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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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am dortigen Jesuitengymnasium wüßten von der Naturlehre in den untern Schu¬
len schon ebensoviel als anderswo, und dieser es sogar "für nicht unmöglich
hält, daß der?. General darauf einginge, den an den übrigen Anstalten be¬
folgten Lehrplan auch in diesem Punkte, anzunehmen", so zählt dies nach dem,
was er selbst sagt, nur zu den Belegen für die Wahrheitsliebe derer, denen
der Zweck die Mittel heiligt.

In verletzten Classen, der alten Dialektik, tragen die gelehrten Männer
sogar die Philosophie vor, und es beschränkt sich wie ?. Beckx seinen Schulen
nachrühmt, der Unterricht nicht blos auf die Logik und empirische Psychologie,
sondern umfaßt auch "die Grundprincipien und Wahrheiten der Metaphysik
und Moralphilosophie." Wenn der östreichische Organisationsentwurs für Gym¬
nasien diesfalls nur die ersteren beiden Gegenstände vorschreibt, so scheint ihm
dies "seinen Grund im Mißtrauen zu haben, das man mit Recht in die heutige
Philosophie setzt." Die Anschauungen, die er von dieser hegt, sind für den
Standpunkt, den die Jesuiten in dieser Wissenschaft einnehmen, bezeichnend.
"Wie könnte man," fährt er fort, "zu einer Philosophie, wie sie sich in unsern
Tagen gezeigt hat, Zutrauen fassen, wie von ihr mit Zuversicht Erkenntniß
und Begründung der Wahrheit erwarten, da die vier großen Schulen derselben,
welche unter Kant, Fichte, Schelling und Hegel eine nach der anderen den
größten Theil Deutschlands für sich gewonnen hatten, sich in pure Gottlosig¬
keit auflösten,'und eine nach der anderen aufgegeben wurden, dabei aber, ohne
der religiösen und politischen Ausartungen zu gedenken, einen Zustand von Zwei¬
fel, Unsicherheit und fast allgemeiner Verwirrung zurückgelassen haben, in wel¬
chem man zwar noch fortfährt unter einander zu streiten, dabei aber einer den
anderen kaum zu verstehen scheint?" AIs Ursache dieses beklagenswerthen Zu¬
standes gilt ihm die Thatsache, daß man den Boden der wahren Philosophie,
den jene vier Schulen entrückten, noch nicht wieder gefunden hat, nur "die
wahrhaft katholischen Universitäten waren jederzeit über die Grundlage der Philo¬
sophie unter sich einig und im Klaren, in der Hauptsache, d. h. was die
ersten Grundsätze und ihre Verhältnisse zur Offenbarung betrifft, wird man die
größte Uebereinstimmung finden." Lapoio ack sodi-ietg-tem gilt ihm als das
oberste Princip, worunter er die Beschränkung "auf das Wesentliche, Bewährte
und Sichere" versteht, wie dies in den Schulen der Gesellschaft Jesu gelehrt
wird. Nach ihrem Lehrplan soll man sich nicht weit von Thomas von 'Aquin
entfernen, das Fundament ihrer Weltweisheit ist jene Scholastik, die im Mittel¬
alter so sehr im Schwunge war. Auch hier wird dann zu sprachlicher Ausbil¬
dung der Schüler im besten Mönchslatein disputirt; denn, wie ?. Beckx behaup¬
tet, besitzt keine der lebenden Sprachen jene "Klarheit, Kürze, Bündigkeit und
Bestimmtheit des Ausdrucks" wie dieses, man müsse daher stets "wo man sich
scharf und bezeichnend ausdrücken will, die lateinische Terminologie zu Hilfe
'


Grenzboten III. 1863. 59

am dortigen Jesuitengymnasium wüßten von der Naturlehre in den untern Schu¬
len schon ebensoviel als anderswo, und dieser es sogar „für nicht unmöglich
hält, daß der?. General darauf einginge, den an den übrigen Anstalten be¬
folgten Lehrplan auch in diesem Punkte, anzunehmen", so zählt dies nach dem,
was er selbst sagt, nur zu den Belegen für die Wahrheitsliebe derer, denen
der Zweck die Mittel heiligt.

In verletzten Classen, der alten Dialektik, tragen die gelehrten Männer
sogar die Philosophie vor, und es beschränkt sich wie ?. Beckx seinen Schulen
nachrühmt, der Unterricht nicht blos auf die Logik und empirische Psychologie,
sondern umfaßt auch „die Grundprincipien und Wahrheiten der Metaphysik
und Moralphilosophie." Wenn der östreichische Organisationsentwurs für Gym¬
nasien diesfalls nur die ersteren beiden Gegenstände vorschreibt, so scheint ihm
dies „seinen Grund im Mißtrauen zu haben, das man mit Recht in die heutige
Philosophie setzt." Die Anschauungen, die er von dieser hegt, sind für den
Standpunkt, den die Jesuiten in dieser Wissenschaft einnehmen, bezeichnend.
„Wie könnte man," fährt er fort, „zu einer Philosophie, wie sie sich in unsern
Tagen gezeigt hat, Zutrauen fassen, wie von ihr mit Zuversicht Erkenntniß
und Begründung der Wahrheit erwarten, da die vier großen Schulen derselben,
welche unter Kant, Fichte, Schelling und Hegel eine nach der anderen den
größten Theil Deutschlands für sich gewonnen hatten, sich in pure Gottlosig¬
keit auflösten,'und eine nach der anderen aufgegeben wurden, dabei aber, ohne
der religiösen und politischen Ausartungen zu gedenken, einen Zustand von Zwei¬
fel, Unsicherheit und fast allgemeiner Verwirrung zurückgelassen haben, in wel¬
chem man zwar noch fortfährt unter einander zu streiten, dabei aber einer den
anderen kaum zu verstehen scheint?" AIs Ursache dieses beklagenswerthen Zu¬
standes gilt ihm die Thatsache, daß man den Boden der wahren Philosophie,
den jene vier Schulen entrückten, noch nicht wieder gefunden hat, nur „die
wahrhaft katholischen Universitäten waren jederzeit über die Grundlage der Philo¬
sophie unter sich einig und im Klaren, in der Hauptsache, d. h. was die
ersten Grundsätze und ihre Verhältnisse zur Offenbarung betrifft, wird man die
größte Uebereinstimmung finden." Lapoio ack sodi-ietg-tem gilt ihm als das
oberste Princip, worunter er die Beschränkung „auf das Wesentliche, Bewährte
und Sichere" versteht, wie dies in den Schulen der Gesellschaft Jesu gelehrt
wird. Nach ihrem Lehrplan soll man sich nicht weit von Thomas von 'Aquin
entfernen, das Fundament ihrer Weltweisheit ist jene Scholastik, die im Mittel¬
alter so sehr im Schwunge war. Auch hier wird dann zu sprachlicher Ausbil¬
dung der Schüler im besten Mönchslatein disputirt; denn, wie ?. Beckx behaup¬
tet, besitzt keine der lebenden Sprachen jene „Klarheit, Kürze, Bündigkeit und
Bestimmtheit des Ausdrucks" wie dieses, man müsse daher stets „wo man sich
scharf und bezeichnend ausdrücken will, die lateinische Terminologie zu Hilfe
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[0475] am dortigen Jesuitengymnasium wüßten von der Naturlehre in den untern Schu¬ len schon ebensoviel als anderswo, und dieser es sogar „für nicht unmöglich hält, daß der?. General darauf einginge, den an den übrigen Anstalten be¬ folgten Lehrplan auch in diesem Punkte, anzunehmen", so zählt dies nach dem, was er selbst sagt, nur zu den Belegen für die Wahrheitsliebe derer, denen der Zweck die Mittel heiligt. In verletzten Classen, der alten Dialektik, tragen die gelehrten Männer sogar die Philosophie vor, und es beschränkt sich wie ?. Beckx seinen Schulen nachrühmt, der Unterricht nicht blos auf die Logik und empirische Psychologie, sondern umfaßt auch „die Grundprincipien und Wahrheiten der Metaphysik und Moralphilosophie." Wenn der östreichische Organisationsentwurs für Gym¬ nasien diesfalls nur die ersteren beiden Gegenstände vorschreibt, so scheint ihm dies „seinen Grund im Mißtrauen zu haben, das man mit Recht in die heutige Philosophie setzt." Die Anschauungen, die er von dieser hegt, sind für den Standpunkt, den die Jesuiten in dieser Wissenschaft einnehmen, bezeichnend. „Wie könnte man," fährt er fort, „zu einer Philosophie, wie sie sich in unsern Tagen gezeigt hat, Zutrauen fassen, wie von ihr mit Zuversicht Erkenntniß und Begründung der Wahrheit erwarten, da die vier großen Schulen derselben, welche unter Kant, Fichte, Schelling und Hegel eine nach der anderen den größten Theil Deutschlands für sich gewonnen hatten, sich in pure Gottlosig¬ keit auflösten,'und eine nach der anderen aufgegeben wurden, dabei aber, ohne der religiösen und politischen Ausartungen zu gedenken, einen Zustand von Zwei¬ fel, Unsicherheit und fast allgemeiner Verwirrung zurückgelassen haben, in wel¬ chem man zwar noch fortfährt unter einander zu streiten, dabei aber einer den anderen kaum zu verstehen scheint?" AIs Ursache dieses beklagenswerthen Zu¬ standes gilt ihm die Thatsache, daß man den Boden der wahren Philosophie, den jene vier Schulen entrückten, noch nicht wieder gefunden hat, nur „die wahrhaft katholischen Universitäten waren jederzeit über die Grundlage der Philo¬ sophie unter sich einig und im Klaren, in der Hauptsache, d. h. was die ersten Grundsätze und ihre Verhältnisse zur Offenbarung betrifft, wird man die größte Uebereinstimmung finden." Lapoio ack sodi-ietg-tem gilt ihm als das oberste Princip, worunter er die Beschränkung „auf das Wesentliche, Bewährte und Sichere" versteht, wie dies in den Schulen der Gesellschaft Jesu gelehrt wird. Nach ihrem Lehrplan soll man sich nicht weit von Thomas von 'Aquin entfernen, das Fundament ihrer Weltweisheit ist jene Scholastik, die im Mittel¬ alter so sehr im Schwunge war. Auch hier wird dann zu sprachlicher Ausbil¬ dung der Schüler im besten Mönchslatein disputirt; denn, wie ?. Beckx behaup¬ tet, besitzt keine der lebenden Sprachen jene „Klarheit, Kürze, Bündigkeit und Bestimmtheit des Ausdrucks" wie dieses, man müsse daher stets „wo man sich scharf und bezeichnend ausdrücken will, die lateinische Terminologie zu Hilfe ' Grenzboten III. 1863. 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/475>, abgerufen am 28.07.2024.