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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Auf dem Markt zählten wir deren nicht weniger als einundsechzig, auf der Hain¬
strabe zweiundfünfzig der größten, und ganz das gleiche Verhältniß herrschte auf
dem Brühl, in der grimmaischen, der Reichs- und der Nikolaistraße sowie an¬
dern Hauptgassen. Viele Häuser schmückten nur deutsche Fahnen, andere hatten
neben diesen, wie billig, den Farben der Stadt und denen der Turnerschaft eine
Stelle gegönnt. Die Fahne des "engeren Vaterlandes", so hübsch sie sich ma¬
lerisch neben der schwarzrothgoldenen ausnimmt, war nur sporadisch vertreten^
und dann mit seltenen Ausnahmen unter dieser oder zur Linken und in kleine¬
rem Format. Die Stadtbehörde war bei solcher Vertheilung in richtiger Beur¬
theilung des Wesens der Feier vorangegangen. Auf dem Rathhaus wie auf
anderen städtischen Gebäuden webten allenthalben deutsche Tricvlorcn in weit
überwiegender Zahl und allenthalben über Weiß und Grün und der blau und
gelben Fahne Leipzigs.

Wir möchten behaupten, daß nicht ein halbes Dutzend -Häuser waren, die
nur die sächsischen Farben für den angemessenen Schmuck angesehen hatten, und
kaum mehr als ein ganzes Dutzend, welche jene höher hielten als die deutschen.
Der eine und der andere Hoflieferant, der eine und der andere Beamte hatte
es nicht über sich vermocht, die revolutionäre Fahne anzuerkennen. Man nahm
es nicht übel; denn einmal war man in zu guter Stimmung, um sich durch
kleine Verdrießlichkeiten stören zu lassen, dann trug eine mäßige Beimischung
von Weiß und Grün zur Wirkung der Masse von Schwarz. Noth. Gold auf
das Auge nicht unwesentlich bei, und schließlich wird, wer derartige Ausnahms¬
fälle wahrzunehmen überhaupt Zeit und Lust fand, sich mit der Regel getröstet
haben, daß es auch solche Käuze geben muß. Das Pvstgebäude folgte, obwohl
königlich, dem von den Stadtbehörden aufgestellten Beispiel: große deutsche
Fahne, darunter rechts und links die sächsische und die leipziger. Die Univer¬
sität schien -- wir sagen schien, denn die hier aufgesteckten Fahnen gehörten
eher zu den kleinsten und dürftigsten ihres Geschlechts als zu den größten --
desgleichen zu thun. Das Bezirksgericht hatte sich, wenn wir nicht irren, mir
Weiß und Grün Genüge gethan. Die Expedition der Leipziger Zeitung da¬
gegen war nicht so unempfänglich für die eigentliche Bedeutung des Festes ge¬
wesen, wenn es ihr auch nicht gelungen war, ganz auf die Höhe des rechten
Standpunktes zu gelangen, was uns leid thut, da sie, wie behauptet wird,
Inspirationen von hochgestellten Personen empfängt und für noch höherstehende
vorzüglich schreiben soll. Ueber ihrer Ladenthür, die mit Eichenlaub umwunden
war. erhob sich eine große sächsische Fahne, darunter standen zwei kleinere weiß
und rothe und unter diesen wieder rechts in der Ecke die leipziger, links im
Winkel die deutsche Fahne. Wir erlauben uns -diese Anordnung folgender¬
maßen zu commentiren: das sächsische Vaterland über Alles, das Fest
für uns im Wesentlichen ein Turnfest, dasselbe findet in Leipzig statt,


Auf dem Markt zählten wir deren nicht weniger als einundsechzig, auf der Hain¬
strabe zweiundfünfzig der größten, und ganz das gleiche Verhältniß herrschte auf
dem Brühl, in der grimmaischen, der Reichs- und der Nikolaistraße sowie an¬
dern Hauptgassen. Viele Häuser schmückten nur deutsche Fahnen, andere hatten
neben diesen, wie billig, den Farben der Stadt und denen der Turnerschaft eine
Stelle gegönnt. Die Fahne des „engeren Vaterlandes", so hübsch sie sich ma¬
lerisch neben der schwarzrothgoldenen ausnimmt, war nur sporadisch vertreten^
und dann mit seltenen Ausnahmen unter dieser oder zur Linken und in kleine¬
rem Format. Die Stadtbehörde war bei solcher Vertheilung in richtiger Beur¬
theilung des Wesens der Feier vorangegangen. Auf dem Rathhaus wie auf
anderen städtischen Gebäuden webten allenthalben deutsche Tricvlorcn in weit
überwiegender Zahl und allenthalben über Weiß und Grün und der blau und
gelben Fahne Leipzigs.

