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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Bau von Werken begonnen, welche bestimmt sind, den Domstadtlheil zu iso-
liren und auch die Höhe von Se. Adalbert zu sichern.

Im Jahre 1828 hat der Bau der Festungswerke nach den Plänen des
Jngenieurgeneral v. Brese begonnen; viele Millionen sind hineingesteckt wor¬
den, und es werden noch Decennien vergehen, bevor er in seiner Vollendung
dasteht. Berge sind geschaffen oder geebnet, Thäler gefüllt oder ausgegraben,
ganze Dorfschaften verpflanzt worden; auf dem Raume des Kronwerks lag das
Dorf Winiary, dessen Kirchenstätte auf der Esplanade durch ein Kreuz bezeich¬
net ist, und dessen Name dem General Brese nächst dem Adelstitel zugetheilt
worden ist. Es ist ein zweites Sebastopvl erstanden, das hoffentlich sich in
gleicher Weise bewähren wird. Aber der Bau ist in einem Zeitraum aus¬
geführt worden, in welchem die Artillcricwissenschaft in einem Entwickelungs¬
proceß sich befand, der die Zerstörungsmittel unglaublich erhöht und alle alten
Besestigungssystcme über den Haufen geworfen hat; es ist zweifelhaft, ob die
Bauten von 1828 den Mvnstregeschützen der Gegenwart und Zukunft ent¬
sprechen werden, namentlich ob freistehendes Mauerwerk, wenn auch noch so
solid gebaut, den nöthigen Widerstand leisten kann, selbst wenn man dasselbe
mit jenen gewaltigen Eisenplatten belegt, welche jetzt in England angewendet
werden, um die Schiffswände kugelfest zu machen. Unter allen Umständen
wird Posen als ein Stapelplatz für die ungeheuren Kriegsvorrälhe, welche eine
gegen den Osten openrende Armee braucht, als ein Stützpunkt, wo sie im
Unglücksfalle eine gesicherte Zuflucht findet, von hoher militärischer Bedeutung
sein. Die ungeheuren Kosten, welche der preußische Staat aufgewendet hat,
um durch den Bau der Festung seine und Deutschlands Grenzen gegen den
Osten hin zu schützen, mögen zunächst dem Polen die Ueberzeugung geben,
daß der Staat entschlossen ist, auch nicht einen Schritt von diesen Grenzen zu¬
rückzuweichen.

Schritt vor Schritt, stetig, gründlich und unermüdlich schreitet der Deutsche
nach Osten hin vor. Germanisationspläne der Regierung, Widerstand der pol¬
nischen Bevölkerung vermögen seinen Weg weder wesentlich zu beschleunigen
noch zu verzögern. Der polnischen Nation fehlt der nothwendigste Factor zur
staatlichen Existenz: der Bürgerstand. Auf den leeren Platz schiebt sich seit
Jahrhunderten der Deutsche mit seinem Fleiß und seiner Gewissenhaftigkeit
hinein, die schwachen Versuche polnischer Concurrenz sehr bald überwindend.
Der Jude hat schon längst den Handel in Händen, häuft Capital auf Capital
und arbeitet durch dasselbe und durch den Wucher, der leider in der Provinz
in größesten Umfange und mit voller Schamlosigkeit betrieben wird, auf den
Ruin des polnischen Gutsbesitzers los. Liederliche, unordentliche Wirthschaft,
Unreellität in Erfüllung eingegangener Verpflichtungen, maßloser Luxus, Spiel:c.
treiben den Gutsbesitzer in Schulden; der Jude findet sich bereitwillig mit


Bau von Werken begonnen, welche bestimmt sind, den Domstadtlheil zu iso-
liren und auch die Höhe von Se. Adalbert zu sichern.

Im Jahre 1828 hat der Bau der Festungswerke nach den Plänen des
Jngenieurgeneral v. Brese begonnen; viele Millionen sind hineingesteckt wor¬
den, und es werden noch Decennien vergehen, bevor er in seiner Vollendung
dasteht. Berge sind geschaffen oder geebnet, Thäler gefüllt oder ausgegraben,
ganze Dorfschaften verpflanzt worden; auf dem Raume des Kronwerks lag das
Dorf Winiary, dessen Kirchenstätte auf der Esplanade durch ein Kreuz bezeich¬
net ist, und dessen Name dem General Brese nächst dem Adelstitel zugetheilt
worden ist. Es ist ein zweites Sebastopvl erstanden, das hoffentlich sich in
gleicher Weise bewähren wird. Aber der Bau ist in einem Zeitraum aus¬
geführt worden, in welchem die Artillcricwissenschaft in einem Entwickelungs¬
proceß sich befand, der die Zerstörungsmittel unglaublich erhöht und alle alten
Besestigungssystcme über den Haufen geworfen hat; es ist zweifelhaft, ob die
Bauten von 1828 den Mvnstregeschützen der Gegenwart und Zukunft ent¬
sprechen werden, namentlich ob freistehendes Mauerwerk, wenn auch noch so
solid gebaut, den nöthigen Widerstand leisten kann, selbst wenn man dasselbe
mit jenen gewaltigen Eisenplatten belegt, welche jetzt in England angewendet
werden, um die Schiffswände kugelfest zu machen. Unter allen Umständen
wird Posen als ein Stapelplatz für die ungeheuren Kriegsvorrälhe, welche eine
gegen den Osten openrende Armee braucht, als ein Stützpunkt, wo sie im
Unglücksfalle eine gesicherte Zuflucht findet, von hoher militärischer Bedeutung
sein. Die ungeheuren Kosten, welche der preußische Staat aufgewendet hat,
um durch den Bau der Festung seine und Deutschlands Grenzen gegen den
Osten hin zu schützen, mögen zunächst dem Polen die Ueberzeugung geben,
daß der Staat entschlossen ist, auch nicht einen Schritt von diesen Grenzen zu¬
rückzuweichen.

