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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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führte sie in den Wald. Der Feind bedrohte vorzüglich den linken Flügel, und
hier hatte man keine Reserven mehr zur Hand. Es war sechs Uhr Abends,
und hielt sich die Bundesarmee hier noch eine Stunde, so war die Schlacht
gewonnen; denn auf allen übrigen Punkten waren die Gegner zurückgeworfen.
Aber es sollte nicht sein. Umsonst kam General Porter in Ermangelung von
Infanterie dem bedrängten Flügel mit drei Batterien Artillerie zu Hülfe. Die
Leute waren erschöpft, die Reserven der Conföderirten erschienen und stürzten sich
auf sie, 'der linke Flügel schwankt, löst sich auf und theilt endlich seine Unord¬
nung dem Centrum mit.

"Es ist kein panischer Schrecken, man läuft nicht mit der Verstörung der
Furcht davon, sondern taub gegen Zureden gehen die Mannschaften wohlbedäch¬
tig, die Flinte auf der Schulter, ihrer Wege wie Leute, die an der Geschichte
genug haben und nicht mehr an den Erfolg glauben. Umsonst werfen sich ihnen
die Generale, die Offiziere des Gcneralstaves, der Graf von Paris, der Her¬
zog von Chartres mit dem Säbel in der Faust entgegen, um sie aufzuhalten.
Die Schlacht beiGaines Hi it ist verloren, es handelt sich nur noch darum
ein Unglück zu verhüten. Der Feind rückt immer weiter vor, durchaus.in Ordnung,
seine Infanterie deployirt regimenterweise in Staffeln und bedrängt die wirre
Masse der Bundestruppen immer mehr. Das Gewehr- und Geschützfeuer ist
so heftig, daß der Hagel von Geschossen, der den Boden trifft, eine stete
Staubwolke aufwirbelt.

Man befahl der Cavallerie anzugreifen. Ich befand mich zufällig bei ihr.
als dies geschah, und sah sie mit dem Schwung entschlossener Leute die Säbel
ziehen. Als sie sich in Marsch setzte, fragte ich einen jungen Offizier nach
dem Namen seines Regimentes. "Es ist das fünfte Regiment", antwortete er,
seinen'Pallasch mit dem ganzen Stolz seines Corps schwingend. Der arme
Junge! Von dem Angriff kamen nur zwei Offiziere zurück, er war nicht dabei.
Jener Angriff konnte bei den dichten Bataillonen der feindlichen Infanterie
nicht gelingen, und die Trümmer der Regimenter vermehrten nur, durch die
Staubwolken zwischen die Geschütze und das fliehende Fußvolk sprengend, die herr¬
schende Verwirrung. Die Pferde der Artillerie sind getödtet, die Geschütze werden
von der Mannschaft mit verzweifelter Hartnäckigkeit sortbedient, sie fallen einer
nach dem andern. Zwei feuern noch fort, als der Feind schon fast vor ihrer
Mündung steht. Dann erlaubt mir die einbrechende Finsterniß nichts mehr zu sehen.

Alle diese Geschütze gingen verloren, nachdem General Butterficld ver¬
gebens übermenschliche Anstrengungen gemacht sie zu retten. Man hatte eine
englische Meile Terrain weichen müssen, als man die frischen Brigaden Meag-
Hers und Freunds traf, die in gurer Ordnung waren. Sie stießen kräftige
Hurrahs aus, und einige neu aufgestellte Batterien eröffneten ihr Feuer aus
den Feind, der vor diesem energischen Widerstand Halt machte."


Grenzboten IV. 1862. 59

führte sie in den Wald. Der Feind bedrohte vorzüglich den linken Flügel, und
hier hatte man keine Reserven mehr zur Hand. Es war sechs Uhr Abends,
und hielt sich die Bundesarmee hier noch eine Stunde, so war die Schlacht
gewonnen; denn auf allen übrigen Punkten waren die Gegner zurückgeworfen.
Aber es sollte nicht sein. Umsonst kam General Porter in Ermangelung von
Infanterie dem bedrängten Flügel mit drei Batterien Artillerie zu Hülfe. Die
Leute waren erschöpft, die Reserven der Conföderirten erschienen und stürzten sich
auf sie, 'der linke Flügel schwankt, löst sich auf und theilt endlich seine Unord¬
nung dem Centrum mit.

»Es ist kein panischer Schrecken, man läuft nicht mit der Verstörung der
Furcht davon, sondern taub gegen Zureden gehen die Mannschaften wohlbedäch¬
tig, die Flinte auf der Schulter, ihrer Wege wie Leute, die an der Geschichte
genug haben und nicht mehr an den Erfolg glauben. Umsonst werfen sich ihnen
die Generale, die Offiziere des Gcneralstaves, der Graf von Paris, der Her¬
zog von Chartres mit dem Säbel in der Faust entgegen, um sie aufzuhalten.
Die Schlacht beiGaines Hi it ist verloren, es handelt sich nur noch darum
ein Unglück zu verhüten. Der Feind rückt immer weiter vor, durchaus.in Ordnung,
seine Infanterie deployirt regimenterweise in Staffeln und bedrängt die wirre
Masse der Bundestruppen immer mehr. Das Gewehr- und Geschützfeuer ist
so heftig, daß der Hagel von Geschossen, der den Boden trifft, eine stete
Staubwolke aufwirbelt.

