Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der-Unteroffizier Altmann, so der Herr Pvstcommissarius mit seinem Ge¬
neral Kalkreuth. der edle Oberst B. und Graf H. .,de irste Minschen-
schinner in M." So die kleine Colonie der Mitgefangncu. wie wunder¬
liche Käuze auch darunter sind. So auch der Platzmajor, dem "die
Fliegen seinen rothen Kragen wegfressen" -- eine Geschichte, die wir als
Probe aus dieser Reihenfolge hochkomischer Bilder auf tragischen Grunde
herausgreifen.

Der Gefangene legte sich auf der Festung M. eine Zeit lang aufs Malen,
besonders auf Portraits. Er erzählt:

"Mein alter Freund Gr. mußte zuerst dran. Ich habe ihn von rechts und
von links, von vorn und von hinten gemalt, mit Bleistift und schwarzer
Kreide und auch bunt, dann einmal mit einem blauen Hintergrund, dann ein¬
mal ganz in Wolken und einmal wieder mit einem prachtvollen rosenrothen
Schein, wie wenn des Abends die Sonne untergeht. Dies Stück hatte mir
viel Mühe gekostet, und als es fertig war, sah es gar nicht danach aus.

Als Gr. vollständig ausgenutzt war, kam der Herr Inspector an die Reihe.
Das Bild sollte für seine Braut, ich mußte ihn also ein Bischen verschönern,
und er mußte auch ein Bischen freundlich aussehen. Schwer ist mir's gewor¬
den, aber zurecht hab' ich's doch gekriegt. Zum Glück hatte er eine etwas
lange Nase, und als ich die gefaßt hatte, dann mußte alles das Andere nach,
es mochte wollen oder nicht. -- Aber die Freundlichkeit und das liebliche Aus¬
sehen? Auch damit kam ich zu Stande; ich knipp ihm die Augen ein wenig zu¬
sammen, machte ihm auf die Backen eine kleine Anschwellung, zog den Mund
an den beiden Enden ein Viertelzoll in die Höhe und machte ihm da ein paar
richtige Falten, daß er aussah wie ein Knopfloch, welches ein tüchtiger Schnei¬
der links und rechts gut umstechen hat.

Dieses Bild brachte mir viel Ehre ein. Der Inspector wies es in seiner
Herzensfreude bei allen meinen Kameraden herum, und nun wollte jeder von
mir gemalt sein. Mit allerlei Künsten wurde der Inspector dazu gebracht, daß
er die einzelnen Freunde von mir zu uns hereinließ. Meine Malerwerkstatt
war ebenso gut wie jede andere. Das Licht siel schön von oben herab und
war das kühlste Nordlicht, was sich ein Maler wünschen kann. Aber außer¬
dem hatte ich noch einen großen Vortheil vor meinen andern Malercollegen
voraus: die Leute, die mir saßen, waren das Sitzen gewohnt, sie konnten
es auf die Länge aushalten, und wenn ich meinen Tisch ihnen ein bischen
knapp auf den Leib schob und Gr's. Stuhl bis auf einen halben Fuß an sie
heranrückte, dann saßen sie wie in einem Schraubstock, und cchappiren konnten
sie nicht, aushalten mußten sie, denn die Thür war zugeschlossen.

Hier muß ich aber eingestehen, daß ich mich in dieser Zeit sehr gegen das
Ebenbild Gottes versündigt habe. Ich habe Gesichter gemalt, die es niemals


der-Unteroffizier Altmann, so der Herr Pvstcommissarius mit seinem Ge¬
neral Kalkreuth. der edle Oberst B. und Graf H. .,de irste Minschen-
schinner in M." So die kleine Colonie der Mitgefangncu. wie wunder¬
liche Käuze auch darunter sind. So auch der Platzmajor, dem „die
Fliegen seinen rothen Kragen wegfressen" — eine Geschichte, die wir als
Probe aus dieser Reihenfolge hochkomischer Bilder auf tragischen Grunde
herausgreifen.

Der Gefangene legte sich auf der Festung M. eine Zeit lang aufs Malen,
besonders auf Portraits. Er erzählt:

„Mein alter Freund Gr. mußte zuerst dran. Ich habe ihn von rechts und
von links, von vorn und von hinten gemalt, mit Bleistift und schwarzer
Kreide und auch bunt, dann einmal mit einem blauen Hintergrund, dann ein¬
mal ganz in Wolken und einmal wieder mit einem prachtvollen rosenrothen
Schein, wie wenn des Abends die Sonne untergeht. Dies Stück hatte mir
viel Mühe gekostet, und als es fertig war, sah es gar nicht danach aus.

Als Gr. vollständig ausgenutzt war, kam der Herr Inspector an die Reihe.
Das Bild sollte für seine Braut, ich mußte ihn also ein Bischen verschönern,
und er mußte auch ein Bischen freundlich aussehen. Schwer ist mir's gewor¬
den, aber zurecht hab' ich's doch gekriegt. Zum Glück hatte er eine etwas
lange Nase, und als ich die gefaßt hatte, dann mußte alles das Andere nach,
es mochte wollen oder nicht. — Aber die Freundlichkeit und das liebliche Aus¬
sehen? Auch damit kam ich zu Stande; ich knipp ihm die Augen ein wenig zu¬
sammen, machte ihm auf die Backen eine kleine Anschwellung, zog den Mund
an den beiden Enden ein Viertelzoll in die Höhe und machte ihm da ein paar
richtige Falten, daß er aussah wie ein Knopfloch, welches ein tüchtiger Schnei¬
der links und rechts gut umstechen hat.

Dieses Bild brachte mir viel Ehre ein. Der Inspector wies es in seiner
Herzensfreude bei allen meinen Kameraden herum, und nun wollte jeder von
mir gemalt sein. Mit allerlei Künsten wurde der Inspector dazu gebracht, daß
er die einzelnen Freunde von mir zu uns hereinließ. Meine Malerwerkstatt
war ebenso gut wie jede andere. Das Licht siel schön von oben herab und
war das kühlste Nordlicht, was sich ein Maler wünschen kann. Aber außer¬
dem hatte ich noch einen großen Vortheil vor meinen andern Malercollegen
voraus: die Leute, die mir saßen, waren das Sitzen gewohnt, sie konnten
es auf die Länge aushalten, und wenn ich meinen Tisch ihnen ein bischen
knapp auf den Leib schob und Gr's. Stuhl bis auf einen halben Fuß an sie
heranrückte, dann saßen sie wie in einem Schraubstock, und cchappiren konnten
sie nicht, aushalten mußten sie, denn die Thür war zugeschlossen.

Hier muß ich aber eingestehen, daß ich mich in dieser Zeit sehr gegen das
Ebenbild Gottes versündigt habe. Ich habe Gesichter gemalt, die es niemals


