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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Ruhm des Sieges zuzuwenden. Denn obgleich, wie Xenophon den Simonides
zu Hieron sagen läßt, keine Waare wohlfeiler war, als was die Menschen durch
Siegespreise erkauften, so umfaßte doch ein olympischer Olivenkranz bis in
die spätesten Zeiten den Inbegriff der höchsten menschlichen Glückseligkeit. Dem
hochbegeisterten, tief religiösen Sänger der bei den Nationalfesten gewonnenen
Siege, Pindar, erscheint der Sieger als ein Gottbegünstigter, der die Säulen
des Herakles erreichte, von wo den Sterblichen verboten ist, weiter vorzudringen;
ja er warnt glückliche Fürsten vor Uebermuth, der auf der Höhe des errungenen
Glücks sich leicht einstelle. Selbst einem der sieben Weisen Griechenlands,
Chilon, brachte die Freude über den Sieg seines Sohnes den Tod, und auch
der Rhodier Diagoras, der, als Olympionike zwei seiner Söhne siegen sah,
gab den Geist auf, als im Stadium zu Olympia die Jünglinge ihn umarmten
und ihre Kränze auf sein Haupt setzten, während das Volk jauchzte und ihn
mit Blumen überschüttete. Ein Spartaner hatte ihm vorher zugerufen: "Stirb
Diagoras! denn du wirst doch nicht in den Himmel steigen!" Im Rausche
der Freude, unter Flötcnklang und begleitet von der Menge zogen die Sieger
nach der Preisvertheilung nach den Opferaltären, um den Göttern ihre Spen¬
den darzubringen. Hier sowohl als bei dem großen Festmahle, welches die
Eleer ihnen zu geben pflegten, wurden von Chören Siegeslieder, die theils äl¬
teren Ursprungs, theils von ausgezeichneten Dichtern, wie Pindar, Simonides,
Euripides, neu gedichtet waren, abgesungen. Diese Gesänge wurden beim Ein¬
zuge der Sieger in ihre Städte wiederholt und officiell aufbewahrt, wie z. B.
Pindars Siegeshymne auf Diagoras zu Knidos im Tempel der Athene mit
goldenen Buchstaben geschrieben prangte. Nach dem öffentlichen Schmause be¬
wirtheten die Sieger ihre Freunde auf eigene Kosten, und reiche Leute dehnten
die Einladung zuweilen aus alle Anwesenden aus. Es thaten dies z. B. Alci-
biades und Leophron. Empedokles aber, der Großvater des gleichnamigen Philo¬
sophen, der als Pythagoräer sich blutiger Opfer und Fleischspeisen enthielt,
ließ aus Myrrhen. Weihrauch und anderen köstlichen Gewürzen ein Rind for¬
men und vertheilte dieses unter die Festgäste. Wie schon erwähnt, war mit
dem Siegeskranze zugleich das Recht verbunden, seine Statue im heiligen Be¬
zirke aufstellen zu lassen, wobei aber, wie Plinius erwähnt, erst beim dritten
Siege das Privilegium hinzukam, der Bildsäule vom Künstler Porträtähnlichkeit
geben zu lassen. Die Menge der Standbilder in der Attis muß erstaunlich
groß gewesen sein. Pausanias zählt zweihundert und einige dreißig Statuen
von Kämpfern auf; es waren dies aber, wie er ausdrücklich bemerkt, nur die
hervorstechendsten. Der ältere Plinius sagt, daß sich noch zu seiner Zeit drei¬
tausend Bildsäulen auf Rhodus und nicht weniger in Athen, Delphi und
Olympia befunden hätten. Wenn übrigens Sueton berichtet, daß Nero, um
zu Olympia als einziger Sieger in Andenken zu bleiben, die Standbilder der


Ruhm des Sieges zuzuwenden. Denn obgleich, wie Xenophon den Simonides
zu Hieron sagen läßt, keine Waare wohlfeiler war, als was die Menschen durch
Siegespreise erkauften, so umfaßte doch ein olympischer Olivenkranz bis in
die spätesten Zeiten den Inbegriff der höchsten menschlichen Glückseligkeit. Dem
hochbegeisterten, tief religiösen Sänger der bei den Nationalfesten gewonnenen
Siege, Pindar, erscheint der Sieger als ein Gottbegünstigter, der die Säulen
des Herakles erreichte, von wo den Sterblichen verboten ist, weiter vorzudringen;
ja er warnt glückliche Fürsten vor Uebermuth, der auf der Höhe des errungenen
Glücks sich leicht einstelle. Selbst einem der sieben Weisen Griechenlands,
Chilon, brachte die Freude über den Sieg seines Sohnes den Tod, und auch
der Rhodier Diagoras, der, als Olympionike zwei seiner Söhne siegen sah,
gab den Geist auf, als im Stadium zu Olympia die Jünglinge ihn umarmten
und ihre Kränze auf sein Haupt setzten, während das Volk jauchzte und ihn
mit Blumen überschüttete. Ein Spartaner hatte ihm vorher zugerufen: „Stirb
Diagoras! denn du wirst doch nicht in den Himmel steigen!" Im Rausche
der Freude, unter Flötcnklang und begleitet von der Menge zogen die Sieger
nach der Preisvertheilung nach den Opferaltären, um den Göttern ihre Spen¬
den darzubringen. Hier sowohl als bei dem großen Festmahle, welches die
Eleer ihnen zu geben pflegten, wurden von Chören Siegeslieder, die theils äl¬
teren Ursprungs, theils von ausgezeichneten Dichtern, wie Pindar, Simonides,
Euripides, neu gedichtet waren, abgesungen. Diese Gesänge wurden beim Ein¬
zuge der Sieger in ihre Städte wiederholt und officiell aufbewahrt, wie z. B.
