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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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große Kunde von den Llaneros, wie sie aus schnaubenden ungesatteltem Rossen
durch die glühende Steppe den Spanier verfolgen! Wunderbares Volk, etwas
wild freilich, sozusagen bestialisch, aber unzweifelhaft romantisch und Gott Lob
in angemessener räumlicher Entfernung von dem stillen Frieden des königlich
sächsischen Zeitungslesers! Und dann diese Stierkämpfer von Madrid in ihren
malerischen Trachten! Sie brülle" der katholischen Majestät ins Angesicht ihr
wildes Hohnlicd: er-rMlg. xsri-o! Abergläubisch und unsauber sind sie, ohne
Zweifel, auch bleibt es bei ihrer Unerfahrenheit in. den Geheimkünsten des Le¬
sens und Schreibens einigermaßen fraglich, ob sie ein entscheidendes Urtheil
haben über ihre vergötterte Charte von 1812. Aber romantisch sind auch sie!
Nun gar Neapel! Wie lange haben wir die Lazzaroni für Barbaren gehalten,
und jetzt schwebt in das süße Nichtsthun am Golfe von Neapel mittenhinein
die Göttin der Freiheit selber! Diese schlichten Naturkinder erobern sich in
ihrer erhabenen Einfalt die freieste Verfassung von Europa! "Dafür konnte
man doch schwärmen", sagte mir ein Mann, dessen Jugend in jene Tage siel.

Und auch der Unverbesserliche, der seine staatsbürgerliche Ordnungsliebe
unversehrt bewahrt hatte trotz aller revolutionären Romantik aus Peru, Spa¬
nien, Neapel, auch er ward endlich von dem revolutionären Fieber ergriffen,
als die Griechen sich erhoben und neben der romantischen auch die classische
Schwärmerei des ästhetischen Volks herausforderten. Wer in den Träumen der
Völkerfreiheit sich wiegte und wer einen neuen Kreuzzug Wider die Ungläubigen
herbeisehnte, die ernsten Gelehrten, die über Elision und Krasis grübelten, und
die begeisterte Jugend, der die Seele weit ward bei den Namen Marathon und
Platäa, sie Alle sangen jetzt mit dem Dichter:


ok tds tdreo Krmclreä Zrarit but inree
to malo g, usw l^ikrmopz'Jas!

Und war er nicht erschienen. der Tag der neuen Thermopylen, als Diakos
mit seinem kleinen Haufen abermale den Engpaß vertheidigte und ein hoffnungs¬
reiches Dichterwort auf den Lippen, von den Türken sich zum Tode führen
ließ? -- Wohl reizt es das Lächeln der Söhne, dies Geschlecht unsrer Väter,
das für den Mordbrand der Creolen,' für die Soldatenmeutereien der Romanen
und für die mehr als zweideutige Erhebung eines Barbarenvvlks im Osten
größere Theilnahme hegte als für das Elend seines eignen Staats. Doch
auch aus den Irrgänger, unsres Volks blickt überall seine große Seele he vor.
Es bewährte, sich in jener unreifen weltbürgerlichen Begeisterung der selbstlose
menschenfreundliche Sinn, der dem Volke der Humanität geziemte, es offen¬
barte sich darin die natürliche Sehnsucht des Volks nach einer weiten freien
Bühne für die politische Thatkraft, welche die dürftige Kleinstaaterei der Hei¬
math ihm versagte. Durch jene Revolutionen, wie unsicher und verworren sie
waren, ist die Macht der heiligen Allianz innerlich gebrochen worden. Bis


Grenzboten III. 1S63. 3

große Kunde von den Llaneros, wie sie aus schnaubenden ungesatteltem Rossen
durch die glühende Steppe den Spanier verfolgen! Wunderbares Volk, etwas
wild freilich, sozusagen bestialisch, aber unzweifelhaft romantisch und Gott Lob
in angemessener räumlicher Entfernung von dem stillen Frieden des königlich
sächsischen Zeitungslesers! Und dann diese Stierkämpfer von Madrid in ihren
malerischen Trachten! Sie brülle» der katholischen Majestät ins Angesicht ihr
wildes Hohnlicd: er-rMlg. xsri-o! Abergläubisch und unsauber sind sie, ohne
Zweifel, auch bleibt es bei ihrer Unerfahrenheit in. den Geheimkünsten des Le¬
sens und Schreibens einigermaßen fraglich, ob sie ein entscheidendes Urtheil
haben über ihre vergötterte Charte von 1812. Aber romantisch sind auch sie!
Nun gar Neapel! Wie lange haben wir die Lazzaroni für Barbaren gehalten,
und jetzt schwebt in das süße Nichtsthun am Golfe von Neapel mittenhinein
die Göttin der Freiheit selber! Diese schlichten Naturkinder erobern sich in
ihrer erhabenen Einfalt die freieste Verfassung von Europa! „Dafür konnte
man doch schwärmen", sagte mir ein Mann, dessen Jugend in jene Tage siel.

Und auch der Unverbesserliche, der seine staatsbürgerliche Ordnungsliebe
unversehrt bewahrt hatte trotz aller revolutionären Romantik aus Peru, Spa¬
nien, Neapel, auch er ward endlich von dem revolutionären Fieber ergriffen,
als die Griechen sich erhoben und neben der romantischen auch die classische
Schwärmerei des ästhetischen Volks herausforderten. Wer in den Träumen der
Völkerfreiheit sich wiegte und wer einen neuen Kreuzzug Wider die Ungläubigen
herbeisehnte, die ernsten Gelehrten, die über Elision und Krasis grübelten, und
die begeisterte Jugend, der die Seele weit ward bei den Namen Marathon und
Platäa, sie Alle sangen jetzt mit dem Dichter:


ok tds tdreo Krmclreä Zrarit but inree
to malo g, usw l^ikrmopz'Jas!

Und war er nicht erschienen. der Tag der neuen Thermopylen, als Diakos
mit seinem kleinen Haufen abermale den Engpaß vertheidigte und ein hoffnungs¬
reiches Dichterwort auf den Lippen, von den Türken sich zum Tode führen
ließ? — Wohl reizt es das Lächeln der Söhne, dies Geschlecht unsrer Väter,
das für den Mordbrand der Creolen,' für die Soldatenmeutereien der Romanen
und für die mehr als zweideutige Erhebung eines Barbarenvvlks im Osten
größere Theilnahme hegte als für das Elend seines eignen Staats. Doch
auch aus den Irrgänger, unsres Volks blickt überall seine große Seele he vor.
Es bewährte, sich in jener unreifen weltbürgerlichen Begeisterung der selbstlose
menschenfreundliche Sinn, der dem Volke der Humanität geziemte, es offen¬
barte sich darin die natürliche Sehnsucht des Volks nach einer weiten freien
Bühne für die politische Thatkraft, welche die dürftige Kleinstaaterei der Hei¬
math ihm versagte. Durch jene Revolutionen, wie unsicher und verworren sie
waren, ist die Macht der heiligen Allianz innerlich gebrochen worden. Bis


Grenzboten III. 1S63. 3
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/25>, abgerufen am 22.12.2024.