Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Offiziere, weil sie durch das Kriegsministerium dazu gezwungen wurden, sich
zwar pränumerirten, aber bei der Uebersendung der Pränumcrationsbeträge zu¬
gleich erklärten, "daß sie hiermit ihrer Pflicht nachgekommen zu sein glaubten,
jedoch auf die Zeitschrift selbst verzichteten!" -- Die sogenannten "Ofsiziersauf-
gaben" wurden, weil es so anbefohlen war, zwar abgeliefert, aber der Gegen¬
stand wurde sowohl von den höhern als von den niedern Offizieren nur als
leidiges Muß betrachtet und daher so schnell und oberflächlich als möglich ab¬
zufertigen gesucht.

Was endlich die im Winter abzuhaltenden Offiziersschulen anbetrifft, so
ist es lächerlich, diese Versammlungen überhaupt mit diesem Namen zu belegen.
Diejenigen Offiziere, welchen es auf keine Art gelang, sich von dieser lästigen
Verpflichtung loszumachen, versammelten sich wöchentlich zwei bis drei Mal in-
irgend einer Kasernenstube, woselbst dann ein Stabsoffizier einen kurzen Vortrag
über Gegenstände hielt, welche jedem Unteroffizier bekannt waren. Häufig
unterblieb selbst dieser Vortrag, und es wurde, "um die obligate Stunde aus¬
zufüllen, über Tagesereignisse, Mädchen, Pferde und Hunde gesprochen.

Um jenen Jnfantericofsizieren, welche das Reiten zu erlernen wünschten,
die Gelegenheit dazu zu verschaffen, wurde in Wien eine eigene Jnfantcriereit-
anstalt oder Equitativn errichtet. Man hätte diesen Zweck einfacher, gründlicher
und mit weit geringeren Kosten erreichen tonnen, wenn man die Betreffenden
dem nächsten Kavallerie- oder Artillerieregiment zugewiesen hätte.

Die östreichische Infanterie ist somit trotz der in dem letzten Kriege erhal¬
tenen eindringlichen Lehren, trotz des Warnungsrufes, den einzelne einsichtsvolle
Männer ertönen ließen und trotz aller Reformen auf keine höhere Stufe ge¬
bracht worden.

Das Offiziercorps, aus zu heterogenen Elementen zusammengesetzt, schlecht
besoldet und durch tausend kleinliche Plackereien gequält, ist im Allgemeinen
mißgestimmt, und hat weder in Hinsicht aus seine rein militärische, noch ans
seine wissenschaftliche Ausbildung gewonnen. Das feste Band der Kameradschaft,
welche die Mitglieder der östreichischen Armee ehedem so vortheilhaft auszeich¬
nete, ist, besonders in den größeren Garnisonen, bedeutend gelockert worden,
und auch die würdevolle Sittenstrenge Haltung der Offiziere jener Epoche ist
jetzt bei Vielen nicht mehr zu finden. Dafür sind ein herausforderndes bramar-
basirendes Benehmen oder eine linkische, den Mangel feinerer Bildung deutlich
beurkundende Zurückhaltung in dem Umgange mit der Bevölkerung und brutale
Härte oder launenhafte Nachsicht gegenüber den Untergebenen nur zu oft anzu¬
treffen, auch sind zu keiner Zeit Excesse, Zweikämpfe, grobe militärische Ver¬
gehen und andere strafbare, oft entehrende Handlungen so häufig vorgekommen,
als es leider in den letzten Jahren der Fall war. Die Zahl der deshalb ent¬
lassenen Offiziere ist erschreckend groß. Die Unteroffiziere sind,gewöhnlich jung,


Grenzboten III. 186S. 53

Offiziere, weil sie durch das Kriegsministerium dazu gezwungen wurden, sich
zwar pränumerirten, aber bei der Uebersendung der Pränumcrationsbeträge zu¬
gleich erklärten, „daß sie hiermit ihrer Pflicht nachgekommen zu sein glaubten,
jedoch auf die Zeitschrift selbst verzichteten!" — Die sogenannten „Ofsiziersauf-
gaben" wurden, weil es so anbefohlen war, zwar abgeliefert, aber der Gegen¬
stand wurde sowohl von den höhern als von den niedern Offizieren nur als
leidiges Muß betrachtet und daher so schnell und oberflächlich als möglich ab¬
zufertigen gesucht.

Was endlich die im Winter abzuhaltenden Offiziersschulen anbetrifft, so
ist es lächerlich, diese Versammlungen überhaupt mit diesem Namen zu belegen.
Diejenigen Offiziere, welchen es auf keine Art gelang, sich von dieser lästigen
Verpflichtung loszumachen, versammelten sich wöchentlich zwei bis drei Mal in-
irgend einer Kasernenstube, woselbst dann ein Stabsoffizier einen kurzen Vortrag
über Gegenstände hielt, welche jedem Unteroffizier bekannt waren. Häufig
unterblieb selbst dieser Vortrag, und es wurde, »um die obligate Stunde aus¬
zufüllen, über Tagesereignisse, Mädchen, Pferde und Hunde gesprochen.

