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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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quemlichkeit und des Geschmackes Rechnung getragen, Aehnlich verhalten sich
die Organe der Thiere und Pflanzen, nur ist es hier bei den sehr verschiedenen
und vollkommenen Anpassungen nicht immer leicht, die gemeinsame Grundform
zu erkennen, und umgekehrt gibt es Fälle, wo diese deutlich hervortritt, dafür
aber die Anpassung an einen bestimmten Zweck nicht klar zu durchschauen ist.
Der Arm des Menschen enthält einen Oberarmknochen, zwei im Unterarm,
die an ihrem unteren Ende die Handwurzel tragen, an welche sich die Mittel¬
handknochen befestigen, welche den Phalangen zum Stützpunkt dienen. Alle
diese Knochenstücke find auf das innigste den verschiedenen, Bewegungen der
menschlichen oberen Extremität angepaßt. Der Vorderfuß des Hundes, des
Löwen, der für viel einfachere Kraftübungen bestimmt ist, zeigt uns aber den¬
selben inneren Plan; bei dem Rind, dem Pferd, wo sich der Gebrauch derselben
Extremität noch mehr vereinfacht und mit dem der menschlichen kaum mehr eine
Aehnlichkeit hat, findet sich dennoch im Ganzen dieselbe Eintheilung und gegen¬
seitige Lagerung der Theile, nur mehr vereinfacht. Nach derselben Grundform
ist der Vorderfuß des Maulwurfs, ein vollendetes Grabwerkzeug, aber auch das
Ruder des Walfisches und der Flügel eines Vogels gebaut; selbst in der Brust¬
flosse des Karpfen kann man eine ähnliche Eintheilung noch nachweisen. In
allen diesen Fällen ist die Extremität nach einem gemeinsamen Muster aus
ihren Theilen zusammengesetzt, aber diese Theile wechseln in Form und Zahl
und sind den denkbar verschiedensten Verrichtungen adaptirt. Schon der Sprach¬
gebrauch der vergleichenden Anatomie zeigt, daß ähnliche Verhältnisse in fast
allen übrigen Organen obwalten, da man die für die menschlichen Körpertheile
benutzten Benennungen ohne Bedenken auf die. entsprechenden der Säugethiere,
Vögel, Amphibien und Fische anwendet. Aber auch das Entgegengesetzte tritt
aus. Während wir soeben Organe von äußerst verschiedenem Gebrauch nach
gleichem Plane gebaut fanden, zeigt uns die Vergleichung eines Insekten- oder
Spinnen- oder Krebsfußes mit einem Säugethierfuße, daß bei ganz ähn¬
lichem Gebrauche des Organs sein Bauplan in beiden Fällen ein wesentlich
verschiedener sein kann. Der Fuß eines Laufkäfers ist gewiß ein ebenso vor¬
treffliches Bewegungsorgan aus trockenem Boden für ein dickleibiges Thier,
wie der einer Feldmaus, die neben jenem denselben Acker bewohnt. Aber es
wäre ein vergebliches Bemühen, in beiden eine übereinstimmende Lagerung der
Theile nachweisen zu wollen. Es wäre ebenso leicht, bei den Pflanzen Bei¬
spiele für unsere obige Behauptung zu finden. Die Kartoffelknolle ist ihrem
morphologischen Werthe nach ein Zweig, besser ein System von Zweigen, aber
wie äußerst verschieden ist sie in ihrer Bedeutung für den Haushalt dieser
Pflanze von den grünen oberirdischen Sprossen; dagegen sind die flachen Stamm¬
glieder mancher Cactus in ihrer Function den grünen Blättern anderer Pflan¬
zen gleichwerthig, aber sie sind von ihnen morphologisch wesentlich verschieden.


quemlichkeit und des Geschmackes Rechnung getragen, Aehnlich verhalten sich
die Organe der Thiere und Pflanzen, nur ist es hier bei den sehr verschiedenen
und vollkommenen Anpassungen nicht immer leicht, die gemeinsame Grundform
zu erkennen, und umgekehrt gibt es Fälle, wo diese deutlich hervortritt, dafür
aber die Anpassung an einen bestimmten Zweck nicht klar zu durchschauen ist.
