Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.ten wurde. Ueberhaupt war die Theilnahme von dieser Seite nicht so lebhaft, ten wurde. Ueberhaupt war die Theilnahme von dieser Seite nicht so lebhaft, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0341" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115733"/> <p xml:id="ID_932" prev="#ID_931"> ten wurde. Ueberhaupt war die Theilnahme von dieser Seite nicht so lebhaft,<lb/> als man wohl von der Dankbarkeit der deutschen Industrie erwarten konnte.<lb/> Die Vertreter der außerwürtembergischen Industrie machten in der That noch<lb/> nicht ein halbes Dutzend voll. Auch hierbei war man versucht wieder jenen<lb/> richtigen Jnstinct vorauszusetzen, daß die Bedeutung Friedrich Lifts denn doch<lb/> zum mindesten eine zweischneidige sei, und er sich kaum mit gutem Gewissen<lb/> als Autorität zur Deckung der heutigen Protectionsbestrebungen gebrauchen<lb/> lasse. So trug denn das Fest überwiegend einen provinziellen Charakter, und<lb/> so genommen konnte es als ganz gelungen betrachtet werden. Die Vorberei¬<lb/> tungen des Comites, die Zurüstungen der Stadt ließen nichts zu wünschen<lb/> übrig, und das Beste hatte der Meister des Denkmals. Ihr trefflicher Lands¬<lb/> mann Kitz in Dresden, dazu gethan. Ein Norddeutscher hätte wohl das Fest<lb/> als vorwiegend „gemüthlich" bezeichnet; ja die Anwesenheit der edlen Töchter<lb/> Lifts, das Erscheinen älterer Anverwandten, die sich des „Herrn Vetters" noch<lb/> wohl erinnerten, das Auftauchen so mancher Jugenderinnerungen aus der Zeit,<lb/> da List noch in der Heimath verweilte, gaben ihm fast einen familiären Cha¬<lb/> rakter, Die Begeisterung eines nationalen Festes fehlte, trotz des Schwarz¬<lb/> rothgold, mit welchem die Straßen der einstigen Reichsstadt reichlich geschmückt<lb/> waren. Ein Freund aus London, der zufällig anwesend war, meinte: „Ihr<lb/> Fest ist ganz schön und würdig, aber wie fehlt doch das Brausen der Menge,<lb/> das bei uns in England unzertrennlich ist von einem solchen Tage! wie stumm<lb/> und nüchtern war der feierliche Zug, und wie wären zum Beispiel Lifts Fa¬<lb/> milie oder die Studenten in ihrer bunten Tracht beim Vorüberziehen vom eng¬<lb/> lischen Volk jubelnd begrüßt worden!" Er hatte Recht, der englische Freund,<lb/> mit seiner Kritik unsrer Feier, aber er hatte nicht Recht, wenn er meinte, wir<lb/> Deutsche wüßten keine Nationalfeste zu feiern. War es an diesem Tag nickt<lb/> möglich, die trübe Gegenwart zu vergessen, und schien ein jeder bemüht, das¬<lb/> jenige zurückzuhalten, was ihm am nächsten auf der Zunge lag, — wie denn<lb/> unsres Erinnerns bei den Trinksprüchen des Festmahls der Name des Zollver¬<lb/> eins kaum über die Lippen kam, — so wird, hoffen wir, eine nahe Zukunft<lb/> den Bann, der jetzt auf den Gemüthern lastet, wieder lösen, und in dem Maße,<lb/> in welchem der helle Erzschimmer des Standbilds erbleicht, wird dann das<lb/> Andenken Friedrich Lifts um so Heller und unentstcllter in der Nachwelt fort¬<lb/> leben, welche es kaum begreisen wird, daß man in unseren Tagen überhaupt<lb/> noch die Frage aufwerfen konnte, welchem List, ob dem Mann einer künstlichen<lb/> Theorie, oder dem Mann des freien Verkehrs, dieses eherne Denkmal errichtet<lb/> wurde. Irren wir nicht, so darf gerade die Physiognomie des Festes vom<lb/> 6. August nicht wenig mit Zuversicht erfüllen. Oder ist nicht schon dies ein<lb/> bedeutender Fortschritt, daß die Schutzzollpartei es nicht wagen konnte, diesen<lb/> T<note type="byline"> 7-</note> ag als ihr Fest zu feiern? </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0341]
ten wurde. Ueberhaupt war die Theilnahme von dieser Seite nicht so lebhaft,
als man wohl von der Dankbarkeit der deutschen Industrie erwarten konnte.