Um jenen Jnfantericofsizieren, welche das Reiten zu erlernen wünschten,
die Gelegenheit dazu zu verschaffen, wurde in Wien eine eigene Jnfantcriereit-
anstalt oder Equitativn errichtet. Man hätte diesen Zweck einfacher, gründlicher
und mit weit geringeren Kosten erreichen tonnen, wenn man die Betreffenden
dem nächsten Kavallerie- oder Artillerieregiment zugewiesen hätte.

Die östreichische Infanterie ist somit trotz der in dem letzten Kriege erhal¬
tenen eindringlichen Lehren, trotz des Warnungsrufes, den einzelne einsichtsvolle
Männer ertönen ließen und trotz aller Reformen auf keine höhere Stufe ge¬
bracht worden.

Das Offiziercorps, aus zu heterogenen Elementen zusammengesetzt, schlecht
besoldet und durch tausend kleinliche Plackereien gequält, ist im Allgemeinen
mißgestimmt, und hat weder in Hinsicht aus seine rein militärische, noch ans
seine wissenschaftliche Ausbildung gewonnen. Das feste Band der Kameradschaft,
welche die Mitglieder der östreichischen Armee ehedem so vortheilhaft auszeich¬
nete, ist, besonders in den größeren Garnisonen, bedeutend gelockert worden,
und auch die würdevolle Sittenstrenge Haltung der Offiziere jener Epoche ist
jetzt bei Vielen nicht mehr zu finden. Dafür sind ein herausforderndes bramar-
basirendes Benehmen oder eine linkische, den Mangel feinerer Bildung deutlich
beurkundende Zurückhaltung in dem Umgange mit der Bevölkerung und brutale
Härte oder launenhafte Nachsicht gegenüber den Untergebenen nur zu oft anzu¬
treffen, auch sind zu keiner Zeit Excesse, Zweikämpfe, grobe militärische Ver¬
gehen und andere strafbare, oft entehrende Handlungen so häufig vorgekommen,
als es leider in den letzten Jahren der Fall war. Die Zahl der deshalb ent¬
lassenen Offiziere ist erschreckend groß. Die Unteroffiziere sind,gewöhnlich jung,