Pindars Siegeshymne auf Diagoras zu Knidos im Tempel der Athene mit
goldenen Buchstaben geschrieben prangte. Nach dem öffentlichen Schmause be¬
wirtheten die Sieger ihre Freunde auf eigene Kosten, und reiche Leute dehnten
die Einladung zuweilen aus alle Anwesenden aus. Es thaten dies z. B. Alci-
biades und Leophron. Empedokles aber, der Großvater des gleichnamigen Philo¬
sophen, der als Pythagoräer sich blutiger Opfer und Fleischspeisen enthielt,
ließ aus Myrrhen. Weihrauch und anderen köstlichen Gewürzen ein Rind for¬
men und vertheilte dieses unter die Festgäste. Wie schon erwähnt, war mit
dem Siegeskranze zugleich das Recht verbunden, seine Statue im heiligen Be¬
zirke aufstellen zu lassen, wobei aber, wie Plinius erwähnt, erst beim dritten
Siege das Privilegium hinzukam, der Bildsäule vom Künstler Porträtähnlichkeit
geben zu lassen. Die Menge der Standbilder in der Attis muß erstaunlich
groß gewesen sein. Pausanias zählt zweihundert und einige dreißig Statuen
von Kämpfern auf; es waren dies aber, wie er ausdrücklich bemerkt, nur die
hervorstechendsten. Der ältere Plinius sagt, daß sich noch zu seiner Zeit drei¬
tausend Bildsäulen auf Rhodus und nicht weniger in Athen, Delphi und
Olympia befunden hätten. Wenn übrigens Sueton berichtet, daß Nero, um
zu Olympia als einziger Sieger in Andenken zu bleiben, die Standbilder der


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[0148] Ruhm des Sieges zuzuwenden. Denn obgleich, wie Xenophon den Simonides zu Hieron sagen läßt, keine Waare wohlfeiler war, als was die Menschen durch Siegespreise erkauften, so umfaßte doch ein olympischer Olivenkranz bis in die spätesten Zeiten den Inbegriff der höchsten menschlichen Glückseligkeit. Dem hochbegeisterten, tief religiösen Sänger der bei den Nationalfesten gewonnenen Siege, Pindar, erscheint der Sieger als ein Gottbegünstigter, der die Säulen des Herakles erreichte, von wo den Sterblichen verboten ist, weiter vorzudringen; ja er warnt glückliche Fürsten vor Uebermuth, der auf der Höhe des errungenen Glücks sich leicht einstelle. Selbst einem der sieben Weisen Griechenlands, Chilon, brachte die Freude über den Sieg seines Sohnes den Tod, und auch der Rhodier Diagoras, der, als Olympionike zwei seiner Söhne siegen sah, gab den Geist auf, als im Stadium zu Olympia die Jünglinge ihn umarmten und ihre Kränze auf sein Haupt setzten, während das Volk jauchzte und ihn mit Blumen überschüttete. Ein Spartaner hatte ihm vorher zugerufen: „Stirb Diagoras! denn du wirst doch nicht in den Himmel steigen!" Im Rausche der Freude, unter Flötcnklang und begleitet von der Menge zogen die Sieger nach der Preisvertheilung nach den Opferaltären, um den Göttern ihre Spen¬ den darzubringen. Hier sowohl als bei dem großen Festmahle, welches die Eleer ihnen zu geben pflegten, wurden von Chören Siegeslieder, die theils äl¬ teren Ursprungs, theils von ausgezeichneten Dichtern, wie Pindar, Simonides, Euripides, neu gedichtet waren, abgesungen. Diese Gesänge wurden beim Ein¬ zuge der Sieger in ihre Städte wiederholt und officiell aufbewahrt, wie z. B. Pindars Siegeshymne auf Diagoras zu Knidos im Tempel der Athene mit goldenen Buchstaben geschrieben prangte. Nach dem öffentlichen Schmause be¬ wirtheten die Sieger ihre Freunde auf eigene Kosten, und reiche Leute dehnten die Einladung zuweilen aus alle Anwesenden aus. Es thaten dies z. B. Alci- biades und Leophron. Empedokles aber, der Großvater des gleichnamigen Philo¬ sophen, der als Pythagoräer sich blutiger Opfer und Fleischspeisen enthielt, ließ aus Myrrhen. Weihrauch und anderen köstlichen Gewürzen ein Rind for¬ men und vertheilte dieses unter die Festgäste. Wie schon erwähnt, war mit dem Siegeskranze zugleich das Recht verbunden, seine Statue im heiligen Be¬ zirke aufstellen zu lassen, wobei aber, wie Plinius erwähnt, erst beim dritten Siege das Privilegium hinzukam, der Bildsäule vom Künstler Porträtähnlichkeit geben zu lassen. Die Menge der Standbilder in der Attis muß erstaunlich groß gewesen sein. Pausanias zählt zweihundert und einige dreißig Statuen von Kämpfern auf; es waren dies aber, wie er ausdrücklich bemerkt, nur die hervorstechendsten. Der ältere Plinius sagt, daß sich noch zu seiner Zeit drei¬ tausend Bildsäulen auf Rhodus und nicht weniger in Athen, Delphi und Olympia befunden hätten. Wenn übrigens Sueton berichtet, daß Nero, um zu Olympia als einziger Sieger in Andenken zu bleiben, die Standbilder der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/148>, abgerufen am 28.07.2024.