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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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erhöhte. Noch ist dieser Umstand von Keinem nach denMvollen Umfange
seines Einflusses hervorgehoben, ja nur angedeutet worden. Man kann mit
Sicherheit behaupten, daß fast nur hierin das einige Jahre später sich geltend
machende Uebergewicht der genannten Provinzen gegen die andern mit ihnen
im Kampfe begriffenen Theile des Reiches zu suchen ist. Der Krieg in Italien
absorbirte den größten und besten Theil der Linientruppen des ganzen Reiches,
da die Feldbataillone nicht nur der meisten deutschen, sondern auch der meisten
ungarischen Regimenter unter Radetzky in brüderlicher Eintracht gegen den Feind
kämpften. Es befanden sich also in dem übrigen Theile des Reiches nur die
dritten, Reserve- und Landwehrbataillone und einige vollständige Regimenter.

Dank den verkehrten Maßregeln der kaiserlichen Regierung gelang es den
Ungarn, den größten Theil der ungarischen Truppen auf ihre Seite zu brin¬
gen. Die Kräfte waren somit auf beiden Seiten im gleichen Grade ungenü¬
gend, und man mußte an die Vermehrung derselben denken. Und hier waren
die Ungarn, wenigstens in Bezug auf das Fußvolk, gegen die deutschen und
slavischen Provinzen im entschiedenen Nachtheil. Die Oestreicher errichteten
vierte und fünfte Bataillone und zweite Landwehrbataillone, die Ungarn Hon-
vcdbataillone und verwandelten später auch die regulären Truppen in Honveds.
Aber während die Ungarn ihre Truppen nur mit Rekruten und ehemaligen,
aber seit langer Zeit entlassenen und darum der Disciplin entwöhnten Sol¬
daten ergänzen konnten, besaßen die Oestreicher in ihren Landwehrmännern eine
fast unversiegbare Quelle abgehärteter, wohlgeschulter Soldaten.

Radetzky sah sich für seine Bemühungen durch die wirklich ausgezeichneten
Leistungen seiner Truppen belohnt. Selbst die Grenzer und mehre italienische
Truppen waren unter seiner Leitung zu guten Soldaten herangebildet worden.
An der Spitze aber standen die Jäger, daher man noch während des Krieges
die Zahl derselben ansehnlich vermehrte. Die Grenadiere bewährten durch die
in ihren Reihen vorkommenden häufigen Erkrankungen und Marodirungen die
Wahrheit des Satzes, daß ein großgewachsener Mann nicht immer ein rüstiger
und ausdauernder Mann sein müsse. Auf Befehl des Feldherrn mußten die
Grenadiere ihre schweren Mützen ablegen, ihr Gepäck erleichtern und wurden nur
bei den letzten Reserven und als Festungsbesatzungen verwendet.

Auch in den übrigen Provinzen wurden die Grenadiere meistens in ihren
Garnisonen zurückbehalten -- nur einzelne Bataillone traten bei der Armee
in Ungarn auf und kamen überdem nur selten in Thätigkeit. In den Barri¬
kadenkämpfer mehrer Hauptstädte, wie in Lemberg, Prag und Mailand, wo
sie direct aus der Kaserne auf den Kampfplatz rückten, waren sie vermöge ihrer
Körperkraft und besseren Ausbildung allerdings furchtbare Gegner, doch spielten
dafür das östreichische Bataillon, welches sich bei dem Beginn des wiener
Octoberaufstandes gegen die eigenen Kameraden wendete, und eine Compagnie


erhöhte. Noch ist dieser Umstand von Keinem nach denMvollen Umfange
seines Einflusses hervorgehoben, ja nur angedeutet worden. Man kann mit
Sicherheit behaupten, daß fast nur hierin das einige Jahre später sich geltend
machende Uebergewicht der genannten Provinzen gegen die andern mit ihnen
im Kampfe begriffenen Theile des Reiches zu suchen ist. Der Krieg in Italien
absorbirte den größten und besten Theil der Linientruppen des ganzen Reiches,
da die Feldbataillone nicht nur der meisten deutschen, sondern auch der meisten
ungarischen Regimenter unter Radetzky in brüderlicher Eintracht gegen den Feind
kämpften. Es befanden sich also in dem übrigen Theile des Reiches nur die
dritten, Reserve- und Landwehrbataillone und einige vollständige Regimenter.

Dank den verkehrten Maßregeln der kaiserlichen Regierung gelang es den
Ungarn, den größten Theil der ungarischen Truppen auf ihre Seite zu brin¬
gen. Die Kräfte waren somit auf beiden Seiten im gleichen Grade ungenü¬
gend, und man mußte an die Vermehrung derselben denken. Und hier waren
die Ungarn, wenigstens in Bezug auf das Fußvolk, gegen die deutschen und
slavischen Provinzen im entschiedenen Nachtheil. Die Oestreicher errichteten
vierte und fünfte Bataillone und zweite Landwehrbataillone, die Ungarn Hon-
vcdbataillone und verwandelten später auch die regulären Truppen in Honveds.
Aber während die Ungarn ihre Truppen nur mit Rekruten und ehemaligen,
aber seit langer Zeit entlassenen und darum der Disciplin entwöhnten Sol¬
daten ergänzen konnten, besaßen die Oestreicher in ihren Landwehrmännern eine
fast unversiegbare Quelle abgehärteter, wohlgeschulter Soldaten.

Radetzky sah sich für seine Bemühungen durch die wirklich ausgezeichneten
Leistungen seiner Truppen belohnt. Selbst die Grenzer und mehre italienische
Truppen waren unter seiner Leitung zu guten Soldaten herangebildet worden.
An der Spitze aber standen die Jäger, daher man noch während des Krieges
die Zahl derselben ansehnlich vermehrte. Die Grenadiere bewährten durch die
in ihren Reihen vorkommenden häufigen Erkrankungen und Marodirungen die
Wahrheit des Satzes, daß ein großgewachsener Mann nicht immer ein rüstiger
und ausdauernder Mann sein müsse. Auf Befehl des Feldherrn mußten die
Grenadiere ihre schweren Mützen ablegen, ihr Gepäck erleichtern und wurden nur
bei den letzten Reserven und als Festungsbesatzungen verwendet.

Auch in den übrigen Provinzen wurden die Grenadiere meistens in ihren
Garnisonen zurückbehalten — nur einzelne Bataillone traten bei der Armee
in Ungarn auf und kamen überdem nur selten in Thätigkeit. In den Barri¬
kadenkämpfer mehrer Hauptstädte, wie in Lemberg, Prag und Mailand, wo
sie direct aus der Kaserne auf den Kampfplatz rückten, waren sie vermöge ihrer
Körperkraft und besseren Ausbildung allerdings furchtbare Gegner, doch spielten
dafür das östreichische Bataillon, welches sich bei dem Beginn des wiener
Octoberaufstandes gegen die eigenen Kameraden wendete, und eine Compagnie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/396>, abgerufen am 28.07.2024.