Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.schwand Nowak in derselben Richtung. Das Gehen und Kommen war aber So weit ist die Geschichte gräßlich; aber es ist die Schuld eines Einzel¬ Als vor Wochen ein heinikehrender Insurgent die Warthe aufwärts zog Es sind jetzt vierzehn Tage her, und Santomysl ist noch ohne Garnison. Grenzboten III. 1S63.30
schwand Nowak in derselben Richtung. Das Gehen und Kommen war aber So weit ist die Geschichte gräßlich; aber es ist die Schuld eines Einzel¬ Als vor Wochen ein heinikehrender Insurgent die Warthe aufwärts zog Es sind jetzt vierzehn Tage her, und Santomysl ist noch ohne Garnison. Grenzboten III. 1S63.30
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0241" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115631"/> <p xml:id="ID_657" prev="#ID_656"> schwand Nowak in derselben Richtung. Das Gehen und Kommen war aber<lb/> in jenen Tagen in der Schenke, wie in der benachbarten Schmiede so lebhaft,<lb/> das Drohen so häusig geschehen und ohne Folgen geblieben, daß man ihn nicht<lb/> vermißte. Der kräftige Mann hatte ja auch das Kind schon oft gesehen; aber<lb/> freilich in Gemeinschaft anderer Kinder. Heute, wo er allein war, überfiel er<lb/> ihn und mißhandelte ihn zunächst mit tüchtigen Schlägen. Ein Versuch des<lb/> Erhängens wurde, wie es scheint, vergeblich gemacht; aber die Erdrosselung ge¬<lb/> schah ohne jede Schwierigkeit. Nachher hat der Nowak sein Opfer in aller<lb/> Seelenruhe beraubt, sich an dem Branntwein erlabt und den Imbiß dazu von<lb/> dem gestohlenen Gelde gekauft. Unterdessen war der unglückliche Knabe ver¬<lb/> mißt worden, und der Meuchelmörder wurde fast eir üagiÄut Mit ergriffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_658"> So weit ist die Geschichte gräßlich; aber es ist die Schuld eines Einzel¬<lb/> nen. Daß die Seelenmessen für Nyll und Rzonca. wie manche fromme Predigt<lb/> nicht ohne Einfluß auf solche Verirrung sind, läßt sich behaupten, aber auch<lb/> bestreiten. Entscheidend ist, was nun folgt, und dadurch eignete sich der Fall,<lb/> sobald er erst gerichtlich vollständig constatirt ist, zur Aufnahme in den neuen<lb/> Pitaval.</p><lb/> <p xml:id="ID_659"> Als vor Wochen ein heinikehrender Insurgent die Warthe aufwärts zog<lb/> und Mann für Mann vor der Betheiligung an dem Aufruhr warnte, ließ ihn<lb/> ein polnischer Edelmann — ich kann mit dem Namen dienen: es ist derselbe,<lb/> den nur sein kräftiger Schimmel aus dem Gefecht von Czesle bei Miloslaw<lb/> glücklich heimgetragen hat — aufgreifen und mit starker Escorte an die nächste<lb/> Polizeibehörde abliefern. Sie wissen also, die edeln Herren, was Form Rechtens<lb/> ist. Der politische Raubmörder Nowak wurde auf das Dominium Kokczynowo<lb/> gebracht: der Herr ließ ihn in den Pferdestall bringen und schickte dem nächsten<lb/> Polizeicunt nur eine Meldung, die sechs Stunden nach Ergreifung des Ver¬<lb/> brechers in dem kaum zwei Stunden entfernten Städtchen ankam. Als am<lb/> andern Morgen die Polizeibehörde in Kokczynowo erschien, fand sie den Stall<lb/> leer. Man hatte den Nowak entspringen lassen. Diejenigen, welche die an¬<lb/> dern Polen von dem Verdachte reinigen wollen, daß sie dem Mörder fort¬<lb/> geholfen hätten, müssen geradezu annehmen, der Stall in Kokczynowo sei ähn¬<lb/> lich gebaut wie der Thurm des Rhampsinit und Sins habe das Geheimniß<lb/> davon dem Koszynier Nowak Übermacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_660"> Es sind jetzt vierzehn Tage her, und Santomysl ist noch ohne Garnison.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1S63.30</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0241]
schwand Nowak in derselben Richtung. Das Gehen und Kommen war aber
in jenen Tagen in der Schenke, wie in der benachbarten Schmiede so lebhaft,
das Drohen so häusig geschehen und ohne Folgen geblieben, daß man ihn nicht
vermißte. Der kräftige Mann hatte ja auch das Kind schon oft gesehen; aber
freilich in Gemeinschaft anderer Kinder. Heute, wo er allein war, überfiel er
ihn und mißhandelte ihn zunächst mit tüchtigen Schlägen. Ein Versuch des
Erhängens wurde, wie es scheint, vergeblich gemacht; aber die Erdrosselung ge¬
schah ohne jede Schwierigkeit. Nachher hat der Nowak sein Opfer in aller
Seelenruhe beraubt, sich an dem Branntwein erlabt und den Imbiß dazu von
dem gestohlenen Gelde gekauft. Unterdessen war der unglückliche Knabe ver¬
mißt worden, und der Meuchelmörder wurde fast eir üagiÄut Mit ergriffen.
So weit ist die Geschichte gräßlich; aber es ist die Schuld eines Einzel¬
nen. Daß die Seelenmessen für Nyll und Rzonca. wie manche fromme Predigt
nicht ohne Einfluß auf solche Verirrung sind, läßt sich behaupten, aber auch
bestreiten. Entscheidend ist, was nun folgt, und dadurch eignete sich der Fall,
sobald er erst gerichtlich vollständig constatirt ist, zur Aufnahme in den neuen
Pitaval.
Als vor Wochen ein heinikehrender Insurgent die Warthe aufwärts zog
und Mann für Mann vor der Betheiligung an dem Aufruhr warnte, ließ ihn
ein polnischer Edelmann — ich kann mit dem Namen dienen: es ist derselbe,
den nur sein kräftiger Schimmel aus dem Gefecht von Czesle bei Miloslaw
glücklich heimgetragen hat — aufgreifen und mit starker Escorte an die nächste
Polizeibehörde abliefern. Sie wissen also, die edeln Herren, was Form Rechtens
ist. Der politische Raubmörder Nowak wurde auf das Dominium Kokczynowo
gebracht: der Herr ließ ihn in den Pferdestall bringen und schickte dem nächsten
Polizeicunt nur eine Meldung, die sechs Stunden nach Ergreifung des Ver¬
brechers in dem kaum zwei Stunden entfernten Städtchen ankam. Als am
andern Morgen die Polizeibehörde in Kokczynowo erschien, fand sie den Stall
leer. Man hatte den Nowak entspringen lassen. Diejenigen, welche die an¬
dern Polen von dem Verdachte reinigen wollen, daß sie dem Mörder fort¬
geholfen hätten, müssen geradezu annehmen, der Stall in Kokczynowo sei ähn¬
lich gebaut wie der Thurm des Rhampsinit und Sins habe das Geheimniß
davon dem Koszynier Nowak Übermacht.
Es sind jetzt vierzehn Tage her, und Santomysl ist noch ohne Garnison.
Grenzboten III. 1S63.30
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |