Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.Da dieser Versuch nur dem Sehnen und Streben der Zeit entgegenkam, Herr Ewald wird nach dem Angeführten den Schluß erlauben, daß er die Und die Pharisäer Ewalds? -- Sie entstanden nach der makkabäischen Erhe¬ Ewald meint, es seien "gewiß meist die jüngeren" Glieder der chassidäi- Sie "wollten vor Allem den errungenen Sieg mit seinen angenehmen Da dieser Versuch nur dem Sehnen und Streben der Zeit entgegenkam, Herr Ewald wird nach dem Angeführten den Schluß erlauben, daß er die Und die Pharisäer Ewalds? — Sie entstanden nach der makkabäischen Erhe¬ Ewald meint, es seien „gewiß meist die jüngeren" Glieder der chassidäi- Sie „wollten vor Allem den errungenen Sieg mit seinen angenehmen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0415" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115807"/> <p xml:id="ID_1190"> Da dieser Versuch nur dem Sehnen und Streben der Zeit entgegenkam,<lb/> gedieh das Sadducäerthum lange Jahre in der Stille. „Allein nachdem die<lb/> Grundsätze und Lebensansichten dieser Schule durch die makkabäischen Kriege<lb/> völlig besiegt waren," siel sie in Dunkel und Verachtung; „ihre Lehrer wurden<lb/> aus der Reihe der Rechtgläubigengestrichen, und sogar ihre letzten Ueberbleibsel<lb/> geriethen trotz aller Schwankungen der nachmakkabäischen Zeiten, wodurch auch<lb/> sie wieder zeitweise höher stiegen, in immer allgemeinere Mißachtung."</p><lb/> <p xml:id="ID_1191"> Herr Ewald wird nach dem Angeführten den Schluß erlauben, daß er die<lb/> Lehre der Sadducäer im Großen und Ganzen für eine Art von Frcidcnkerthum<lb/> halt, daß nach ihm die Angehörigen derselben im Wesentlichen mit den Grie-<lb/> chenfreundcn zusammenfallen, deren Ansichten in jenem Jason nur einen über die<lb/> Schranke des Gesetzes hinausgehenden Auswuchs trieben; daß ferner der Haupt¬<lb/> grundsatz des Sadducciismus möglichste Unbeschränktheit im Genießen war, und<lb/> daß diese Genießlinge, diese Epicuräer in der Periode zwisclM dem makka¬<lb/> bäischen Aufstand und dem Auftreten Jesu in der politischen wie in der reli¬<lb/> giösen Entwickelung des Volkes eine untergeordnete Rolle spielten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1192"> Und die Pharisäer Ewalds? — Sie entstanden nach der makkabäischen Erhe¬<lb/> bung aus den Chassidim oder Frommen, den Griechenfeinden und Gesetzeseifrigen.<lb/> „Kaum hatte diese große Partei deu Sieg gewonnen, als eine Fraction der¬<lb/> selben die Quelle, aus welcher sie die Mittel des Sieges geschöpft hatte, mit<lb/> diesen selbst verwechselte und die Schrift noch höher stellte, und noch ängstlicher<lb/> verehren wollte, als dies früher geschehen war." „Ihr Trieb ging von Anfang<lb/> an weit weniger auf stilles Erkennen, mühevolles Ergründen und schweres Ar¬<lb/> beiten, als vielmehr auf Handeln und Herrschen im Volke."</p><lb/> <p xml:id="ID_1193"> Ewald meint, es seien „gewiß meist die jüngeren" Glieder der chassidäi-<lb/> schcn Partei gewesen — vermuthlich nach dem Erfahrungssatz, daß nur alt¬<lb/> gewordene Gottesgelehrte den Trieb nach stillem Erkennen, mühevollem Er¬<lb/> gründen u. d. in. empfinden, und daß solche alte Herren niemals ungebühr¬<lb/> lich ehrgeizig und herrschsüchtig sein können. Er fährt dann fort:</p><lb/> <p xml:id="ID_1194" next="#ID_1195"> Sie „wollten vor Allem den errungenen Sieg mit seinen angenehmen<lb/> Früchten festhalten und ausbeuten. Sie begriffen, daß nur die Frömmigkeit<lb/> auch im großen Volke so große Thaten bewirken und die Gemeinde zusammen¬<lb/> halten und stark machen konnte. Aber, von Herrschsucht getrieben und dunkler<lb/> oder bewußter der eigenen Selbstsucht fröhnend, machten sie die Frömmigkeit<lb/> zu einer Art von Kunst und Gewerbe, um durch sie dauernd zu herrschen."