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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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gegeben hat und auch niemals nicht geben kann, und das mit Couleuren, die
sonst auf der Welt nicht vorkommen. Mit den Schwarzköpsen wurde ich so
ziemlich fertig, aber wenn so'n Flachskopf mit unterlief, so war's schlimm. Ich
hatte mir'ö leider Gottes angewöhnt, die Flachshaare mit Grün zu schattiren,
und da ich nun auch die dämliche Mode an mir hatte, im Gesicht ein bischen
stark mit Rothstein herumzuarbeiten, so sahen meine flachshaarigcn Bilder von
fern ganz wie 'ne Ananas aus, zumal wenn nach unten hin ein grüner
Rock kam.

Meine Bilder wurden nun meistens zu Geburtstagen und Weihnachten
an die alten Eltern und an Schwestern und Brüder geschickt, und wenn welche von
ihnen noch leben sollten, so will ich bei dieser Gelegenheit um Verzeihung ge--
beten haben, wenn ich ihnen an solchen Feiertagen einen Schreck eingejagt habe
über das Aussehen ihrer lieben Verwandten. Mein alter Vater wenigstens
schrieb mir, als ich ihm mein eignes ungeheuer ähnliches Porträt zuschickte, er
wäre sehr erschrocken, und ich müßte mich greulich verändert haben.

Das mochte aber nun Alles sein, wie es wollte, dies war doch der An¬
fang dazu, daß wir einander besuchen konnten, und wenn D. (der Schließer)
auch ein sehr schiefes Gesicht dazu machte und manchen Riegel dazwischen schob,
so wurde er doch dann und wann durch ein Pfund Tabak schneidiger, und als
ich ihn zuletzt gar dabei attrapirte, wie er meinem Freund G. heimlich über
seine Cigarren ging, die ihm ein guter Freund aus Lübeck geschickt hatte, und
als, sich zuletzt der Herr Platzmajor selbst von mir malen ließ, da war sein Re¬
giment gebrochen, und er ging auf den langen Corridors herum wie ein Che¬
rub, der seinen flammenden Degen in die Scheide gesteckt hat, weil er sich da¬
ran das Gefieder versengt hat.

Das Abporträtiren des Herrn Platzmajors war eigentlich in dieser.Hin¬
sicht mein Glanzpunkt in M. Ich wurde aus meinem Loch in die Stube des
Herrn Jnspectors hinunter genöthigt, denn hier sollte die große That geschehen.
Ich kam nun mit meinem Malergeschirr an. Ich halte einen Bogen aus¬
gespannt, der einen sehr schönen grünlichen Schein hatte, und alle meine Stifte
waren scharf. Aber als ich in die Stube kam, erschrak ich; denn mein schö¬
nes Oberlicht, woran ich gewöhnt war, gab's hier nicht, die Stube hatte ein
großes natürliches Fenster. Ich fing nun damit an, daß ich mit dem Herrn
Platzmajvr in allen Ecken herumexercirte, um das rechte Licht zu finden.
Aber es wollte sich nicht machen, bis zuletzt die Bettdecke des Jnspectors unten
am Fenster festgesteckt wurde. Unglücklicher Weise war der Herr Platzmajor
ein Flachskopf und hatte keine Augenbrauen, und ich Unglückswurm hatte es
an der Mode, mit den Augenbrauen anzufangen. Was nun? Sonst malte ich
zuerst ein paar Augenbrauen hin und ließ die Nase, so laug oder so kurz sie
just war, darunter hinbaumeln. Aber was nun? Er hatte keine. Augenbrauen


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gegeben hat und auch niemals nicht geben kann, und das mit Couleuren, die
sonst auf der Welt nicht vorkommen. Mit den Schwarzköpsen wurde ich so
ziemlich fertig, aber wenn so'n Flachskopf mit unterlief, so war's schlimm. Ich
hatte mir'ö leider Gottes angewöhnt, die Flachshaare mit Grün zu schattiren,
und da ich nun auch die dämliche Mode an mir hatte, im Gesicht ein bischen
stark mit Rothstein herumzuarbeiten, so sahen meine flachshaarigcn Bilder von
fern ganz wie 'ne Ananas aus, zumal wenn nach unten hin ein grüner
Rock kam.

Meine Bilder wurden nun meistens zu Geburtstagen und Weihnachten
an die alten Eltern und an Schwestern und Brüder geschickt, und wenn welche von
ihnen noch leben sollten, so will ich bei dieser Gelegenheit um Verzeihung ge--
beten haben, wenn ich ihnen an solchen Feiertagen einen Schreck eingejagt habe
über das Aussehen ihrer lieben Verwandten. Mein alter Vater wenigstens
schrieb mir, als ich ihm mein eignes ungeheuer ähnliches Porträt zuschickte, er
wäre sehr erschrocken, und ich müßte mich greulich verändert haben.

Das mochte aber nun Alles sein, wie es wollte, dies war doch der An¬
fang dazu, daß wir einander besuchen konnten, und wenn D. (der Schließer)
auch ein sehr schiefes Gesicht dazu machte und manchen Riegel dazwischen schob,
so wurde er doch dann und wann durch ein Pfund Tabak schneidiger, und als
ich ihn zuletzt gar dabei attrapirte, wie er meinem Freund G. heimlich über
seine Cigarren ging, die ihm ein guter Freund aus Lübeck geschickt hatte, und
als, sich zuletzt der Herr Platzmajor selbst von mir malen ließ, da war sein Re¬
giment gebrochen, und er ging auf den langen Corridors herum wie ein Che¬
rub, der seinen flammenden Degen in die Scheide gesteckt hat, weil er sich da¬
ran das Gefieder versengt hat.