Die Vertreter der außerwürtembergischen Industrie machten in der That noch
nicht ein halbes Dutzend voll. Auch hierbei war man versucht wieder jenen
richtigen Jnstinct vorauszusetzen, daß die Bedeutung Friedrich Lifts denn doch
zum mindesten eine zweischneidige sei, und er sich kaum mit gutem Gewissen
als Autorität zur Deckung der heutigen Protectionsbestrebungen gebrauchen
lasse. So trug denn das Fest überwiegend einen provinziellen Charakter, und
so genommen konnte es als ganz gelungen betrachtet werden. Die Vorberei¬
tungen des Comites, die Zurüstungen der Stadt ließen nichts zu wünschen
übrig, und das Beste hatte der Meister des Denkmals. Ihr trefflicher Lands¬
mann Kitz in Dresden, dazu gethan. Ein Norddeutscher hätte wohl das Fest
als vorwiegend „gemüthlich" bezeichnet; ja die Anwesenheit der edlen Töchter
Lifts, das Erscheinen älterer Anverwandten, die sich des „Herrn Vetters" noch
wohl erinnerten, das Auftauchen so mancher Jugenderinnerungen aus der Zeit,
da List noch in der Heimath verweilte, gaben ihm fast einen familiären Cha¬
rakter, Die Begeisterung eines nationalen Festes fehlte, trotz des Schwarz¬
rothgold, mit welchem die Straßen der einstigen Reichsstadt reichlich geschmückt
waren. Ein Freund aus London, der zufällig anwesend war, meinte: „Ihr
Fest ist ganz schön und würdig, aber wie fehlt doch das Brausen der Menge,
das bei uns in England unzertrennlich ist von einem solchen Tage! wie stumm
und nüchtern war der feierliche Zug, und wie wären zum Beispiel Lifts Fa¬
milie oder die Studenten in ihrer bunten Tracht beim Vorüberziehen vom eng¬
lischen Volk jubelnd begrüßt worden!" Er hatte Recht, der englische Freund,
mit seiner Kritik unsrer Feier, aber er hatte nicht Recht, wenn er meinte, wir
Deutsche wüßten keine Nationalfeste zu feiern. War es an diesem Tag nickt
möglich, die trübe Gegenwart zu vergessen, und schien ein jeder bemüht, das¬
jenige zurückzuhalten, was ihm am nächsten auf der Zunge lag, — wie denn
unsres Erinnerns bei den Trinksprüchen des Festmahls der Name des Zollver¬
eins kaum über die Lippen kam, — so wird, hoffen wir, eine nahe Zukunft
den Bann, der jetzt auf den Gemüthern lastet, wieder lösen, und in dem Maße,
in welchem der helle Erzschimmer des Standbilds erbleicht, wird dann das
Andenken Friedrich Lifts um so Heller und unentstcllter in der Nachwelt fort¬
leben, welche es kaum begreisen wird, daß man in unseren Tagen überhaupt
noch die Frage aufwerfen konnte, welchem List, ob dem Mann einer künstlichen
Theorie, oder dem Mann des freien Verkehrs, dieses eherne Denkmal errichtet
wurde. Irren wir nicht, so darf gerade die Physiognomie des Festes vom
6. August nicht wenig mit Zuversicht erfüllen. Oder ist nicht schon dies ein
bedeutender Fortschritt, daß die Schutzzollpartei es nicht wagen konnte, diesen
T 7- ag als ihr Fest zu feiern?
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