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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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ein solcher Fall noch keinen von der Tischgesellschaft betroffen hatte, welche da"
Getränk, nach der Quantität, die genossen wurde, zu urtheilen, außerordentlich
zu goutiren schien. Hätte ich damals gewußtwelche Prüfungen mir von der
schottischen Gastfreundschaft noch bevorstanden!

Die Nachmittage wurden dem Geschäft gewidmet, und erst der Abend
führte uns nach dem Appell mit unsern Freunden im engen Zelte wieder zu¬
sammen.

Als wir am Tage nach unsrer Ankunft ruhig unsre Pfeifen rauchten und
das gewöhnliche Thema, den Krieg und die Möglichkeit seiner Dauer, abhan¬
delten, verbreitete sich mit einem Male die Nachricht im Lager: "Die Gefan¬
genen von Bulls Rum sind angekommen!" Das Regiment hatte sich in jener ersten
verhängnißvollen Schlacht ausgezeichnet gehalten und vor allen andern gelitten.
Manche waren gefallen, verwundet und gefangen genommen und nach Rich-
mono geschleppt, von wo sie jetzt nach neunmonatlicher Haft auf dem Wege
der Auswechselung zurückkehrten. Auf Parole hatten sie nicht gehen wollen,
da sie nicht auf die Rache verzichten konnten, welche sie an ihrem Feinde zu
nehmen gedachten.

Wie ein elektrischer Schlag wirkte die Nachricht im Lager des Regiments.
Die Trommeln wirbelten; der nationale Dudelsack quiekte, im Nu waren aus
dem benachbarten Holze Fackeln und Kienbrände gelokt. und in Zeit von einer
Viertelstunde war die imposanteste und eigenthümlichste Demonstration zu
Stande gebracht, welcher ich jemals beigewohnt habe. Das ganze Regiment
hatte eine Gasse gebildet und jeder sich, so gut es in der Eile gehen wollte,
mit einem Beleuchtungsinstrument versehen oder sich auf irgend eine andere
Weise bemerklich gemacht, um seine Theilnahme an dem Ereignisse an den
Tag zu legen. Die dunkelrothe Gluth, welche sich über die ganze Gegend
gelagert hatte, und dazu das erhebende Gefühl, welches die Regimentsehre bei
der Rückkehr der Tapferen einem jeden- Betheiligten einflößen mußte, verur¬
sachten für eine Zeit lang eine feierliche Stimmung, welche sich in lautloser
Stille aussprach.

Da erscholl aus der Ferne Musik; sie kam näher und näher, und bald
verkündete ein ungeheures Jubelgeschrei von der andern Seite des Lagers, daß
die Erwarteten die Grenze desselben überschritten hatten. Das Musikcorps
voran marschirten sie unter Führung der beiden Offiziere, welche ihre Gefangen¬
schaft getheilt hatten, mehrmals durch die ganze Länge der Zeltgasse. Die
meisten waren noch bleich und hohläugig von Wunden und Leiden, welche sie
in den Tabakshäusern von Richmond auszustehen gehabt hatten, und unwill-
kürlick^ traten uns die Thränen in die Augen, als wir sie fast überwältigt von
dem Eindruck des Augenblicks, unter endlosem Jubel, Cheers, Händedrücken
und Mützenschwenken, still an uns Vorbeimarschiren sahen.


ein solcher Fall noch keinen von der Tischgesellschaft betroffen hatte, welche da«
Getränk, nach der Quantität, die genossen wurde, zu urtheilen, außerordentlich
zu goutiren schien. Hätte ich damals gewußtwelche Prüfungen mir von der
schottischen Gastfreundschaft noch bevorstanden!

Die Nachmittage wurden dem Geschäft gewidmet, und erst der Abend
führte uns nach dem Appell mit unsern Freunden im engen Zelte wieder zu¬
sammen.

Als wir am Tage nach unsrer Ankunft ruhig unsre Pfeifen rauchten und
das gewöhnliche Thema, den Krieg und die Möglichkeit seiner Dauer, abhan¬
delten, verbreitete sich mit einem Male die Nachricht im Lager: „Die Gefan¬
genen von Bulls Rum sind angekommen!" Das Regiment hatte sich in jener ersten
verhängnißvollen Schlacht ausgezeichnet gehalten und vor allen andern gelitten.
Manche waren gefallen, verwundet und gefangen genommen und nach Rich-
mono geschleppt, von wo sie jetzt nach neunmonatlicher Haft auf dem Wege
der Auswechselung zurückkehrten. Auf Parole hatten sie nicht gehen wollen,
da sie nicht auf die Rache verzichten konnten, welche sie an ihrem Feinde zu
nehmen gedachten.

