Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.getrieben worden, "die Fahne der Empörung gegen die Kirche Christi zu er¬ Ihm folgte Karl v. Zallinger, der sich als Landeshauptmann-Stellvertreter Am unangenehmsten fand sich der Fürstbischof von Brixen durch eine Be¬ 37*
getrieben worden, „die Fahne der Empörung gegen die Kirche Christi zu er¬ Ihm folgte Karl v. Zallinger, der sich als Landeshauptmann-Stellvertreter Am unangenehmsten fand sich der Fürstbischof von Brixen durch eine Be¬ 37*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0299" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115691"/> <p xml:id="ID_827" prev="#ID_826"> getrieben worden, „die Fahne der Empörung gegen die Kirche Christi zu er¬<lb/> heben", um ihn hätten sich „die verworfensten Menschen von ganz Europa"<lb/> geschaart, „der Schaden, den diese Gottlosen in der Welt anrichteten, sei mit<lb/> Worten nicht zu beschreiben." alle „Gotteslästerungen", welche die ärgsten Ketzer<lb/> und „andere ahnliche Ungeheuer" ausgestoßen, hätten Luther, Zwingli und<lb/> Calvin wiederholt. Sie galten ihm als „die Synagoge des Satans", als der<lb/> leibhaftige „Belial". —</p><lb/> <p xml:id="ID_828"> Ihm folgte Karl v. Zallinger, der sich als Landeshauptmann-Stellvertreter<lb/> Vor Allen berufen fühlte, die Einwendung des Barons v. Ingram vom „volks-<lb/> wirthschaftlichen Standpunkt" zu beleuchten. Ein „wiener Judenblatt" (die<lb/> Presse) habe den Journalisten Tirols den Vorwurf gemacht, daß sie dessen<lb/> materielles Interesse in der Protestantenfrage zu wenig hervorgehoben. Es<lb/> hätte damit wohl gemeint, wenn den Leuten durch den „Schacher" beim Ver¬<lb/> kauf von Gründen an Akatholiken ein Vortheil zuginge, würde „das Volk<lb/> den preußischen Thalern zu Liebe den unfruchtbaren Streit fallen lassen." Er<lb/> müsse es als „freche Lüge" brandmarken, daß die Begeisterung für die Glaubens¬<lb/> einheit nicht im gesammten tiroler Volk lebe. Wenigstens in der auch von<lb/> ihm vertretenen Gemeinde Gries stehe die weit überwiegende Mehrzahl ihrer<lb/> Mitglieder dafür unbedingt ein, ebenso fünfzig andere Gemeinden, von denen<lb/> nur eine einzige ihre Erklärung auf Schrauben gestellt, nur die Städter dächten<lb/> anders. Wer den Eifer bei den Processionen, bei „den Tausenden von vierzig-<lb/> stündigen Gebeten", die deshalb abgehalten würden, selbst betrachtet, müsse sich<lb/> von der ergreifenden Erhebung eines ganzen Volkes für dies sein schätzbarstes<lb/> Kleinod überzeugt halten. Er fürchte aber nicht einen Abfall zum Protestan¬<lb/> tismus, wiewohl dieser durch seine Lehren, „die der Genußsucht und dem Wohl¬<lb/> leben mehr zusagen," sehr gefährlich, wohl aber ein Erlahmen „der Glaubens¬<lb/> frische, den Uebergang zum Jndifferentismus". Am Ende verwahrte er sich<lb/> gegen den Vorwurf, als ob man dem Reichsrath ein Mißtrauensvotum gebe,<lb/> man anerkenne „seine Beredtsamkeit, seine Talente, seine Finanzmänner", nur<lb/> „daß wir unser höchstes Gut, die Neligionssache. nicht in die Hände des Reichs¬<lb/> raths legen, kann uns Niemand verargen. Denn wenn Dr. Mühlfeld mit dem<lb/> Religionsedict es wagt herauszukommen, muß er das Terrain gut gekannt<lb/> haben; hätte er es nicht gekannt, so würde er es nicht in solcher katholisch-<lb/> feindlichen Richtung verfaßt haben, und das berechtigt uns Alle zu fürchten."</p><lb/> <p xml:id="ID_829" next="#ID_830"> Am unangenehmsten fand sich der Fürstbischof von Brixen durch eine Be¬<lb/> merkung des Dr. v. Grebmer berührt, der ihn an seine eigenen Worte über<lb/> die Verwerflichkeit „unduldsamer Proscriptionsgesetze" erinnerte. Im November<lb/> 1848. nach seiner Rückkehr aus dem deutschen Parlament, hatte er sich nämlich<lb/> in den „katholischen Blättern aus Tirol" mit folgender Aeußerung vernehmen<lb/> lassen: „Ich kann nicht zugestehen, daß die Kirche als eine freie Institution</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 37*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0299]
