Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.verflossen, seitdem alle deutschen Ufertaube die Reinen französischer Departe¬ Hatte List in seiner Schrift über das sächsische Eisenbahnsystem (1833) verflossen, seitdem alle deutschen Ufertaube die Reinen französischer Departe¬ Hatte List in seiner Schrift über das sächsische Eisenbahnsystem (1833) <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0338" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115730"/> <p xml:id="ID_926" prev="#ID_925"> verflossen, seitdem alle deutschen Ufertaube die Reinen französischer Departe¬<lb/> ments getragen, seit Deutschlands heiliger Strom dem unseligen Vasallenbund<lb/> eines fremden Eroberers den Namen gegeben, seit Deutschlands Söhne auf dem<lb/> heißen Sand des Süden, wie auf des Nordens Eisfeldern für fremden Ruhm<lb/> und fremde Herrschsucht ihr Blut verspritzt. Gegen die Wiederkehr solcher<lb/> Zeiten könne nur die Nationaleinheit schützen.</p><lb/> <p xml:id="ID_927" next="#ID_928"> Hatte List in seiner Schrift über das sächsische Eisenbahnsystem (1833)<lb/> alle nationalökonomischen Gründe für die Herstellung eines allgemeinen deutschen<lb/> Eisenbahnsystems ins Feld geführt, so war ihm wenige Jahre darauf die po¬<lb/> litische' Seite noch weit wichtiger als die nativnalöt'onomische oder finanzielle.<lb/> Er sah in der Herstellung von großen Nationallinien, die den Osten mit dem<lb/> Westen, den Norden mit dem Süden verbänden, ein Werk, das zur Befesti¬<lb/> gung der deutschen Nativnalintegrität und durch die Erhöhung der deutschen<lb/> Defensivkraft zugleich mächtig zur Erhaltung des europäischen Friedens bei¬<lb/> tragen müsse. Ganz besonders ist ihm aber nun der deutsche Zollverein der<lb/> Punkt, von dem aus die Frage der Nationaleinheit praktisch anzufassen sei.<lb/> Schon seinen Ursprung, sagt List, habe er nicht in den finanziellen Interessen<lb/> der einzelnen Staaten oder in sonstigen untergeordneten Rücksichten genommen,<lb/> sondern in dem erwachten Nationalgefühl der Deutschen. Und so ist ihm der<lb/> Zollverein noch weit mehr in moralischer und politischer, als in materieller<lb/> Beziehung ein Gut von unschätzbarem Werthe. Von ihm datire sich nicht<lb/> blos die Wiedergeburt des deutschen Unternehmungsgeistes, der Jahrhunderte<lb/> lang geschlafen, sondern auch die Theilnahme des deutschen Publicums an<lb/> alle» Nationalangclcgcnheitcn, und erst der Zollverein habe den Deutschen<lb/> die Nothwendigkeit und die Möglichkeit der politischen Ausbildung -und Eini¬<lb/> gung gelehrt; erst infolge des Zollvereins habe der deutsche Mittelstand und<lb/> der Stand der großen Grundbesitzer an der praktischen Politik Antheil ge¬<lb/> nommen. Sollte aber der Zollverein der Anfang und die Grundlage der<lb/> nationalen Einheit sein, so müßte er eine einheitliche politische Form, so müßte<lb/> er vor Allem parlamentarische Institutionen erhalten. Von hier aus führte<lb/> dann List seinen hartnäckigen Kampf gegdn die preußische Bureaukratie, wie er<lb/> seine öffentliche Laufbahn mit dem Kampf gegen die würtenbergische begonnen<lb/> hatte. Ihr schrieb er das langsame Reifen der Früchte der Zolleinigung, die<lb/> zweifelhaften Erfolge jeder Zollcvnferenz zu; und wenn sich auch in diese Op¬<lb/> position die Abneigung gegen die freihändlerischen Tendenzen mischte, in deren<lb/> Geruch die preußischen Staatsmänner standen, so ist es doch in der Regel der<lb/> große politische Gesichtspunkt, von welchem er die Forderung eines Zollparla¬<lb/> ments stellt, in welchem die verschiedenen Parteien und Interessen ihre natür¬<lb/> liche Ausgleichung finden müßten, und von welchem nur ein Schritt sei zu<lb/> einem deutschen Parlamente. Höchst bezeichnend und gerade heute der Erin-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0338]
verflossen, seitdem alle deutschen Ufertaube die Reinen französischer Departe¬
ments getragen, seit Deutschlands heiliger Strom dem unseligen Vasallenbund
eines fremden Eroberers den Namen gegeben, seit Deutschlands Söhne auf dem
heißen Sand des Süden, wie auf des Nordens Eisfeldern für fremden Ruhm
und fremde Herrschsucht ihr Blut verspritzt. Gegen die Wiederkehr solcher
Zeiten könne nur die Nationaleinheit schützen.