Wie ein elektrischer Schlag wirkte die Nachricht im Lager des Regiments.
Die Trommeln wirbelten; der nationale Dudelsack quiekte, im Nu waren aus
dem benachbarten Holze Fackeln und Kienbrände gelokt. und in Zeit von einer
Viertelstunde war die imposanteste und eigenthümlichste Demonstration zu
Stande gebracht, welcher ich jemals beigewohnt habe. Das ganze Regiment
hatte eine Gasse gebildet und jeder sich, so gut es in der Eile gehen wollte,
mit einem Beleuchtungsinstrument versehen oder sich auf irgend eine andere
Weise bemerklich gemacht, um seine Theilnahme an dem Ereignisse an den
Tag zu legen. Die dunkelrothe Gluth, welche sich über die ganze Gegend
gelagert hatte, und dazu das erhebende Gefühl, welches die Regimentsehre bei
der Rückkehr der Tapferen einem jeden- Betheiligten einflößen mußte, verur¬
sachten für eine Zeit lang eine feierliche Stimmung, welche sich in lautloser
Stille aussprach.

Da erscholl aus der Ferne Musik; sie kam näher und näher, und bald
verkündete ein ungeheures Jubelgeschrei von der andern Seite des Lagers, daß
die Erwarteten die Grenze desselben überschritten hatten. Das Musikcorps
voran marschirten sie unter Führung der beiden Offiziere, welche ihre Gefangen¬
schaft getheilt hatten, mehrmals durch die ganze Länge der Zeltgasse. Die
meisten waren noch bleich und hohläugig von Wunden und Leiden, welche sie
in den Tabakshäusern von Richmond auszustehen gehabt hatten, und unwill-
kürlick^ traten uns die Thränen in die Augen, als wir sie fast überwältigt von
dem Eindruck des Augenblicks, unter endlosem Jubel, Cheers, Händedrücken
und Mützenschwenken, still an uns Vorbeimarschiren sahen.


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[0276] ein solcher Fall noch keinen von der Tischgesellschaft betroffen hatte, welche da« Getränk, nach der Quantität, die genossen wurde, zu urtheilen, außerordentlich zu goutiren schien. Hätte ich damals gewußtwelche Prüfungen mir von der schottischen Gastfreundschaft noch bevorstanden! Die Nachmittage wurden dem Geschäft gewidmet, und erst der Abend führte uns nach dem Appell mit unsern Freunden im engen Zelte wieder zu¬ sammen. Als wir am Tage nach unsrer Ankunft ruhig unsre Pfeifen rauchten und das gewöhnliche Thema, den Krieg und die Möglichkeit seiner Dauer, abhan¬ delten, verbreitete sich mit einem Male die Nachricht im Lager: „Die Gefan¬ genen von Bulls Rum sind angekommen!" Das Regiment hatte sich in jener ersten verhängnißvollen Schlacht ausgezeichnet gehalten und vor allen andern gelitten. Manche waren gefallen, verwundet und gefangen genommen und nach Rich- mono geschleppt, von wo sie jetzt nach neunmonatlicher Haft auf dem Wege der Auswechselung zurückkehrten. Auf Parole hatten sie nicht gehen wollen, da sie nicht auf die Rache verzichten konnten, welche sie an ihrem Feinde zu nehmen gedachten. Wie ein elektrischer Schlag wirkte die Nachricht im Lager des Regiments. Die Trommeln wirbelten; der nationale Dudelsack quiekte, im Nu waren aus dem benachbarten Holze Fackeln und Kienbrände gelokt. und in Zeit von einer Viertelstunde war die imposanteste und eigenthümlichste Demonstration zu Stande gebracht, welcher ich jemals beigewohnt habe. Das ganze Regiment hatte eine Gasse gebildet und jeder sich, so gut es in der Eile gehen wollte, mit einem Beleuchtungsinstrument versehen oder sich auf irgend eine andere Weise bemerklich gemacht, um seine Theilnahme an dem Ereignisse an den Tag zu legen. Die dunkelrothe Gluth, welche sich über die ganze Gegend gelagert hatte, und dazu das erhebende Gefühl, welches die Regimentsehre bei der Rückkehr der Tapferen einem jeden- Betheiligten einflößen mußte, verur¬ sachten für eine Zeit lang eine feierliche Stimmung, welche sich in lautloser Stille aussprach. Da erscholl aus der Ferne Musik; sie kam näher und näher, und bald verkündete ein ungeheures Jubelgeschrei von der andern Seite des Lagers, daß die Erwarteten die Grenze desselben überschritten hatten. Das Musikcorps voran marschirten sie unter Führung der beiden Offiziere, welche ihre Gefangen¬ schaft getheilt hatten, mehrmals durch die ganze Länge der Zeltgasse. Die meisten waren noch bleich und hohläugig von Wunden und Leiden, welche sie in den Tabakshäusern von Richmond auszustehen gehabt hatten, und unwill- kürlick^ traten uns die Thränen in die Augen, als wir sie fast überwältigt von dem Eindruck des Augenblicks, unter endlosem Jubel, Cheers, Händedrücken und Mützenschwenken, still an uns Vorbeimarschiren sahen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/276>, abgerufen am 20.10.2024.