getrieben worden, „die Fahne der Empörung gegen die Kirche Christi zu er¬
heben", um ihn hätten sich „die verworfensten Menschen von ganz Europa"
geschaart, „der Schaden, den diese Gottlosen in der Welt anrichteten, sei mit
Worten nicht zu beschreiben." alle „Gotteslästerungen", welche die ärgsten Ketzer
und „andere ahnliche Ungeheuer" ausgestoßen, hätten Luther, Zwingli und
Calvin wiederholt. Sie galten ihm als „die Synagoge des Satans", als der
leibhaftige „Belial". —
Ihm folgte Karl v. Zallinger, der sich als Landeshauptmann-Stellvertreter
Vor Allen berufen fühlte, die Einwendung des Barons v. Ingram vom „volks-
wirthschaftlichen Standpunkt" zu beleuchten. Ein „wiener Judenblatt" (die
Presse) habe den Journalisten Tirols den Vorwurf gemacht, daß sie dessen
materielles Interesse in der Protestantenfrage zu wenig hervorgehoben. Es
hätte damit wohl gemeint, wenn den Leuten durch den „Schacher" beim Ver¬
kauf von Gründen an Akatholiken ein Vortheil zuginge, würde „das Volk
den preußischen Thalern zu Liebe den unfruchtbaren Streit fallen lassen." Er
müsse es als „freche Lüge" brandmarken, daß die Begeisterung für die Glaubens¬
einheit nicht im gesammten tiroler Volk lebe. Wenigstens in der auch von
ihm vertretenen Gemeinde Gries stehe die weit überwiegende Mehrzahl ihrer
Mitglieder dafür unbedingt ein, ebenso fünfzig andere Gemeinden, von denen
nur eine einzige ihre Erklärung auf Schrauben gestellt, nur die Städter dächten
anders. Wer den Eifer bei den Processionen, bei „den Tausenden von vierzig-
stündigen Gebeten", die deshalb abgehalten würden, selbst betrachtet, müsse sich
von der ergreifenden Erhebung eines ganzen Volkes für dies sein schätzbarstes
Kleinod überzeugt halten. Er fürchte aber nicht einen Abfall zum Protestan¬
tismus, wiewohl dieser durch seine Lehren, „die der Genußsucht und dem Wohl¬
leben mehr zusagen," sehr gefährlich, wohl aber ein Erlahmen „der Glaubens¬
frische, den Uebergang zum Jndifferentismus". Am Ende verwahrte er sich
gegen den Vorwurf, als ob man dem Reichsrath ein Mißtrauensvotum gebe,
man anerkenne „seine Beredtsamkeit, seine Talente, seine Finanzmänner", nur
„daß wir unser höchstes Gut, die Neligionssache. nicht in die Hände des Reichs¬
raths legen, kann uns Niemand verargen. Denn wenn Dr. Mühlfeld mit dem
Religionsedict es wagt herauszukommen, muß er das Terrain gut gekannt
haben; hätte er es nicht gekannt, so würde er es nicht in solcher katholisch-
feindlichen Richtung verfaßt haben, und das berechtigt uns Alle zu fürchten."
Am unangenehmsten fand sich der Fürstbischof von Brixen durch eine Be¬
merkung des Dr. v. Grebmer berührt, der ihn an seine eigenen Worte über
die Verwerflichkeit „unduldsamer Proscriptionsgesetze" erinnerte. Im November
1848. nach seiner Rückkehr aus dem deutschen Parlament, hatte er sich nämlich
in den „katholischen Blättern aus Tirol" mit folgender Aeußerung vernehmen
lassen: „Ich kann nicht zugestehen, daß die Kirche als eine freie Institution
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