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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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deleien doch immer des Geldes vollauf und -- was das Schlimmste ist --
selbst jetzt, nach einer vierjährigen Frist, ist man in dieser Beziehung noch
nicht zum Ende gelangt und befindet sich noch immer in dem Stadium des
Experimentirens. --

Die traurige Lage der östreichischen Finanzen und die Zustände mehrer
Provinzen, denen fast alle arbeitsfähigen jungen Männer entzogen waren, for¬
derten in gebieterischer Weise die Reducirung des Heeres, und dieselbe konnte
in immer ausgedehnterem Maße stattfinden, als die äußeren völkischen Verhält¬
nisse zusehends ihre Bedrohlichkeit verloren und auch die Aufregung in mehrern
unzufriedenen Provinzen, Ungarn, Kroatien und Slawonien, sich -- wenigstens
scheinbar -- minderte.

Daß diese Reducirung verlangt und ausgeführt wurde, kann also dem
Reichsrathe und der Regierung nur zum Verdienst angerechnet werden, nicht
aber die Ausdehnung, welche dieses Verlangen zuletzt annahm, und die Weise,
in welcher dasselbe erfüllt wurde.

Denn um unparteiisch zu sein, muß man zugestehen, daß der östreichische
Reichsrath in späterer Zeit nur die Finanzfrage in Betrachtung zog und
die Machtstellung des Staats, sowie die kräftige, leider nur auf' einer ent¬
sprechend zahlreichen und kriegsgcübten Armee beruhende Sicherung der Inter¬
essen des Reiches und seiner Bewohner ganz vergessen zu haben schien. Bei
der mangelhaften, nur auf der Höhe des Steuercensus basirten Zusammen¬
setzung dieses Parlaments konnte es auch nicht anders kommen. Aber alle
diese Männer waren dennoch rechtlich und einsichtsvoll genug, um einer wohl-
motivirten und von der festen Ueberzeugung, daß das Wohl und die Macht
des Reiches ein weiteres Nachgeben verbiete, geleiteten Gegenvorstellung der
'Regierung Gehör zu schenken.

Diese Gegenvorstellung aber unterblieb und es wurde nur gegen unbedeutende,
obendrein meist personelle Interessen berührende Anträge protestirt, so daß die
Deputirten glauben mußten, es sei der Negierung weniger darum zu thun, die
Reducirung zu verhindern als um die EMenz einiger Günstlinge oder beson¬
ders bevorzugter Kasten, daher sie mit Recht auf der Erfüllung ihrer Forderung
veharrten.

Wurde übrigens auch hier die Grenze der Sparsamkeit überschritten oder
wenigstens bis zu dem äußersten Minimum herabgegangen, so mochte der Schade
doch unbedeutend sein, wenn man sich andrerseits bemühte, den Abgang der
Quantität durch Verbesserung der Qualität zu ersetzen, nämlich den noch über-
bliebenen, immerhin noch sehr ansehnlichen Theil des Heeres in voller Schlag-
fertigkeit zu erhalten, ihn auf die höchstmögliche Stufe kriegerischer Ausbildung
zu bringen und somit einen haltbaren Kern zu schaffen, um welchen sich bei
einer künftigen Vergrößerung des Heeres die neuausgehobenen Truppen schaaren


deleien doch immer des Geldes vollauf und — was das Schlimmste ist —
selbst jetzt, nach einer vierjährigen Frist, ist man in dieser Beziehung noch
nicht zum Ende gelangt und befindet sich noch immer in dem Stadium des
Experimentirens. —

Die traurige Lage der östreichischen Finanzen und die Zustände mehrer
Provinzen, denen fast alle arbeitsfähigen jungen Männer entzogen waren, for¬
derten in gebieterischer Weise die Reducirung des Heeres, und dieselbe konnte
in immer ausgedehnterem Maße stattfinden, als die äußeren völkischen Verhält¬
nisse zusehends ihre Bedrohlichkeit verloren und auch die Aufregung in mehrern
unzufriedenen Provinzen, Ungarn, Kroatien und Slawonien, sich — wenigstens
scheinbar — minderte.

Daß diese Reducirung verlangt und ausgeführt wurde, kann also dem
Reichsrathe und der Regierung nur zum Verdienst angerechnet werden, nicht
aber die Ausdehnung, welche dieses Verlangen zuletzt annahm, und die Weise,
in welcher dasselbe erfüllt wurde.

Denn um unparteiisch zu sein, muß man zugestehen, daß der östreichische
Reichsrath in späterer Zeit nur die Finanzfrage in Betrachtung zog und
die Machtstellung des Staats, sowie die kräftige, leider nur auf' einer ent¬
sprechend zahlreichen und kriegsgcübten Armee beruhende Sicherung der Inter¬
essen des Reiches und seiner Bewohner ganz vergessen zu haben schien. Bei
der mangelhaften, nur auf der Höhe des Steuercensus basirten Zusammen¬
setzung dieses Parlaments konnte es auch nicht anders kommen. Aber alle
diese Männer waren dennoch rechtlich und einsichtsvoll genug, um einer wohl-
motivirten und von der festen Ueberzeugung, daß das Wohl und die Macht
des Reiches ein weiteres Nachgeben verbiete, geleiteten Gegenvorstellung der
'Regierung Gehör zu schenken.

Diese Gegenvorstellung aber unterblieb und es wurde nur gegen unbedeutende,
obendrein meist personelle Interessen berührende Anträge protestirt, so daß die
Deputirten glauben mußten, es sei der Negierung weniger darum zu thun, die
Reducirung zu verhindern als um die EMenz einiger Günstlinge oder beson¬
ders bevorzugter Kasten, daher sie mit Recht auf der Erfüllung ihrer Forderung
veharrten.

Wurde übrigens auch hier die Grenze der Sparsamkeit überschritten oder
wenigstens bis zu dem äußersten Minimum herabgegangen, so mochte der Schade
doch unbedeutend sein, wenn man sich andrerseits bemühte, den Abgang der
Quantität durch Verbesserung der Qualität zu ersetzen, nämlich den noch über-
bliebenen, immerhin noch sehr ansehnlichen Theil des Heeres in voller Schlag-
fertigkeit zu erhalten, ihn auf die höchstmögliche Stufe kriegerischer Ausbildung
zu bringen und somit einen haltbaren Kern zu schaffen, um welchen sich bei
einer künftigen Vergrößerung des Heeres die neuausgehobenen Truppen schaaren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/424>, abgerufen am 28.07.2024.