Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Junction. den Knotenpunkt der Baltimore-Ohio-Eisenbahn. Jetzt folgte zu
Wasser und zu Land Regiment auf Regiment; die wichtigsten Punkte wurden
besetzt. Washington befestigt und bald dieß es: die Hauptstadt ist sicher.

In wieweit diese Behauptung gerechtfertigt war, ergab sich nach der
Schlacht von Bull Rum, wo es nur an der Erschöpfung und der mangel¬
haften Taktik des Feindes lag, daß er nicht mit den fliehenden Bundes¬
truppen in Washington einzog und Jefferson Davis im Weißen Hause
etablirte.

Unterdessen hatte General Butler von der Festung Monroe aus seine unglück¬
liche Big-Bethel-Expedition gemacht, deren militärische Leitung das Unglaub¬
lichste übertraf. General Rosenerantz befand sich auf einem unabhängigen Zuge
in Westvirginien, in dessen Bergen er einen erfolgreichen Guerillakrieg
führte, ohne jedoch irgend welche Entscheidung herbeizuführen. General Me
Dowell, unter dem alterschwachen Scott der Held von Bull Rum, trat nach
diesem Debüt ab, und hiermit kann auch die Chaos- oder Sturm- und Drang-
Periode als beendigt angesehen werden.

Schon während dieser Periode jedoch sing die Sklavcnfrage an unbequem
zu werden, obwohl man sie principiell als noch ganz indifferent betrachtete.
Sowohl nach Festung Monroe wie in die Linien der Truppen von Washington
liefen fortwährend Sklaven zu, und die Herren Generale waren in der größten
Verlegenheit, was sie mit diesem schwarzen Eigenthum ihrer "südlichen Brüder"
anfangen sollten. Sie etwa gegen ihre Herren benutzen, Abolitionisten wer¬
den, sie zu Aufrührern machen? Bei Leibe nicht. Einige schickten sie wieder
fort. Andere lieferten sie ihren Herren aus :c. bis Butler das Wort "Contre-
bande" erfand und damit die Frage schlau gelöst zu haben glaubte. Er meinte,
es sei, obwohl er durchaus nichts gegen die Sklaverei habe, eine militärische
Nothwendigkeit, die Sklaven einstweilen dem Besitz ihrer Herren zu entziehen
und sie zu passenden Arbeiten zu benutzen, bis der Krieg zu Ende oder irgend
welche Arrangements getroffen sein würden. Somit war die Sache fürs Erste
erledigt.

Jetzt trat die zweite Phase ein, welche mit der Organisation der Armee
unter Me Clellan. dem "jungen Napoleon" begann. Bisher im Dunkel des
Westens an einer Eisenbahn als Ingenieur beschäftigt, wurde er plötzlich der
Heros der Nation, die Hoffnung des Nordens und versicherte dem gläubigen
Publicum, daß es von jetzt an keine "Bull Rums" mehr geben werde und daß er in
der Sklavenfrage ganz koscher sei. Er kam ungefähr auf dieselbe Weise zu dieser
plötzlichen Apotheose wie der heilige Januarius zu seinem Schein, der bekannt¬
lich selbst gesagt hatte, daß er vom Himmel gefallen sei, und so bereits
seine Echtheit aus der Anticipation der Heiligkeit schöpfte. Me Clellan
also organisirte die Potomac - Armee, lernte reiten und ließ sich einen


Junction. den Knotenpunkt der Baltimore-Ohio-Eisenbahn. Jetzt folgte zu
Wasser und zu Land Regiment auf Regiment; die wichtigsten Punkte wurden
besetzt. Washington befestigt und bald dieß es: die Hauptstadt ist sicher.

In wieweit diese Behauptung gerechtfertigt war, ergab sich nach der
Schlacht von Bull Rum, wo es nur an der Erschöpfung und der mangel¬
haften Taktik des Feindes lag, daß er nicht mit den fliehenden Bundes¬
truppen in Washington einzog und Jefferson Davis im Weißen Hause
etablirte.

Unterdessen hatte General Butler von der Festung Monroe aus seine unglück¬
liche Big-Bethel-Expedition gemacht, deren militärische Leitung das Unglaub¬
lichste übertraf. General Rosenerantz befand sich auf einem unabhängigen Zuge
in Westvirginien, in dessen Bergen er einen erfolgreichen Guerillakrieg
führte, ohne jedoch irgend welche Entscheidung herbeizuführen. General Me
Dowell, unter dem alterschwachen Scott der Held von Bull Rum, trat nach
diesem Debüt ab, und hiermit kann auch die Chaos- oder Sturm- und Drang-
Periode als beendigt angesehen werden.

