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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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ähnlicher zwei Organismen einander im reifen Zustande sind, desto länger dauert
diese Aehnlichkeit der.Entwickelungszustände; so bleibe der Embryo des Hundes
dem der Katze länger ähnlich als dem eines Vogels. Und wie, sagt er, steht
es nun mit dem Menschen? Entsteht er auf ganz aparte Weise, ist seine Ent¬
wickelung absolut verschieden von der des Hundes, Vogels, Frosches, Fisches?
Ohne Zweifel stehe in dieser Beziehung der Mensch dem Affen näher, als der
Affe dem Hund. Aber gerade in den Punkten, wodurch sich der menschliche
Embryo von dem des Hundes unterscheide, sei er dem des Affen ähnlich; so
daß erst in den letzten Entwickelungsstadien deutliche Unterschiede auftreten.
Wie erschreckend auch diese Behauptung erscheinen möge, sie läßt sich demon-
striren, und sie für sich allein scheine ihm hinreichend, die Einheit im Bau des
Menschen und der übrigen Thierwelt, vor Allem aber mit den Affen über allen
Zweifel zu erheben. "So, in den physikalischen Vorgängen, durch welche er
entsteht, -- in den früheren Stadien seiner Bildung -- in der Art seiner
Ernährung vor und nach der Geburt identisch mit den Thieren, welche unmit¬
telbar unter ihm stehen, -- bietet der Mensch, wenn sein vollendeter, reifer
Bau mit dem jener verglichen wird, eine wunderbare Aehnlichkeit der Organi¬
sation. Er ähnelt ihnen, wie von ihnen eines dem anderen ähnelt, er unter¬
scheidet sich von ihnen, so wie sie sich von einander unterscheiden." Im Ver¬
folg führt er den Gedanken aus, daß, welche Theile man auch in Vergleich
ziehen möge, jederzeit die Unterschiede zwischen der Organisation des Menschen
und der höchsten Affen geringer sind, als zwischen diesen und den niederen
Affen. Es gelte dies nicht nur im Allgemeinen, sondern auch speciell von dem
Gehirn. Im Bewußtsein des Widerstandes, den diese Thatsache bei Vielen
findet, sieht sich Huxley veranlaßt, noch besonders hervorzuheben, daß trotz dem
Allen die Unterschiede zwischen der Organisation des Menschen und der men¬
schenähnlichsten Affen keineswegs unbedeutend sind, obgleich sie geringer aus¬
fallen als die Differenzen zwischen den höchsten und niedrigsten Affen. "Aber,"
fährt er nun fort, "wenn der Mensch durch keine stärkere anatomische Schutz¬
wehr von den Thieren getrennt ist, als unter diesen eines vom anderen, dann
scheint doch zu folgen, daß wenn irgend ein natürlicher Vorgang (process cet
plrz^ieal eg.u8g.einen) entdeckt werden kann, durch welchen die Geschlechter und
Familien gewöhnlicher Thiere erzeugt wurden, dieser natürliche Vorgang auch
völlig hinreichend ist, um von dem Ursprung des Menschen Rechenschaft zu
geben." Für jetzt habe nur die Hypothese Darwins über die Entstehung der
Arten wissenschaftliche Existenz; er ist vollkommen einverstanden mit dem Prin¬
cip der natürlichen Auswahl, findet aber nur in der Unmöglichkeit der Kreu¬
zung verschiedener Species eine große Schwierigkeit für Darwins Theorie;
übrigens gibt er selbst noch zu, daß über die Kreuzung ohnehin wenig Sicheres
bekannt ist. Darwins Lehre sei mit keiner biologischen Thatsache unvereinbar,


ähnlicher zwei Organismen einander im reifen Zustande sind, desto länger dauert
diese Aehnlichkeit der.Entwickelungszustände; so bleibe der Embryo des Hundes
dem der Katze länger ähnlich als dem eines Vogels. Und wie, sagt er, steht
es nun mit dem Menschen? Entsteht er auf ganz aparte Weise, ist seine Ent¬
wickelung absolut verschieden von der des Hundes, Vogels, Frosches, Fisches?
Ohne Zweifel stehe in dieser Beziehung der Mensch dem Affen näher, als der
Affe dem Hund. Aber gerade in den Punkten, wodurch sich der menschliche
Embryo von dem des Hundes unterscheide, sei er dem des Affen ähnlich; so
daß erst in den letzten Entwickelungsstadien deutliche Unterschiede auftreten.
Wie erschreckend auch diese Behauptung erscheinen möge, sie läßt sich demon-
striren, und sie für sich allein scheine ihm hinreichend, die Einheit im Bau des
Menschen und der übrigen Thierwelt, vor Allem aber mit den Affen über allen
Zweifel zu erheben. „So, in den physikalischen Vorgängen, durch welche er
entsteht, — in den früheren Stadien seiner Bildung — in der Art seiner
Ernährung vor und nach der Geburt identisch mit den Thieren, welche unmit¬
telbar unter ihm stehen, — bietet der Mensch, wenn sein vollendeter, reifer
Bau mit dem jener verglichen wird, eine wunderbare Aehnlichkeit der Organi¬
sation. Er ähnelt ihnen, wie von ihnen eines dem anderen ähnelt, er unter¬
scheidet sich von ihnen, so wie sie sich von einander unterscheiden." Im Ver¬
folg führt er den Gedanken aus, daß, welche Theile man auch in Vergleich
ziehen möge, jederzeit die Unterschiede zwischen der Organisation des Menschen
und der höchsten Affen geringer sind, als zwischen diesen und den niederen
Affen. Es gelte dies nicht nur im Allgemeinen, sondern auch speciell von dem
Gehirn. Im Bewußtsein des Widerstandes, den diese Thatsache bei Vielen
findet, sieht sich Huxley veranlaßt, noch besonders hervorzuheben, daß trotz dem
Allen die Unterschiede zwischen der Organisation des Menschen und der men¬
schenähnlichsten Affen keineswegs unbedeutend sind, obgleich sie geringer aus¬
fallen als die Differenzen zwischen den höchsten und niedrigsten Affen. „Aber,"
fährt er nun fort, „wenn der Mensch durch keine stärkere anatomische Schutz¬
wehr von den Thieren getrennt ist, als unter diesen eines vom anderen, dann
scheint doch zu folgen, daß wenn irgend ein natürlicher Vorgang (process cet
plrz^ieal eg.u8g.einen) entdeckt werden kann, durch welchen die Geschlechter und
Familien gewöhnlicher Thiere erzeugt wurden, dieser natürliche Vorgang auch
völlig hinreichend ist, um von dem Ursprung des Menschen Rechenschaft zu
geben." Für jetzt habe nur die Hypothese Darwins über die Entstehung der
Arten wissenschaftliche Existenz; er ist vollkommen einverstanden mit dem Prin¬
cip der natürlichen Auswahl, findet aber nur in der Unmöglichkeit der Kreu¬
zung verschiedener Species eine große Schwierigkeit für Darwins Theorie;
übrigens gibt er selbst noch zu, daß über die Kreuzung ohnehin wenig Sicheres
bekannt ist. Darwins Lehre sei mit keiner biologischen Thatsache unvereinbar,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/360>, abgerufen am 28.07.2024.