Wir möchten behaupten, daß nicht ein halbes Dutzend -Häuser waren, die
nur die sächsischen Farben für den angemessenen Schmuck angesehen hatten, und
kaum mehr als ein ganzes Dutzend, welche jene höher hielten als die deutschen.
Der eine und der andere Hoflieferant, der eine und der andere Beamte hatte
es nicht über sich vermocht, die revolutionäre Fahne anzuerkennen. Man nahm
es nicht übel; denn einmal war man in zu guter Stimmung, um sich durch
kleine Verdrießlichkeiten stören zu lassen, dann trug eine mäßige Beimischung
von Weiß und Grün zur Wirkung der Masse von Schwarz. Noth. Gold auf
das Auge nicht unwesentlich bei, und schließlich wird, wer derartige Ausnahms¬
fälle wahrzunehmen überhaupt Zeit und Lust fand, sich mit der Regel getröstet
haben, daß es auch solche Käuze geben muß. Das Pvstgebäude folgte, obwohl
königlich, dem von den Stadtbehörden aufgestellten Beispiel: große deutsche
Fahne, darunter rechts und links die sächsische und die leipziger. Die Univer¬
sität schien — wir sagen schien, denn die hier aufgesteckten Fahnen gehörten
eher zu den kleinsten und dürftigsten ihres Geschlechts als zu den größten —
desgleichen zu thun. Das Bezirksgericht hatte sich, wenn wir nicht irren, mir
Weiß und Grün Genüge gethan. Die Expedition der Leipziger Zeitung da¬
gegen war nicht so unempfänglich für die eigentliche Bedeutung des Festes ge¬
wesen, wenn es ihr auch nicht gelungen war, ganz auf die Höhe des rechten
Standpunktes zu gelangen, was uns leid thut, da sie, wie behauptet wird,
Inspirationen von hochgestellten Personen empfängt und für noch höherstehende
vorzüglich schreiben soll. Ueber ihrer Ladenthür, die mit Eichenlaub umwunden
war. erhob sich eine große sächsische Fahne, darunter standen zwei kleinere weiß
und rothe und unter diesen wieder rechts in der Ecke die leipziger, links im
Winkel die deutsche Fahne. Wir erlauben uns -diese Anordnung folgender¬
maßen zu commentiren: das sächsische Vaterland über Alles, das Fest
für uns im Wesentlichen ein Turnfest, dasselbe findet in Leipzig statt,


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[0215] Auf dem Markt zählten wir deren nicht weniger als einundsechzig, auf der Hain¬ strabe zweiundfünfzig der größten, und ganz das gleiche Verhältniß herrschte auf dem Brühl, in der grimmaischen, der Reichs- und der Nikolaistraße sowie an¬ dern Hauptgassen. Viele Häuser schmückten nur deutsche Fahnen, andere hatten neben diesen, wie billig, den Farben der Stadt und denen der Turnerschaft eine Stelle gegönnt. Die Fahne des „engeren Vaterlandes", so hübsch sie sich ma¬ lerisch neben der schwarzrothgoldenen ausnimmt, war nur sporadisch vertreten^ und dann mit seltenen Ausnahmen unter dieser oder zur Linken und in kleine¬ rem Format. Die Stadtbehörde war bei solcher Vertheilung in richtiger Beur¬ theilung des Wesens der Feier vorangegangen. Auf dem Rathhaus wie auf anderen städtischen Gebäuden webten allenthalben deutsche Tricvlorcn in weit überwiegender Zahl und allenthalben über Weiß und Grün und der blau und gelben Fahne Leipzigs. Wir möchten behaupten, daß nicht ein halbes Dutzend -Häuser waren, die nur die sächsischen Farben für den angemessenen Schmuck angesehen hatten, und kaum mehr als ein ganzes Dutzend, welche jene höher hielten als die deutschen. Der eine und der andere Hoflieferant, der eine und der andere Beamte hatte es nicht über sich vermocht, die revolutionäre Fahne anzuerkennen. Man nahm es nicht übel; denn einmal war man in zu guter Stimmung, um sich durch kleine Verdrießlichkeiten stören zu lassen, dann trug eine mäßige Beimischung von Weiß und Grün zur Wirkung der Masse von Schwarz. Noth. Gold auf das Auge nicht unwesentlich bei, und schließlich wird, wer derartige Ausnahms¬ fälle wahrzunehmen überhaupt Zeit und Lust fand, sich mit der Regel getröstet haben, daß es auch solche Käuze geben muß. Das Pvstgebäude folgte, obwohl königlich, dem von den Stadtbehörden aufgestellten Beispiel: große deutsche Fahne, darunter rechts und links die sächsische und die leipziger. Die Univer¬ sität schien — wir sagen schien, denn die hier aufgesteckten Fahnen gehörten eher zu den kleinsten und dürftigsten ihres Geschlechts als zu den größten — desgleichen zu thun. Das Bezirksgericht hatte sich, wenn wir nicht irren, mir Weiß und Grün Genüge gethan. Die Expedition der Leipziger Zeitung da¬ gegen war nicht so unempfänglich für die eigentliche Bedeutung des Festes ge¬ wesen, wenn es ihr auch nicht gelungen war, ganz auf die Höhe des rechten Standpunktes zu gelangen, was uns leid thut, da sie, wie behauptet wird, Inspirationen von hochgestellten Personen empfängt und für noch höherstehende vorzüglich schreiben soll. Ueber ihrer Ladenthür, die mit Eichenlaub umwunden war. erhob sich eine große sächsische Fahne, darunter standen zwei kleinere weiß und rothe und unter diesen wieder rechts in der Ecke die leipziger, links im Winkel die deutsche Fahne. Wir erlauben uns -diese Anordnung folgender¬ maßen zu commentiren: das sächsische Vaterland über Alles, das Fest für uns im Wesentlichen ein Turnfest, dasselbe findet in Leipzig statt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/215>, abgerufen am 28.07.2024.