Man befahl der Cavallerie anzugreifen. Ich befand mich zufällig bei ihr.
als dies geschah, und sah sie mit dem Schwung entschlossener Leute die Säbel
ziehen. Als sie sich in Marsch setzte, fragte ich einen jungen Offizier nach
dem Namen seines Regimentes. „Es ist das fünfte Regiment", antwortete er,
seinen'Pallasch mit dem ganzen Stolz seines Corps schwingend. Der arme
Junge! Von dem Angriff kamen nur zwei Offiziere zurück, er war nicht dabei.
Jener Angriff konnte bei den dichten Bataillonen der feindlichen Infanterie
nicht gelingen, und die Trümmer der Regimenter vermehrten nur, durch die
Staubwolken zwischen die Geschütze und das fliehende Fußvolk sprengend, die herr¬
schende Verwirrung. Die Pferde der Artillerie sind getödtet, die Geschütze werden
von der Mannschaft mit verzweifelter Hartnäckigkeit sortbedient, sie fallen einer
nach dem andern. Zwei feuern noch fort, als der Feind schon fast vor ihrer
Mündung steht. Dann erlaubt mir die einbrechende Finsterniß nichts mehr zu sehen.

Alle diese Geschütze gingen verloren, nachdem General Butterficld ver¬
gebens übermenschliche Anstrengungen gemacht sie zu retten. Man hatte eine
englische Meile Terrain weichen müssen, als man die frischen Brigaden Meag-
Hers und Freunds traf, die in gurer Ordnung waren. Sie stießen kräftige
Hurrahs aus, und einige neu aufgestellte Batterien eröffneten ihr Feuer aus
den Feind, der vor diesem energischen Widerstand Halt machte."


Grenzboten IV. 1862. 59
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[0477] führte sie in den Wald. Der Feind bedrohte vorzüglich den linken Flügel, und hier hatte man keine Reserven mehr zur Hand. Es war sechs Uhr Abends, und hielt sich die Bundesarmee hier noch eine Stunde, so war die Schlacht gewonnen; denn auf allen übrigen Punkten waren die Gegner zurückgeworfen. Aber es sollte nicht sein. Umsonst kam General Porter in Ermangelung von Infanterie dem bedrängten Flügel mit drei Batterien Artillerie zu Hülfe. Die Leute waren erschöpft, die Reserven der Conföderirten erschienen und stürzten sich auf sie, 'der linke Flügel schwankt, löst sich auf und theilt endlich seine Unord¬ nung dem Centrum mit. »Es ist kein panischer Schrecken, man läuft nicht mit der Verstörung der Furcht davon, sondern taub gegen Zureden gehen die Mannschaften wohlbedäch¬ tig, die Flinte auf der Schulter, ihrer Wege wie Leute, die an der Geschichte genug haben und nicht mehr an den Erfolg glauben. Umsonst werfen sich ihnen die Generale, die Offiziere des Gcneralstaves, der Graf von Paris, der Her¬ zog von Chartres mit dem Säbel in der Faust entgegen, um sie aufzuhalten. Die Schlacht beiGaines Hi it ist verloren, es handelt sich nur noch darum ein Unglück zu verhüten. Der Feind rückt immer weiter vor, durchaus.in Ordnung, seine Infanterie deployirt regimenterweise in Staffeln und bedrängt die wirre Masse der Bundestruppen immer mehr. Das Gewehr- und Geschützfeuer ist so heftig, daß der Hagel von Geschossen, der den Boden trifft, eine stete Staubwolke aufwirbelt. Man befahl der Cavallerie anzugreifen. Ich befand mich zufällig bei ihr. als dies geschah, und sah sie mit dem Schwung entschlossener Leute die Säbel ziehen. Als sie sich in Marsch setzte, fragte ich einen jungen Offizier nach dem Namen seines Regimentes. „Es ist das fünfte Regiment", antwortete er, seinen'Pallasch mit dem ganzen Stolz seines Corps schwingend. Der arme Junge! Von dem Angriff kamen nur zwei Offiziere zurück, er war nicht dabei. Jener Angriff konnte bei den dichten Bataillonen der feindlichen Infanterie nicht gelingen, und die Trümmer der Regimenter vermehrten nur, durch die Staubwolken zwischen die Geschütze und das fliehende Fußvolk sprengend, die herr¬ schende Verwirrung. Die Pferde der Artillerie sind getödtet, die Geschütze werden von der Mannschaft mit verzweifelter Hartnäckigkeit sortbedient, sie fallen einer nach dem andern. Zwei feuern noch fort, als der Feind schon fast vor ihrer Mündung steht. Dann erlaubt mir die einbrechende Finsterniß nichts mehr zu sehen. Alle diese Geschütze gingen verloren, nachdem General Butterficld ver¬ gebens übermenschliche Anstrengungen gemacht sie zu retten. Man hatte eine englische Meile Terrain weichen müssen, als man die frischen Brigaden Meag- Hers und Freunds traf, die in gurer Ordnung waren. Sie stießen kräftige Hurrahs aus, und einige neu aufgestellte Batterien eröffneten ihr Feuer aus den Feind, der vor diesem energischen Widerstand Halt machte." Grenzboten IV. 1862. 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/477>, abgerufen am 20.10.2024.