Grenzboten III. 186S. 53
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0427" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115819"/>
            <p xml:id="ID_1246" prev="#ID_1245"> Offiziere, weil sie durch das Kriegsministerium dazu gezwungen wurden, sich<lb/>
zwar pränumerirten, aber bei der Uebersendung der Pränumcrationsbeträge zu¬<lb/>
gleich erklärten, &#x201E;daß sie hiermit ihrer Pflicht nachgekommen zu sein glaubten,<lb/>
jedoch auf die Zeitschrift selbst verzichteten!" &#x2014; Die sogenannten &#x201E;Ofsiziersauf-<lb/>
gaben" wurden, weil es so anbefohlen war, zwar abgeliefert, aber der Gegen¬<lb/>
stand wurde sowohl von den höhern als von den niedern Offizieren nur als<lb/>
leidiges Muß betrachtet und daher so schnell und oberflächlich als möglich ab¬<lb/>
zufertigen gesucht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1247"> Was endlich die im Winter abzuhaltenden Offiziersschulen anbetrifft, so<lb/>
ist es lächerlich, diese Versammlungen überhaupt mit diesem Namen zu belegen.<lb/>
Diejenigen Offiziere, welchen es auf keine Art gelang, sich von dieser lästigen<lb/>
Verpflichtung loszumachen, versammelten sich wöchentlich zwei bis drei Mal in-<lb/>
irgend einer Kasernenstube, woselbst dann ein Stabsoffizier einen kurzen Vortrag<lb/>
über Gegenstände hielt, welche jedem Unteroffizier bekannt waren. Häufig<lb/>
unterblieb selbst dieser Vortrag, und es wurde, »um die obligate Stunde aus¬<lb/>
zufüllen, über Tagesereignisse, Mädchen, Pferde und Hunde gesprochen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1248"> Um jenen Jnfantericofsizieren, welche das Reiten zu erlernen wünschten,<lb/>
die Gelegenheit dazu zu verschaffen, wurde in Wien eine eigene Jnfantcriereit-<lb/>
anstalt oder Equitativn errichtet. Man hätte diesen Zweck einfacher, gründlicher<lb/>
und mit weit geringeren Kosten erreichen tonnen, wenn man die Betreffenden<lb/>
dem nächsten Kavallerie- oder Artillerieregiment zugewiesen hätte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1249"> Die östreichische Infanterie ist somit trotz der in dem letzten Kriege erhal¬<lb/>
tenen eindringlichen Lehren, trotz des Warnungsrufes, den einzelne einsichtsvolle<lb/>
Männer ertönen ließen und trotz aller Reformen auf keine höhere Stufe ge¬<lb/>
bracht worden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1250" next="#ID_1251"> Das Offiziercorps, aus zu heterogenen Elementen zusammengesetzt, schlecht<lb/>
besoldet und durch tausend kleinliche Plackereien gequält, ist im Allgemeinen<lb/>
mißgestimmt, und hat weder in Hinsicht aus seine rein militärische, noch ans<lb/>
seine wissenschaftliche Ausbildung gewonnen. Das feste Band der Kameradschaft,<lb/>
welche die Mitglieder der östreichischen Armee ehedem so vortheilhaft auszeich¬<lb/>
nete, ist, besonders in den größeren Garnisonen, bedeutend gelockert worden,<lb/>
und auch die würdevolle Sittenstrenge Haltung der Offiziere jener Epoche ist<lb/>
jetzt bei Vielen nicht mehr zu finden. Dafür sind ein herausforderndes bramar-<lb/>
basirendes Benehmen oder eine linkische, den Mangel feinerer Bildung deutlich<lb/>
beurkundende Zurückhaltung in dem Umgange mit der Bevölkerung und brutale<lb/>
Härte oder launenhafte Nachsicht gegenüber den Untergebenen nur zu oft anzu¬<lb/>
treffen, auch sind zu keiner Zeit Excesse, Zweikämpfe, grobe militärische Ver¬<lb/>
gehen und andere strafbare, oft entehrende Handlungen so häufig vorgekommen,<lb/>
als es leider in den letzten Jahren der Fall war. Die Zahl der deshalb ent¬<lb/>
lassenen Offiziere ist erschreckend groß.  Die Unteroffiziere sind,gewöhnlich jung,</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 186S. 53</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0427] Offiziere, weil sie durch das Kriegsministerium dazu gezwungen wurden, sich zwar pränumerirten, aber bei der Uebersendung der Pränumcrationsbeträge zu¬ gleich erklärten, „daß sie hiermit ihrer Pflicht nachgekommen zu sein glaubten, jedoch auf die Zeitschrift selbst verzichteten!" — Die sogenannten „Ofsiziersauf- gaben" wurden, weil es so anbefohlen war, zwar abgeliefert, aber der Gegen¬ stand wurde sowohl von den höhern als von den niedern Offizieren nur als leidiges Muß betrachtet und daher so schnell und oberflächlich als möglich ab¬ zufertigen gesucht. Was endlich die im Winter abzuhaltenden Offiziersschulen anbetrifft, so ist es lächerlich, diese Versammlungen überhaupt mit diesem Namen zu belegen. Diejenigen Offiziere, welchen es auf keine Art gelang, sich von dieser lästigen Verpflichtung loszumachen, versammelten sich wöchentlich zwei bis drei Mal in- irgend einer Kasernenstube, woselbst dann ein Stabsoffizier einen kurzen Vortrag über Gegenstände hielt, welche jedem Unteroffizier bekannt waren. Häufig unterblieb selbst dieser Vortrag, und es wurde, »um die obligate Stunde aus¬ zufüllen, über Tagesereignisse, Mädchen, Pferde und Hunde gesprochen. Um jenen Jnfantericofsizieren, welche das Reiten zu erlernen wünschten, die Gelegenheit dazu zu verschaffen, wurde in Wien eine eigene Jnfantcriereit- anstalt oder Equitativn errichtet. Man hätte diesen Zweck einfacher, gründlicher und mit weit geringeren Kosten erreichen tonnen, wenn man die Betreffenden dem nächsten Kavallerie- oder Artillerieregiment zugewiesen hätte. Die östreichische Infanterie ist somit trotz der in dem letzten Kriege erhal¬ tenen eindringlichen Lehren, trotz des Warnungsrufes, den einzelne einsichtsvolle Männer ertönen ließen und trotz aller Reformen auf keine höhere Stufe ge¬ bracht worden. Das Offiziercorps, aus zu heterogenen Elementen zusammengesetzt, schlecht besoldet und durch tausend kleinliche Plackereien gequält, ist im Allgemeinen mißgestimmt, und hat weder in Hinsicht aus seine rein militärische, noch ans seine wissenschaftliche Ausbildung gewonnen. Das feste Band der Kameradschaft, welche die Mitglieder der östreichischen Armee ehedem so vortheilhaft auszeich¬ nete, ist, besonders in den größeren Garnisonen, bedeutend gelockert worden, und auch die würdevolle Sittenstrenge Haltung der Offiziere jener Epoche ist jetzt bei Vielen nicht mehr zu finden. Dafür sind ein herausforderndes bramar- basirendes Benehmen oder eine linkische, den Mangel feinerer Bildung deutlich beurkundende Zurückhaltung in dem Umgange mit der Bevölkerung und brutale Härte oder launenhafte Nachsicht gegenüber den Untergebenen nur zu oft anzu¬ treffen, auch sind zu keiner Zeit Excesse, Zweikämpfe, grobe militärische Ver¬ gehen und andere strafbare, oft entehrende Handlungen so häufig vorgekommen, als es leider in den letzten Jahren der Fall war. Die Zahl der deshalb ent¬ lassenen Offiziere ist erschreckend groß. Die Unteroffiziere sind,gewöhnlich jung, Grenzboten III. 186S. 53

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/427
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/427>, abgerufen am 22.12.2024.