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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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daß, wenn endlich die beiden vordersten Schranken geöffnet wurden, alle Ge¬
spanne oder Reiter in gleicher Linie dem Innern der Rennbahn zustürzen mu߬
ten. Die griechischen' Hippodrome waren deshalb breiter als die römischen,
weil sich die Griechen mit der in Rom feststehenden Zahl von vier wettfahren¬
den Gespannen nicht begnügten. Wie viele aber gewöhnlich certirten, läßt sich
nicht mehr nachweisen. Pindar erwähnt in einer pythischen Ode, daß Karrho-
bus, der Wagenlenker des tyrcnäischen Königs Arkefilaos, allein von vierzig
Genossen seinen Wagen unverletzt davon gebracht habe, und es klingt das zwar
unglaublich, aber auf der anderen Seite kann man auch kaum begreifen, wie
dann unter vierzig Wagenlenkern in mehren Rennen nur ein einziger Sieger
bleiben konnte. Denn daß bei jedem Rennen der Preis zuerkannt wurde, be¬
zeugt die Nachricht, daß von den sieben Wagen, die der verschwenderische
Alcibiades nach Olympia sandte, der erste, zweite und vierte Preis gewonnen
wurde. Sophokles läßt, freilich in einem Wagcnrennen der heroischen Zeit,
zehn Gespanne auftreten, und man thut wohl am besten, anzunehmen, daß die
Zahl der zugleich mit einander rennenden Gespanne sich nach der Gesammtzahl
der angemeldeten richtete. Die Wagen waren in ihrer Construction den Streit¬
wagen des heroischen Zeitalters beinahe völlig gleich, zweirädrig, mit ovalen,
hinten offenen Kästen, in denen die Wagenlenker standen. 270 Jahre lang
wurde das in der fünfundzwanzigsten Olympiade eingeführte Wagenrennen mit
Viergespannen gehalten. Dann wurden auch zweispännigc Wagen zugelassen,
und ein Vierteljahrhundert später kam das Rennen mit Füllen-Viergespannen
und später auch -Zweigespannen auf. Dagegen erhielt sich das Wettfahren
mit Maulthieren nur kurze Zeit, weil es keinen angenehmen Anblick gewährte.
Ein meisterhaftes Bild des Wettrennens selbst liefert uns Sophokles in seiner
Elektra in folgender Weise:


"Und als sie standen, wie des Kampfes Richter dort
Die Loose warfen und die Wagen ordneten:
Da schmettert' Erzdrommetcnschall, fort stürzten sie,
Bcfeur'den ihre Ross' im Flug, und schüttelten
Die Zügel; nnn mit einmal war die Bahn erfüllt
Von lautem Wagenrasseln; hoch auf wollte sich
Der Staub, es rannten alle durch einander hin
Und sehe>nten nicht der Geißeln, um vorbeizuflichn
Die Räder und das schnaubend wilde Noßgcspann.
Denn alle Rücken und zugleich der Ruder Spur
Benetzte dampfend Schaum und Hauch der Rosse rings.
Schon lenkt' Orestes um die letzte Saul' herum,
Die Rabe stets hindrängend und dem rechten Roß
Den Zügel lassend, zog er mehr sein linkes an.
Anfänglich gingen allzumal die Wagen gut,

daß, wenn endlich die beiden vordersten Schranken geöffnet wurden, alle Ge¬
spanne oder Reiter in gleicher Linie dem Innern der Rennbahn zustürzen mu߬
ten. Die griechischen' Hippodrome waren deshalb breiter als die römischen,
weil sich die Griechen mit der in Rom feststehenden Zahl von vier wettfahren¬
den Gespannen nicht begnügten. Wie viele aber gewöhnlich certirten, läßt sich
nicht mehr nachweisen. Pindar erwähnt in einer pythischen Ode, daß Karrho-
bus, der Wagenlenker des tyrcnäischen Königs Arkefilaos, allein von vierzig
Genossen seinen Wagen unverletzt davon gebracht habe, und es klingt das zwar
unglaublich, aber auf der anderen Seite kann man auch kaum begreifen, wie
dann unter vierzig Wagenlenkern in mehren Rennen nur ein einziger Sieger
bleiben konnte. Denn daß bei jedem Rennen der Preis zuerkannt wurde, be¬
zeugt die Nachricht, daß von den sieben Wagen, die der verschwenderische
Alcibiades nach Olympia sandte, der erste, zweite und vierte Preis gewonnen
wurde. Sophokles läßt, freilich in einem Wagcnrennen der heroischen Zeit,
zehn Gespanne auftreten, und man thut wohl am besten, anzunehmen, daß die
Zahl der zugleich mit einander rennenden Gespanne sich nach der Gesammtzahl
der angemeldeten richtete. Die Wagen waren in ihrer Construction den Streit¬
wagen des heroischen Zeitalters beinahe völlig gleich, zweirädrig, mit ovalen,
hinten offenen Kästen, in denen die Wagenlenker standen. 270 Jahre lang
wurde das in der fünfundzwanzigsten Olympiade eingeführte Wagenrennen mit
Viergespannen gehalten. Dann wurden auch zweispännigc Wagen zugelassen,
und ein Vierteljahrhundert später kam das Rennen mit Füllen-Viergespannen
und später auch -Zweigespannen auf. Dagegen erhielt sich das Wettfahren
mit Maulthieren nur kurze Zeit, weil es keinen angenehmen Anblick gewährte.
Ein meisterhaftes Bild des Wettrennens selbst liefert uns Sophokles in seiner
Elektra in folgender Weise:


„Und als sie standen, wie des Kampfes Richter dort
Die Loose warfen und die Wagen ordneten:
Da schmettert' Erzdrommetcnschall, fort stürzten sie,
Bcfeur'den ihre Ross' im Flug, und schüttelten
Die Zügel; nnn mit einmal war die Bahn erfüllt
Von lautem Wagenrasseln; hoch auf wollte sich
Der Staub, es rannten alle durch einander hin
Und sehe>nten nicht der Geißeln, um vorbeizuflichn
Die Räder und das schnaubend wilde Noßgcspann.
Denn alle Rücken und zugleich der Ruder Spur
Benetzte dampfend Schaum und Hauch der Rosse rings.
Schon lenkt' Orestes um die letzte Saul' herum,
Die Rabe stets hindrängend und dem rechten Roß
Den Zügel lassend, zog er mehr sein linkes an.
Anfänglich gingen allzumal die Wagen gut,

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[0142] daß, wenn endlich die beiden vordersten Schranken geöffnet wurden, alle Ge¬ spanne oder Reiter in gleicher Linie dem Innern der Rennbahn zustürzen mu߬ ten. Die griechischen' Hippodrome waren deshalb breiter als die römischen, weil sich die Griechen mit der in Rom feststehenden Zahl von vier wettfahren¬ den Gespannen nicht begnügten. Wie viele aber gewöhnlich certirten, läßt sich nicht mehr nachweisen. Pindar erwähnt in einer pythischen Ode, daß Karrho- bus, der Wagenlenker des tyrcnäischen Königs Arkefilaos, allein von vierzig Genossen seinen Wagen unverletzt davon gebracht habe, und es klingt das zwar unglaublich, aber auf der anderen Seite kann man auch kaum begreifen, wie dann unter vierzig Wagenlenkern in mehren Rennen nur ein einziger Sieger bleiben konnte. Denn daß bei jedem Rennen der Preis zuerkannt wurde, be¬ zeugt die Nachricht, daß von den sieben Wagen, die der verschwenderische Alcibiades nach Olympia sandte, der erste, zweite und vierte Preis gewonnen wurde. Sophokles läßt, freilich in einem Wagcnrennen der heroischen Zeit, zehn Gespanne auftreten, und man thut wohl am besten, anzunehmen, daß die Zahl der zugleich mit einander rennenden Gespanne sich nach der Gesammtzahl der angemeldeten richtete. Die Wagen waren in ihrer Construction den Streit¬ wagen des heroischen Zeitalters beinahe völlig gleich, zweirädrig, mit ovalen, hinten offenen Kästen, in denen die Wagenlenker standen. 270 Jahre lang wurde das in der fünfundzwanzigsten Olympiade eingeführte Wagenrennen mit Viergespannen gehalten. Dann wurden auch zweispännigc Wagen zugelassen, und ein Vierteljahrhundert später kam das Rennen mit Füllen-Viergespannen und später auch -Zweigespannen auf. Dagegen erhielt sich das Wettfahren mit Maulthieren nur kurze Zeit, weil es keinen angenehmen Anblick gewährte. Ein meisterhaftes Bild des Wettrennens selbst liefert uns Sophokles in seiner Elektra in folgender Weise: „Und als sie standen, wie des Kampfes Richter dort Die Loose warfen und die Wagen ordneten: Da schmettert' Erzdrommetcnschall, fort stürzten sie, Bcfeur'den ihre Ross' im Flug, und schüttelten Die Zügel; nnn mit einmal war die Bahn erfüllt Von lautem Wagenrasseln; hoch auf wollte sich Der Staub, es rannten alle durch einander hin Und sehe>nten nicht der Geißeln, um vorbeizuflichn Die Räder und das schnaubend wilde Noßgcspann. Denn alle Rücken und zugleich der Ruder Spur Benetzte dampfend Schaum und Hauch der Rosse rings. Schon lenkt' Orestes um die letzte Saul' herum, Die Rabe stets hindrängend und dem rechten Roß Den Zügel lassend, zog er mehr sein linkes an. Anfänglich gingen allzumal die Wagen gut,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/142>, abgerufen am 28.07.2024.