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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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war nach der Rechtsanschauung unseres Oberstaatsanwaltes für Oesterreich gar
nicht verbindlich, seine Regenten hatten sich schon beim westphälischen Frieden
freie Hand behalten, ob sie andere Religionsverwandte dulden wollten; durch
den Bundesbeschluß vom 9. Juni 1853 in der kettenburgischen Angelegenheit
sei dies neuerdings anerkannt und insbesondere ausgesprochen worden, freie Reli-
gionsübung müsse nur dort gestattet werden, wo kirchliche Anstalten bestehen. Daß
das Hofdecret vom 14. April 1825 den Unterthanen anderer deutscher Bundesstaaten
auf Grund der Bundesacte den Erwerb von Liegenschaften in den deutschöstrei¬
chischen Ländern "ohne alle Erschwerung" gestatte, wurde mit Stillschweigen über¬
gangen. Um endlich die neuerliche Umgehung des Reichsraths, der den Landtags¬
abschied vom 13. Juni 1861 mit Beifall begrüßt, und die Bitte um unmittelbare
Entscheidung des Kaisers zu rechtfertigen, bezog sich der Berichterstatter darauf, daß
dieser das Protcstantenpatent "als oberster Schutzherr der protestantischenKirche aus
eigener Machtvollkommenheit" erlassen, und der Zustimmung des Reichsraths
nur Gegenstände des Staatshaushaltes zugewiesen seien. Dessen Mitwirkung
bei anderen allgemeinen Angelegenheiten, die auf das Wohl des Landes ein¬
fließen, fand er durch den dem Landtag gestatteten Beirath diesem allein
vorbehalten. Geistreich kann man diese Wendung kaum nennen; denn sie süßt
nicht im Gesetze, sondern schiebt es lediglich bei Seite. Zur Abschreckung vor
der durch den Protestantismus kommenden Verderbniß malte er noch die
schlimmen Folgen aus, die der "freien Forschung" auf dem Fuße nachgehen.
Die Nichtkatholiken verzweigten sich schon in 260 Sekten und hätten 21 ver¬
schiedene Auslegungen der Worte Christi: "Dies ist mein Leib". Die letzte
Volkszählung in Frankfurt a. M, hätte 2000 Menschen ergeben, die ohne alle
und jede Religion. Der Unglaube sei nur ein Vorbote der Rebellion, nicht
blos "des Sturzes der Altäre, sondern auch des Throns". Mazzini habe ver¬
kündet: "Keine Könige, keine Päpste mehr, das Volk ist Gott." Die Presse
der "Literaturjuden, Freimaurer, Neugothaer und glaubenslosen Professoren"
habe nun die Sendung übernommen, den Katholicismus anzufeinden, ihm In¬
toleranz, Fanatismus, Finsterniß vorzuwerfen, das tiroler Volk mit Hohn und
Ingrimm anzugreifen. Was es aber mit der Duldsamkeit, worauf sich die
Protestanten berufen, auf sich habe, zeigten England, Schweden und mehre
deutsche Länder, namentlich auch Sachsen, das aus lauter "Gespensterfurcht" die
harmlosen Jesuiten und andere Orden ausschließe. Seine eigene Toleranz ver¬
stieg sich so weit, daß er sich rühmte, gegen den protestantischen Friedhof in
Meran blos deshalb keinen Antrag gestellt zu haben, weil ihn der XXXIV. Ar¬
tikel des Concordats gestatte. Am liebsten wäre er wohl auf den Liberalismus
der spanischen Gesetze eingegangen, die den Abfall vom wahren Glauben mit
4--12 Jahren Kerker bestrafen. Am Ende stützte er sich noch auf den Volks¬
willen, der sich im Jubel über den Landtagsbeschluß vom 17. April 1861,


Grenzboten III. 1863. 37

war nach der Rechtsanschauung unseres Oberstaatsanwaltes für Oesterreich gar
nicht verbindlich, seine Regenten hatten sich schon beim westphälischen Frieden
freie Hand behalten, ob sie andere Religionsverwandte dulden wollten; durch
den Bundesbeschluß vom 9. Juni 1853 in der kettenburgischen Angelegenheit
sei dies neuerdings anerkannt und insbesondere ausgesprochen worden, freie Reli-
gionsübung müsse nur dort gestattet werden, wo kirchliche Anstalten bestehen. Daß
das Hofdecret vom 14. April 1825 den Unterthanen anderer deutscher Bundesstaaten
auf Grund der Bundesacte den Erwerb von Liegenschaften in den deutschöstrei¬
chischen Ländern „ohne alle Erschwerung" gestatte, wurde mit Stillschweigen über¬
gangen. Um endlich die neuerliche Umgehung des Reichsraths, der den Landtags¬
abschied vom 13. Juni 1861 mit Beifall begrüßt, und die Bitte um unmittelbare
Entscheidung des Kaisers zu rechtfertigen, bezog sich der Berichterstatter darauf, daß
dieser das Protcstantenpatent „als oberster Schutzherr der protestantischenKirche aus
eigener Machtvollkommenheit" erlassen, und der Zustimmung des Reichsraths
nur Gegenstände des Staatshaushaltes zugewiesen seien. Dessen Mitwirkung
bei anderen allgemeinen Angelegenheiten, die auf das Wohl des Landes ein¬
fließen, fand er durch den dem Landtag gestatteten Beirath diesem allein
vorbehalten. Geistreich kann man diese Wendung kaum nennen; denn sie süßt
nicht im Gesetze, sondern schiebt es lediglich bei Seite. Zur Abschreckung vor
der durch den Protestantismus kommenden Verderbniß malte er noch die
schlimmen Folgen aus, die der „freien Forschung" auf dem Fuße nachgehen.
Die Nichtkatholiken verzweigten sich schon in 260 Sekten und hätten 21 ver¬
schiedene Auslegungen der Worte Christi: „Dies ist mein Leib". Die letzte
Volkszählung in Frankfurt a. M, hätte 2000 Menschen ergeben, die ohne alle
und jede Religion. Der Unglaube sei nur ein Vorbote der Rebellion, nicht
blos „des Sturzes der Altäre, sondern auch des Throns". Mazzini habe ver¬
kündet: „Keine Könige, keine Päpste mehr, das Volk ist Gott." Die Presse
der „Literaturjuden, Freimaurer, Neugothaer und glaubenslosen Professoren"
habe nun die Sendung übernommen, den Katholicismus anzufeinden, ihm In¬
toleranz, Fanatismus, Finsterniß vorzuwerfen, das tiroler Volk mit Hohn und
Ingrimm anzugreifen. Was es aber mit der Duldsamkeit, worauf sich die
Protestanten berufen, auf sich habe, zeigten England, Schweden und mehre
deutsche Länder, namentlich auch Sachsen, das aus lauter „Gespensterfurcht" die
harmlosen Jesuiten und andere Orden ausschließe. Seine eigene Toleranz ver¬
stieg sich so weit, daß er sich rühmte, gegen den protestantischen Friedhof in
Meran blos deshalb keinen Antrag gestellt zu haben, weil ihn der XXXIV. Ar¬
tikel des Concordats gestatte. Am liebsten wäre er wohl auf den Liberalismus
der spanischen Gesetze eingegangen, die den Abfall vom wahren Glauben mit
4—12 Jahren Kerker bestrafen. Am Ende stützte er sich noch auf den Volks¬
willen, der sich im Jubel über den Landtagsbeschluß vom 17. April 1861,


Grenzboten III. 1863. 37
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/297>, abgerufen am 22.12.2024.