Schritt vor Schritt, stetig, gründlich und unermüdlich schreitet der Deutsche
nach Osten hin vor. Germanisationspläne der Regierung, Widerstand der pol¬
nischen Bevölkerung vermögen seinen Weg weder wesentlich zu beschleunigen
noch zu verzögern. Der polnischen Nation fehlt der nothwendigste Factor zur
staatlichen Existenz: der Bürgerstand. Auf den leeren Platz schiebt sich seit
Jahrhunderten der Deutsche mit seinem Fleiß und seiner Gewissenhaftigkeit
hinein, die schwachen Versuche polnischer Concurrenz sehr bald überwindend.
Der Jude hat schon längst den Handel in Händen, häuft Capital auf Capital
und arbeitet durch dasselbe und durch den Wucher, der leider in der Provinz
in größesten Umfange und mit voller Schamlosigkeit betrieben wird, auf den
Ruin des polnischen Gutsbesitzers los. Liederliche, unordentliche Wirthschaft,
Unreellität in Erfüllung eingegangener Verpflichtungen, maßloser Luxus, Spiel:c.
treiben den Gutsbesitzer in Schulden; der Jude findet sich bereitwillig mit


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[0269] Bau von Werken begonnen, welche bestimmt sind, den Domstadtlheil zu iso- liren und auch die Höhe von Se. Adalbert zu sichern. Im Jahre 1828 hat der Bau der Festungswerke nach den Plänen des Jngenieurgeneral v. Brese begonnen; viele Millionen sind hineingesteckt wor¬ den, und es werden noch Decennien vergehen, bevor er in seiner Vollendung dasteht. Berge sind geschaffen oder geebnet, Thäler gefüllt oder ausgegraben, ganze Dorfschaften verpflanzt worden; auf dem Raume des Kronwerks lag das Dorf Winiary, dessen Kirchenstätte auf der Esplanade durch ein Kreuz bezeich¬ net ist, und dessen Name dem General Brese nächst dem Adelstitel zugetheilt worden ist. Es ist ein zweites Sebastopvl erstanden, das hoffentlich sich in gleicher Weise bewähren wird. Aber der Bau ist in einem Zeitraum aus¬ geführt worden, in welchem die Artillcricwissenschaft in einem Entwickelungs¬ proceß sich befand, der die Zerstörungsmittel unglaublich erhöht und alle alten Besestigungssystcme über den Haufen geworfen hat; es ist zweifelhaft, ob die Bauten von 1828 den Mvnstregeschützen der Gegenwart und Zukunft ent¬ sprechen werden, namentlich ob freistehendes Mauerwerk, wenn auch noch so solid gebaut, den nöthigen Widerstand leisten kann, selbst wenn man dasselbe mit jenen gewaltigen Eisenplatten belegt, welche jetzt in England angewendet werden, um die Schiffswände kugelfest zu machen. Unter allen Umständen wird Posen als ein Stapelplatz für die ungeheuren Kriegsvorrälhe, welche eine gegen den Osten openrende Armee braucht, als ein Stützpunkt, wo sie im Unglücksfalle eine gesicherte Zuflucht findet, von hoher militärischer Bedeutung sein. Die ungeheuren Kosten, welche der preußische Staat aufgewendet hat, um durch den Bau der Festung seine und Deutschlands Grenzen gegen den Osten hin zu schützen, mögen zunächst dem Polen die Ueberzeugung geben, daß der Staat entschlossen ist, auch nicht einen Schritt von diesen Grenzen zu¬ rückzuweichen. Schritt vor Schritt, stetig, gründlich und unermüdlich schreitet der Deutsche nach Osten hin vor. Germanisationspläne der Regierung, Widerstand der pol¬ nischen Bevölkerung vermögen seinen Weg weder wesentlich zu beschleunigen noch zu verzögern. Der polnischen Nation fehlt der nothwendigste Factor zur staatlichen Existenz: der Bürgerstand. Auf den leeren Platz schiebt sich seit Jahrhunderten der Deutsche mit seinem Fleiß und seiner Gewissenhaftigkeit hinein, die schwachen Versuche polnischer Concurrenz sehr bald überwindend. Der Jude hat schon längst den Handel in Händen, häuft Capital auf Capital und arbeitet durch dasselbe und durch den Wucher, der leider in der Provinz in größesten Umfange und mit voller Schamlosigkeit betrieben wird, auf den Ruin des polnischen Gutsbesitzers los. Liederliche, unordentliche Wirthschaft, Unreellität in Erfüllung eingegangener Verpflichtungen, maßloser Luxus, Spiel:c. treiben den Gutsbesitzer in Schulden; der Jude findet sich bereitwillig mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/269>, abgerufen am 28.07.2024.