Schon während dieser Periode jedoch sing die Sklavcnfrage an unbequem
zu werden, obwohl man sie principiell als noch ganz indifferent betrachtete.
Sowohl nach Festung Monroe wie in die Linien der Truppen von Washington
liefen fortwährend Sklaven zu, und die Herren Generale waren in der größten
Verlegenheit, was sie mit diesem schwarzen Eigenthum ihrer „südlichen Brüder"
anfangen sollten. Sie etwa gegen ihre Herren benutzen, Abolitionisten wer¬
den, sie zu Aufrührern machen? Bei Leibe nicht. Einige schickten sie wieder
fort. Andere lieferten sie ihren Herren aus :c. bis Butler das Wort „Contre-
bande" erfand und damit die Frage schlau gelöst zu haben glaubte. Er meinte,
es sei, obwohl er durchaus nichts gegen die Sklaverei habe, eine militärische
Nothwendigkeit, die Sklaven einstweilen dem Besitz ihrer Herren zu entziehen
und sie zu passenden Arbeiten zu benutzen, bis der Krieg zu Ende oder irgend
welche Arrangements getroffen sein würden. Somit war die Sache fürs Erste
erledigt.

Jetzt trat die zweite Phase ein, welche mit der Organisation der Armee
unter Me Clellan. dem „jungen Napoleon" begann. Bisher im Dunkel des
Westens an einer Eisenbahn als Ingenieur beschäftigt, wurde er plötzlich der
Heros der Nation, die Hoffnung des Nordens und versicherte dem gläubigen
Publicum, daß es von jetzt an keine „Bull Rums" mehr geben werde und daß er in
der Sklavenfrage ganz koscher sei. Er kam ungefähr auf dieselbe Weise zu dieser
plötzlichen Apotheose wie der heilige Januarius zu seinem Schein, der bekannt¬
lich selbst gesagt hatte, daß er vom Himmel gefallen sei, und so bereits
seine Echtheit aus der Anticipation der Heiligkeit schöpfte. Me Clellan
also organisirte die Potomac - Armee, lernte reiten und ließ sich einen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0093" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114949"/>
          <p xml:id="ID_285" prev="#ID_284"> Junction. den Knotenpunkt der Baltimore-Ohio-Eisenbahn. Jetzt folgte zu<lb/>
Wasser und zu Land Regiment auf Regiment; die wichtigsten Punkte wurden<lb/>
besetzt. Washington befestigt und bald dieß es: die Hauptstadt ist sicher.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_286"> In wieweit diese Behauptung gerechtfertigt war, ergab sich nach der<lb/>
Schlacht von Bull Rum, wo es nur an der Erschöpfung und der mangel¬<lb/>
haften Taktik des Feindes lag, daß er nicht mit den fliehenden Bundes¬<lb/>
truppen in Washington einzog und Jefferson Davis im Weißen Hause<lb/>
etablirte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_287"> Unterdessen hatte General Butler von der Festung Monroe aus seine unglück¬<lb/>
liche Big-Bethel-Expedition gemacht, deren militärische Leitung das Unglaub¬<lb/>
lichste übertraf. General Rosenerantz befand sich auf einem unabhängigen Zuge<lb/>
in Westvirginien, in dessen Bergen er einen erfolgreichen Guerillakrieg<lb/>
führte, ohne jedoch irgend welche Entscheidung herbeizuführen. General Me<lb/>
Dowell, unter dem alterschwachen Scott der Held von Bull Rum, trat nach<lb/>
diesem Debüt ab, und hiermit kann auch die Chaos- oder Sturm- und Drang-<lb/>
Periode als beendigt angesehen werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_288"> Schon während dieser Periode jedoch sing die Sklavcnfrage an unbequem<lb/>
zu werden, obwohl man sie principiell als noch ganz indifferent betrachtete.<lb/>
Sowohl nach Festung Monroe wie in die Linien der Truppen von Washington<lb/>
liefen fortwährend Sklaven zu, und die Herren Generale waren in der größten<lb/>
Verlegenheit, was sie mit diesem schwarzen Eigenthum ihrer &#x201E;südlichen Brüder"<lb/>
anfangen sollten. Sie etwa gegen ihre Herren benutzen, Abolitionisten wer¬<lb/>
den, sie zu Aufrührern machen? Bei Leibe nicht. Einige schickten sie wieder<lb/>
fort. Andere lieferten sie ihren Herren aus :c. bis Butler das Wort &#x201E;Contre-<lb/>
bande" erfand und damit die Frage schlau gelöst zu haben glaubte. Er meinte,<lb/>
es sei, obwohl er durchaus nichts gegen die Sklaverei habe, eine militärische<lb/>
Nothwendigkeit, die Sklaven einstweilen dem Besitz ihrer Herren zu entziehen<lb/>