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0462" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115314"/>
          <p xml:id="ID_1490" prev="#ID_1489"> der-Unteroffizier Altmann, so der Herr Pvstcommissarius mit seinem Ge¬<lb/>
neral Kalkreuth. der edle Oberst B. und Graf H. .,de irste Minschen-<lb/>
schinner in M." So die kleine Colonie der Mitgefangncu. wie wunder¬<lb/>
liche Käuze auch darunter sind. So auch der Platzmajor, dem &#x201E;die<lb/>
Fliegen seinen rothen Kragen wegfressen" &#x2014; eine Geschichte, die wir als<lb/>
Probe aus dieser Reihenfolge hochkomischer Bilder auf tragischen Grunde<lb/>
herausgreifen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1491"> Der Gefangene legte sich auf der Festung M. eine Zeit lang aufs Malen,<lb/>
besonders auf Portraits.  Er erzählt:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1492"> &#x201E;Mein alter Freund Gr. mußte zuerst dran. Ich habe ihn von rechts und<lb/>
von links, von vorn und von hinten gemalt, mit Bleistift und schwarzer<lb/>
Kreide und auch bunt, dann einmal mit einem blauen Hintergrund, dann ein¬<lb/>
mal ganz in Wolken und einmal wieder mit einem prachtvollen rosenrothen<lb/>
Schein, wie wenn des Abends die Sonne untergeht. Dies Stück hatte mir<lb/>
viel Mühe gekostet, und als es fertig war, sah es gar nicht danach aus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1493"> Als Gr. vollständig ausgenutzt war, kam der Herr Inspector an die Reihe.<lb/>
Das Bild sollte für seine Braut, ich mußte ihn also ein Bischen verschönern,<lb/>
und er mußte auch ein Bischen freundlich aussehen. Schwer ist mir's gewor¬<lb/>
den, aber zurecht hab' ich's doch gekriegt. Zum Glück hatte er eine etwas<lb/>
lange Nase, und als ich die gefaßt hatte, dann mußte alles das Andere nach,<lb/>
es mochte wollen oder nicht. &#x2014; Aber die Freundlichkeit und das liebliche Aus¬<lb/>
sehen? Auch damit kam ich zu Stande; ich knipp ihm die Augen ein wenig zu¬<lb/>
sammen, machte ihm auf die Backen eine kleine Anschwellung, zog den Mund<lb/>
an den beiden Enden ein Viertelzoll in die Höhe und machte ihm da ein paar<lb/>
richtige Falten, daß er aussah wie ein Knopfloch, welches ein tüchtiger Schnei¬<lb/>
der links und rechts gut umstechen hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1494"> Dieses Bild brachte mir viel Ehre ein. Der Inspector wies es in seiner<lb/>
Herzensfreude bei allen meinen Kameraden herum, und nun wollte jeder von<lb/>
mir gemalt sein. Mit allerlei Künsten wurde der Inspector dazu gebracht, daß<lb/>
er die einzelnen Freunde von mir zu uns hereinließ. Meine Malerwerkstatt<lb/>
war ebenso gut wie jede andere. Das Licht siel schön von oben herab und<lb/>
war das kühlste Nordlicht, was sich ein Maler wünschen kann. Aber außer¬<lb/>
dem hatte ich noch einen großen Vortheil vor meinen andern Malercollegen<lb/>
voraus: die Leute, die mir saßen, waren das Sitzen gewohnt, sie konnten<lb/>
es auf die Länge aushalten, und wenn ich meinen Tisch ihnen ein bischen<lb/>
knapp auf den Leib schob und Gr's. Stuhl bis auf einen halben Fuß an sie<lb/>
heranrückte, dann saßen sie wie in einem Schraubstock, und cchappiren konnten<lb/>
sie nicht, aushalten mußten sie, denn die Thür war zugeschlossen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1495" next="#ID_1496"> Hier muß ich aber eingestehen, daß ich mich in dieser Zeit sehr gegen das<lb/>
Ebenbild Gottes versündigt habe. Ich habe Gesichter gemalt, die es niemals</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0462] der-Unteroffizier Altmann, so der Herr Pvstcommissarius mit seinem Ge¬ neral Kalkreuth. der edle Oberst B. und Graf H. .,de irste Minschen- schinner in M." So die kleine Colonie der Mitgefangncu. wie wunder¬ liche Käuze auch darunter sind. So auch der Platzmajor, dem „die Fliegen seinen rothen Kragen wegfressen" — eine Geschichte, die wir als Probe aus dieser Reihenfolge hochkomischer Bilder auf tragischen Grunde herausgreifen. Der Gefangene legte sich auf der Festung M. eine Zeit lang aufs Malen, besonders auf Portraits. Er erzählt: „Mein alter Freund Gr. mußte zuerst dran. Ich habe ihn von rechts und von links, von vorn und von hinten gemalt, mit Bleistift und schwarzer Kreide und auch bunt, dann einmal mit einem blauen Hintergrund, dann ein¬ mal ganz in Wolken und einmal wieder mit einem prachtvollen rosenrothen Schein, wie wenn des Abends die Sonne untergeht. Dies Stück hatte mir viel Mühe gekostet, und als es fertig war, sah es gar nicht danach aus. Als Gr. vollständig ausgenutzt war, kam der Herr Inspector an die Reihe. Das Bild sollte für seine Braut, ich mußte ihn also ein Bischen verschönern, und er mußte auch ein Bischen freundlich aussehen. Schwer ist mir's gewor¬ den, aber zurecht hab' ich's doch gekriegt. Zum Glück hatte er eine etwas lange Nase, und als ich die gefaßt hatte, dann mußte alles das Andere nach, es mochte wollen oder nicht. — Aber die Freundlichkeit und das liebliche Aus¬ sehen? Auch damit kam ich zu Stande; ich knipp ihm die Augen ein wenig zu¬ sammen, machte ihm auf die Backen eine kleine Anschwellung, zog den Mund an den beiden Enden ein Viertelzoll in die Höhe und machte ihm da ein paar richtige Falten, daß er aussah wie ein Knopfloch, welches ein tüchtiger Schnei¬ der links und rechts gut umstechen hat. Dieses Bild brachte mir viel Ehre ein. Der Inspector wies es in seiner Herzensfreude bei allen meinen Kameraden herum, und nun wollte jeder von mir gemalt sein. Mit allerlei Künsten wurde der Inspector dazu gebracht, daß er die einzelnen Freunde von mir zu uns hereinließ. Meine Malerwerkstatt war ebenso gut wie jede andere. Das Licht siel schön von oben herab und war das kühlste Nordlicht, was sich ein Maler wünschen kann. Aber außer¬ dem hatte ich noch einen großen Vortheil vor meinen andern Malercollegen voraus: die Leute, die mir saßen, waren das Sitzen gewohnt, sie konnten es auf die Länge aushalten, und wenn ich meinen Tisch ihnen ein bischen knapp auf den Leib schob und Gr's. Stuhl bis auf einen halben Fuß an sie heranrückte, dann saßen sie wie in einem Schraubstock, und cchappiren konnten sie nicht, aushalten mußten sie, denn die Thür war zugeschlossen. Hier muß ich aber eingestehen, daß ich mich in dieser Zeit sehr gegen das Ebenbild Gottes versündigt habe. Ich habe Gesichter gemalt, die es niemals

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/462
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/462>, abgerufen am 20.10.2024.