Hatte List in seiner Schrift über das sächsische Eisenbahnsystem (1833)
alle nationalökonomischen Gründe für die Herstellung eines allgemeinen deutschen
Eisenbahnsystems ins Feld geführt, so war ihm wenige Jahre darauf die po¬
litische' Seite noch weit wichtiger als die nativnalöt'onomische oder finanzielle.
Er sah in der Herstellung von großen Nationallinien, die den Osten mit dem
Westen, den Norden mit dem Süden verbänden, ein Werk, das zur Befesti¬
gung der deutschen Nativnalintegrität und durch die Erhöhung der deutschen
Defensivkraft zugleich mächtig zur Erhaltung des europäischen Friedens bei¬
tragen müsse. Ganz besonders ist ihm aber nun der deutsche Zollverein der
Punkt, von dem aus die Frage der Nationaleinheit praktisch anzufassen sei.
Schon seinen Ursprung, sagt List, habe er nicht in den finanziellen Interessen
der einzelnen Staaten oder in sonstigen untergeordneten Rücksichten genommen,
sondern in dem erwachten Nationalgefühl der Deutschen. Und so ist ihm der
Zollverein noch weit mehr in moralischer und politischer, als in materieller
Beziehung ein Gut von unschätzbarem Werthe. Von ihm datire sich nicht
blos die Wiedergeburt des deutschen Unternehmungsgeistes, der Jahrhunderte
lang geschlafen, sondern auch die Theilnahme des deutschen Publicums an
alle» Nationalangclcgcnheitcn, und erst der Zollverein habe den Deutschen
die Nothwendigkeit und die Möglichkeit der politischen Ausbildung -und Eini¬
gung gelehrt; erst infolge des Zollvereins habe der deutsche Mittelstand und
der Stand der großen Grundbesitzer an der praktischen Politik Antheil ge¬
nommen. Sollte aber der Zollverein der Anfang und die Grundlage der
nationalen Einheit sein, so müßte er eine einheitliche politische Form, so müßte
er vor Allem parlamentarische Institutionen erhalten. Von hier aus führte
dann List seinen hartnäckigen Kampf gegdn die preußische Bureaukratie, wie er
seine öffentliche Laufbahn mit dem Kampf gegen die würtenbergische begonnen
hatte. Ihr schrieb er das langsame Reifen der Früchte der Zolleinigung, die
zweifelhaften Erfolge jeder Zollcvnferenz zu; und wenn sich auch in diese Op¬
position die Abneigung gegen die freihändlerischen Tendenzen mischte, in deren
Geruch die preußischen Staatsmänner standen, so ist es doch in der Regel der
große politische Gesichtspunkt, von welchem er die Forderung eines Zollparla¬
ments stellt, in welchem die verschiedenen Parteien und Interessen ihre natür¬
liche Ausgleichung finden müßten, und von welchem nur ein Schritt sei zu
einem deutschen Parlamente. Höchst bezeichnend und gerade heute der Erin-
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