Unrecht setzen". Hardenberg suchte deshalb durch die feinsten diplomatischen Künste zu temporisiren, fand aber in diesen an Napo¬ leon einen ebenbürtigen Gegner. Endlich gelangte der König zur Einsicht, daß ein Entschluß gefaßt werden mußte, die Allianz mit Rußland kam am 28. Febr. zu Breslau zu Stande. Noch aber war man zweifelhaft, in welcher Weise an Frankreich der Krieg zu erklären sei. Ancillon erhielt den Auftrag, ein Kriegs- manifest zu entwerfen, und er lieferte ein solches, welches, wie Hippel sagt, „ein Muster vortrefflicher Kanzelberedsamkeit und gründlich ausgearbeitet war", aber trotzdem wenig Beifall fand. Um die Mitte des März nämlich fanden fast täglich Abends zwischen sieben und neun Uhr in Breslau beim Staatskanzler vertraute Berathungen statt, an denen dieser selbst, Scharnhorst, Gneisenau, Thile der Erste und außerdem die Staatsräthe Jordan und Hippel theilnahmen, und welche der eigentliche Herd der Bewegung waren. In einer derselben — vermuthlich am 14. März Grenzboten III. 1863. 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/499>, abgerufen am 28.07.2024.