und sie zu passenden Arbeiten zu benutzen, bis der Krieg zu Ende oder irgend<lb/>
welche Arrangements getroffen sein würden. Somit war die Sache fürs Erste<lb/>
erledigt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_289" next="#ID_290"> Jetzt trat die zweite Phase ein, welche mit der Organisation der Armee<lb/>
unter Me Clellan. dem &#x201E;jungen Napoleon" begann. Bisher im Dunkel des<lb/>
Westens an einer Eisenbahn als Ingenieur beschäftigt, wurde er plötzlich der<lb/>
Heros der Nation, die Hoffnung des Nordens und versicherte dem gläubigen<lb/>
Publicum, daß es von jetzt an keine &#x201E;Bull Rums" mehr geben werde und daß er in<lb/>
der Sklavenfrage ganz koscher sei. Er kam ungefähr auf dieselbe Weise zu dieser<lb/>
plötzlichen Apotheose wie der heilige Januarius zu seinem Schein, der bekannt¬<lb/>
lich selbst gesagt hatte, daß er vom Himmel gefallen sei, und so bereits<lb/>
seine Echtheit aus der Anticipation der Heiligkeit schöpfte. Me Clellan<lb/>
also organisirte die Potomac - Armee, lernte reiten und ließ sich einen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0093] Junction. den Knotenpunkt der Baltimore-Ohio-Eisenbahn. Jetzt folgte zu Wasser und zu Land Regiment auf Regiment; die wichtigsten Punkte wurden besetzt. Washington befestigt und bald dieß es: die Hauptstadt ist sicher. In wieweit diese Behauptung gerechtfertigt war, ergab sich nach der Schlacht von Bull Rum, wo es nur an der Erschöpfung und der mangel¬ haften Taktik des Feindes lag, daß er nicht mit den fliehenden Bundes¬ truppen in Washington einzog und Jefferson Davis im Weißen Hause etablirte. Unterdessen hatte General Butler von der Festung Monroe aus seine unglück¬ liche Big-Bethel-Expedition gemacht, deren militärische Leitung das Unglaub¬ lichste übertraf. General Rosenerantz befand sich auf einem unabhängigen Zuge in Westvirginien, in dessen Bergen er einen erfolgreichen Guerillakrieg führte, ohne jedoch irgend welche Entscheidung herbeizuführen. General Me Dowell, unter dem alterschwachen Scott der Held von Bull Rum, trat nach diesem Debüt ab, und hiermit kann auch die Chaos- oder Sturm- und Drang- Periode als beendigt angesehen werden. Schon während dieser Periode jedoch sing die Sklavcnfrage an unbequem zu werden, obwohl man sie principiell als noch ganz indifferent betrachtete. Sowohl nach Festung Monroe wie in die Linien der Truppen von Washington liefen fortwährend Sklaven zu, und die Herren Generale waren in der größten Verlegenheit, was sie mit diesem schwarzen Eigenthum ihrer „südlichen Brüder" anfangen sollten. Sie etwa gegen ihre Herren benutzen, Abolitionisten wer¬ den, sie zu Aufrührern machen? Bei Leibe nicht. Einige schickten sie wieder fort. Andere lieferten sie ihren Herren aus :c. bis Butler das Wort „Contre- bande" erfand und damit die Frage schlau gelöst zu haben glaubte. Er meinte, es sei, obwohl er durchaus nichts gegen die Sklaverei habe, eine militärische Nothwendigkeit, die Sklaven einstweilen dem Besitz ihrer Herren zu entziehen und sie zu passenden Arbeiten zu benutzen, bis der Krieg zu Ende oder irgend welche Arrangements getroffen sein würden. Somit war die Sache fürs Erste erledigt. Jetzt trat die zweite Phase ein, welche mit der Organisation der Armee unter Me Clellan. dem „jungen Napoleon" begann. Bisher im Dunkel des Westens an einer Eisenbahn als Ingenieur beschäftigt, wurde er plötzlich der Heros der Nation, die Hoffnung des Nordens und versicherte dem gläubigen Publicum, daß es von jetzt an keine „Bull Rums" mehr geben werde und daß er in der Sklavenfrage ganz koscher sei. Er kam ungefähr auf dieselbe Weise zu dieser plötzlichen Apotheose wie der heilige Januarius zu seinem Schein, der bekannt¬ lich selbst gesagt hatte, daß er vom Himmel gefallen sei, und so bereits seine Echtheit aus der Anticipation der Heiligkeit schöpfte. Me Clellan also organisirte die Potomac - Armee, lernte reiten und ließ sich einen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/93
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/93>, abgerufen am 20.10.2024.