Der Arm des Menschen enthält einen Oberarmknochen, zwei im Unterarm,
die an ihrem unteren Ende die Handwurzel tragen, an welche sich die Mittel¬
handknochen befestigen, welche den Phalangen zum Stützpunkt dienen. Alle
diese Knochenstücke find auf das innigste den verschiedenen, Bewegungen der
menschlichen oberen Extremität angepaßt. Der Vorderfuß des Hundes, des
Löwen, der für viel einfachere Kraftübungen bestimmt ist, zeigt uns aber den¬
selben inneren Plan; bei dem Rind, dem Pferd, wo sich der Gebrauch derselben
Extremität noch mehr vereinfacht und mit dem der menschlichen kaum mehr eine
Aehnlichkeit hat, findet sich dennoch im Ganzen dieselbe Eintheilung und gegen¬
seitige Lagerung der Theile, nur mehr vereinfacht. Nach derselben Grundform
ist der Vorderfuß des Maulwurfs, ein vollendetes Grabwerkzeug, aber auch das
Ruder des Walfisches und der Flügel eines Vogels gebaut; selbst in der Brust¬
flosse des Karpfen kann man eine ähnliche Eintheilung noch nachweisen. In
allen diesen Fällen ist die Extremität nach einem gemeinsamen Muster aus
ihren Theilen zusammengesetzt, aber diese Theile wechseln in Form und Zahl
und sind den denkbar verschiedensten Verrichtungen adaptirt. Schon der Sprach¬
gebrauch der vergleichenden Anatomie zeigt, daß ähnliche Verhältnisse in fast
allen übrigen Organen obwalten, da man die für die menschlichen Körpertheile
benutzten Benennungen ohne Bedenken auf die. entsprechenden der Säugethiere,
Vögel, Amphibien und Fische anwendet. Aber auch das Entgegengesetzte tritt
aus. Während wir soeben Organe von äußerst verschiedenem Gebrauch nach
gleichem Plane gebaut fanden, zeigt uns die Vergleichung eines Insekten- oder
Spinnen- oder Krebsfußes mit einem Säugethierfuße, daß bei ganz ähn¬
lichem Gebrauche des Organs sein Bauplan in beiden Fällen ein wesentlich
verschiedener sein kann. Der Fuß eines Laufkäfers ist gewiß ein ebenso vor¬
treffliches Bewegungsorgan aus trockenem Boden für ein dickleibiges Thier,
wie der einer Feldmaus, die neben jenem denselben Acker bewohnt. Aber es
wäre ein vergebliches Bemühen, in beiden eine übereinstimmende Lagerung der
Theile nachweisen zu wollen. Es wäre ebenso leicht, bei den Pflanzen Bei¬
spiele für unsere obige Behauptung zu finden. Die Kartoffelknolle ist ihrem
morphologischen Werthe nach ein Zweig, besser ein System von Zweigen, aber
wie äußerst verschieden ist sie in ihrer Bedeutung für den Haushalt dieser
Pflanze von den grünen oberirdischen Sprossen; dagegen sind die flachen Stamm¬
glieder mancher Cactus in ihrer Function den grünen Blättern anderer Pflan¬
zen gleichwerthig, aber sie sind von ihnen morphologisch wesentlich verschieden.


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[0303] quemlichkeit und des Geschmackes Rechnung getragen, Aehnlich verhalten sich die Organe der Thiere und Pflanzen, nur ist es hier bei den sehr verschiedenen und vollkommenen Anpassungen nicht immer leicht, die gemeinsame Grundform zu erkennen, und umgekehrt gibt es Fälle, wo diese deutlich hervortritt, dafür aber die Anpassung an einen bestimmten Zweck nicht klar zu durchschauen ist. Der Arm des Menschen enthält einen Oberarmknochen, zwei im Unterarm, die an ihrem unteren Ende die Handwurzel tragen, an welche sich die Mittel¬ handknochen befestigen, welche den Phalangen zum Stützpunkt dienen. Alle diese Knochenstücke find auf das innigste den verschiedenen, Bewegungen der menschlichen oberen Extremität angepaßt. Der Vorderfuß des Hundes, des Löwen, der für viel einfachere Kraftübungen bestimmt ist, zeigt uns aber den¬ selben inneren Plan; bei dem Rind, dem Pferd, wo sich der Gebrauch derselben Extremität noch mehr vereinfacht und mit dem der menschlichen kaum mehr eine Aehnlichkeit hat, findet sich dennoch im Ganzen dieselbe Eintheilung und gegen¬ seitige Lagerung der Theile, nur mehr vereinfacht. Nach derselben Grundform ist der Vorderfuß des Maulwurfs, ein vollendetes Grabwerkzeug, aber auch das Ruder des Walfisches und der Flügel eines Vogels gebaut; selbst in der Brust¬ flosse des Karpfen kann man eine ähnliche Eintheilung noch nachweisen. In allen diesen Fällen ist die Extremität nach einem gemeinsamen Muster aus ihren Theilen zusammengesetzt, aber diese Theile wechseln in Form und Zahl und sind den denkbar verschiedensten Verrichtungen adaptirt. Schon der Sprach¬ gebrauch der vergleichenden Anatomie zeigt, daß ähnliche Verhältnisse in fast allen übrigen Organen obwalten, da man die für die menschlichen Körpertheile benutzten Benennungen ohne Bedenken auf die. entsprechenden der Säugethiere, Vögel, Amphibien und Fische anwendet. Aber auch das Entgegengesetzte tritt aus. Während wir soeben Organe von äußerst verschiedenem Gebrauch nach gleichem Plane gebaut fanden, zeigt uns die Vergleichung eines Insekten- oder Spinnen- oder Krebsfußes mit einem Säugethierfuße, daß bei ganz ähn¬ lichem Gebrauche des Organs sein Bauplan in beiden Fällen ein wesentlich verschiedener sein kann. Der Fuß eines Laufkäfers ist gewiß ein ebenso vor¬ treffliches Bewegungsorgan aus trockenem Boden für ein dickleibiges Thier, wie der einer Feldmaus, die neben jenem denselben Acker bewohnt. Aber es wäre ein vergebliches Bemühen, in beiden eine übereinstimmende Lagerung der Theile nachweisen zu wollen. Es wäre ebenso leicht, bei den Pflanzen Bei¬ spiele für unsere obige Behauptung zu finden. Die Kartoffelknolle ist ihrem morphologischen Werthe nach ein Zweig, besser ein System von Zweigen, aber wie äußerst verschieden ist sie in ihrer Bedeutung für den Haushalt dieser Pflanze von den grünen oberirdischen Sprossen; dagegen sind die flachen Stamm¬ glieder mancher Cactus in ihrer Function den grünen Blättern anderer Pflan¬ zen gleichwerthig, aber sie sind von ihnen morphologisch wesentlich verschieden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/303>, abgerufen am 22.12.2024.