<lb/> Der Trieb der Zeit kam ihnen dabei entgegen. „Das Gebet wurde die tiefste<lb/> große Macht der Zeit; nachdem es dies geworden, lag sein Erdarten mannig¬<lb/> fach nahe; aber die Pharisäer scheuten sich nicht, es überall recht geflissentlich<lb/> vor dem Volke zu zeigen. Durch Wohlthun und milde Gaben aufs Willigste<lb/> und Reichste zu wirken, war diese Zeit längst weich genug gebildet, und das vor</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0415]
Da dieser Versuch nur dem Sehnen und Streben der Zeit entgegenkam,
gedieh das Sadducäerthum lange Jahre in der Stille. „Allein nachdem die
Grundsätze und Lebensansichten dieser Schule durch die makkabäischen Kriege
völlig besiegt waren," siel sie in Dunkel und Verachtung; „ihre Lehrer wurden
aus der Reihe der Rechtgläubigengestrichen, und sogar ihre letzten Ueberbleibsel
geriethen trotz aller Schwankungen der nachmakkabäischen Zeiten, wodurch auch
sie wieder zeitweise höher stiegen, in immer allgemeinere Mißachtung."
Herr Ewald wird nach dem Angeführten den Schluß erlauben, daß er die
Lehre der Sadducäer im Großen und Ganzen für eine Art von Frcidcnkerthum
halt, daß nach ihm die Angehörigen derselben im Wesentlichen mit den Grie-
chenfreundcn zusammenfallen, deren Ansichten in jenem Jason nur einen über die
Schranke des Gesetzes hinausgehenden Auswuchs trieben; daß ferner der Haupt¬
grundsatz des Sadducciismus möglichste Unbeschränktheit im Genießen war, und
daß diese Genießlinge, diese Epicuräer in der Periode zwisclM dem makka¬
bäischen Aufstand und dem Auftreten Jesu in der politischen wie in der reli¬
giösen Entwickelung des Volkes eine untergeordnete Rolle spielten.
Und die Pharisäer Ewalds? — Sie entstanden nach der makkabäischen Erhe¬
bung aus den Chassidim oder Frommen, den Griechenfeinden und Gesetzeseifrigen.
„Kaum hatte diese große Partei deu Sieg gewonnen, als eine Fraction der¬
selben die Quelle, aus welcher sie die Mittel des Sieges geschöpft hatte, mit
diesen selbst verwechselte und die Schrift noch höher stellte, und noch ängstlicher
verehren wollte, als dies früher geschehen war." „Ihr Trieb ging von Anfang
an weit weniger auf stilles Erkennen, mühevolles Ergründen und schweres Ar¬
beiten, als vielmehr auf Handeln und Herrschen im Volke."
Ewald meint, es seien „gewiß meist die jüngeren" Glieder der chassidäi-
schcn Partei gewesen — vermuthlich nach dem Erfahrungssatz, daß nur alt¬
gewordene Gottesgelehrte den Trieb nach stillem Erkennen, mühevollem Er¬
gründen u. d. in. empfinden, und daß solche alte Herren niemals ungebühr¬
lich ehrgeizig und herrschsüchtig sein können. Er fährt dann fort:
Sie „wollten vor Allem den errungenen Sieg mit seinen angenehmen
Früchten festhalten und ausbeuten. Sie begriffen, daß nur die Frömmigkeit
auch im großen Volke so große Thaten bewirken und die Gemeinde zusammen¬
halten und stark machen konnte. Aber, von Herrschsucht getrieben und dunkler
oder bewußter der eigenen Selbstsucht fröhnend, machten sie die Frömmigkeit
zu einer Art von Kunst und Gewerbe, um durch sie dauernd zu herrschen."
Der Trieb der Zeit kam ihnen dabei entgegen. „Das Gebet wurde die tiefste
große Macht der Zeit; nachdem es dies geworden, lag sein Erdarten mannig¬
fach nahe; aber die Pharisäer scheuten sich nicht, es überall recht geflissentlich
vor dem Volke zu zeigen. Durch Wohlthun und milde Gaben aufs Willigste
und Reichste zu wirken, war diese Zeit längst weich genug gebildet, und das vor
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