Das Abporträtiren des Herrn Platzmajors war eigentlich in dieser.Hin¬
sicht mein Glanzpunkt in M. Ich wurde aus meinem Loch in die Stube des
Herrn Jnspectors hinunter genöthigt, denn hier sollte die große That geschehen.
Ich kam nun mit meinem Malergeschirr an. Ich halte einen Bogen aus¬
gespannt, der einen sehr schönen grünlichen Schein hatte, und alle meine Stifte
waren scharf. Aber als ich in die Stube kam, erschrak ich; denn mein schö¬
nes Oberlicht, woran ich gewöhnt war, gab's hier nicht, die Stube hatte ein
großes natürliches Fenster. Ich fing nun damit an, daß ich mit dem Herrn
Platzmajvr in allen Ecken herumexercirte, um das rechte Licht zu finden.
Aber es wollte sich nicht machen, bis zuletzt die Bettdecke des Jnspectors unten
am Fenster festgesteckt wurde. Unglücklicher Weise war der Herr Platzmajor
ein Flachskopf und hatte keine Augenbrauen, und ich Unglückswurm hatte es
an der Mode, mit den Augenbrauen anzufangen. Was nun? Sonst malte ich
zuerst ein paar Augenbrauen hin und ließ die Nase, so laug oder so kurz sie
just war, darunter hinbaumeln. Aber was nun? Er hatte keine. Augenbrauen


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[0463] gegeben hat und auch niemals nicht geben kann, und das mit Couleuren, die sonst auf der Welt nicht vorkommen. Mit den Schwarzköpsen wurde ich so ziemlich fertig, aber wenn so'n Flachskopf mit unterlief, so war's schlimm. Ich hatte mir'ö leider Gottes angewöhnt, die Flachshaare mit Grün zu schattiren, und da ich nun auch die dämliche Mode an mir hatte, im Gesicht ein bischen stark mit Rothstein herumzuarbeiten, so sahen meine flachshaarigcn Bilder von fern ganz wie 'ne Ananas aus, zumal wenn nach unten hin ein grüner Rock kam. Meine Bilder wurden nun meistens zu Geburtstagen und Weihnachten an die alten Eltern und an Schwestern und Brüder geschickt, und wenn welche von ihnen noch leben sollten, so will ich bei dieser Gelegenheit um Verzeihung ge-- beten haben, wenn ich ihnen an solchen Feiertagen einen Schreck eingejagt habe über das Aussehen ihrer lieben Verwandten. Mein alter Vater wenigstens schrieb mir, als ich ihm mein eignes ungeheuer ähnliches Porträt zuschickte, er wäre sehr erschrocken, und ich müßte mich greulich verändert haben. Das mochte aber nun Alles sein, wie es wollte, dies war doch der An¬ fang dazu, daß wir einander besuchen konnten, und wenn D. (der Schließer) auch ein sehr schiefes Gesicht dazu machte und manchen Riegel dazwischen schob, so wurde er doch dann und wann durch ein Pfund Tabak schneidiger, und als ich ihn zuletzt gar dabei attrapirte, wie er meinem Freund G. heimlich über seine Cigarren ging, die ihm ein guter Freund aus Lübeck geschickt hatte, und als, sich zuletzt der Herr Platzmajor selbst von mir malen ließ, da war sein Re¬ giment gebrochen, und er ging auf den langen Corridors herum wie ein Che¬ rub, der seinen flammenden Degen in die Scheide gesteckt hat, weil er sich da¬ ran das Gefieder versengt hat. Das Abporträtiren des Herrn Platzmajors war eigentlich in dieser.Hin¬ sicht mein Glanzpunkt in M. Ich wurde aus meinem Loch in die Stube des Herrn Jnspectors hinunter genöthigt, denn hier sollte die große That geschehen. Ich kam nun mit meinem Malergeschirr an. Ich halte einen Bogen aus¬ gespannt, der einen sehr schönen grünlichen Schein hatte, und alle meine Stifte waren scharf. Aber als ich in die Stube kam, erschrak ich; denn mein schö¬ nes Oberlicht, woran ich gewöhnt war, gab's hier nicht, die Stube hatte ein großes natürliches Fenster. Ich fing nun damit an, daß ich mit dem Herrn Platzmajvr in allen Ecken herumexercirte, um das rechte Licht zu finden. Aber es wollte sich nicht machen, bis zuletzt die Bettdecke des Jnspectors unten am Fenster festgesteckt wurde. Unglücklicher Weise war der Herr Platzmajor ein Flachskopf und hatte keine Augenbrauen, und ich Unglückswurm hatte es an der Mode, mit den Augenbrauen anzufangen. Was nun? Sonst malte ich zuerst ein paar Augenbrauen hin und ließ die Nase, so laug oder so kurz sie just war, darunter hinbaumeln. Aber was nun? Er hatte keine. Augenbrauen 57*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/463>, abgerufen am 20.10.2024.