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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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"Verehrter und ausgezeichneter Herr!

Im Mondmonat Bhadrpad, dem ?0, vor Beginn der kalten Jahreszeit,
hat der angesehene John Chartier, der als amerikanischer Konsul in unsrer
Hauptstadt fungirt, unserm Staatsminister angezeigt, daß er uns eine Anzahl
Bücher als Geschenk nebst einem officiellen Schreiben zu übergehen habe, worauf
wir befohlen, dies mit allen Ehren zu empfangen, welche in Siam bei solchen
Sendungen von den Gebietern großer Nationen gebräuchlich sind. Dies ge¬
schah in zahlreicher Versammlung der Königlichen Prinzen und Edlen vom
höchsten Range, in voller Hofuniform. als wenn es einem Besuch des Präsiden¬
ten gälte. Vor diesem unserm Hofe ward der Brief empfangen und uns wört¬
lich übersetzt. Wir danken dem Präsidenten sehr verbindlich für den Ausdruck
seiner freundschaftlichen Gefühle die ihn bewogen uns Werke zu senden, welche
zu unserer Erleuchtung in verschiedenen Zweigen der Wissenschaft unzweifelhaft
dienen werden. Es freut uns auch aus dem Schreiben zu ersehen, daß unsre
Geschenke, welche wir an Ihren Borgänger, Seine vortreffliche Präsidentschaft.
Franklin Pierce, gesandt, in Washington, dem Sitz der Regierung angelangt sind."

"Es ist beobachtet, daß nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge unter
wilden Stämmen der Stärkste sich durch eigne Macht und mit Hilfe seiner
Freunde zum Gebieter macht, gleichviel ob dies der Mehrheit genehm oder
zuwider ist. Aber in den meisten Ländern, wo die Leute einigermaßen gebildet,
wo irgend Gesetze herrschen und die Sitten gut sind, wird der Preiswürdigste
und Geehrteste im Volke einmüthig zum Obersten im Lande gewählt und zur
Rettung, zum Pfeiler des Staates gemacht. So zur Regierung erhoben bleibt
er gewöhnlich an der Herrschaft, wenn er Unglück, Krankheit oder gewaltsamen
Tode entgeht und fähig ist seine Unterthanen zu regieren, sowohl die, welche
ihm wirklich anhängen als die, welche gezwungen werden loyal zu sein. Unter
solchen Herrschern ist es üblich geworden, von Zeit zu Zeit Briefe und Ge¬
schenke auszutauschen, die allein für den Souverain bestimmt sind, über die er
also frei zu verfügen hat, und die er gewöhnlich bis an sein Lebensende behält,
wo sie dann seinem Nachfolget durch die Minister überantwortet werden."

"Nun ist es in den Vereinigten Staaten seit der berühmten Präsidentschaft
von George Washington Sitte gewesen. Personen für die höchsten Aemter zu
wählen und sie zum Präsidenten und Vicepräsidenten für eine bestimmte Zeit,
nämlich 4 oder 8 Jahre zu erheben. Daß diese Sitte so lange dauern konnte
ohne Störung, ohne Kampf um den Besitz der höchsten Macht, wie dersehe in
andern Ländern geführt wird, ist in der That höchst merkwürdig und alles
Preises werth."

"Nachdem wir nun nach Abschluß des Vertrages mit den Vereinigten
Staaten an den Präsidenten eine Reihe von Geschenken gesandt, hörten wir,
daß die amerikanischen Gesetze demselben verbieten, diese für sich anzunehmen


„Verehrter und ausgezeichneter Herr!

Im Mondmonat Bhadrpad, dem ?0, vor Beginn der kalten Jahreszeit,
hat der angesehene John Chartier, der als amerikanischer Konsul in unsrer
Hauptstadt fungirt, unserm Staatsminister angezeigt, daß er uns eine Anzahl
Bücher als Geschenk nebst einem officiellen Schreiben zu übergehen habe, worauf
wir befohlen, dies mit allen Ehren zu empfangen, welche in Siam bei solchen
Sendungen von den Gebietern großer Nationen gebräuchlich sind. Dies ge¬
schah in zahlreicher Versammlung der Königlichen Prinzen und Edlen vom
höchsten Range, in voller Hofuniform. als wenn es einem Besuch des Präsiden¬
ten gälte. Vor diesem unserm Hofe ward der Brief empfangen und uns wört¬
lich übersetzt. Wir danken dem Präsidenten sehr verbindlich für den Ausdruck
seiner freundschaftlichen Gefühle die ihn bewogen uns Werke zu senden, welche
zu unserer Erleuchtung in verschiedenen Zweigen der Wissenschaft unzweifelhaft
dienen werden. Es freut uns auch aus dem Schreiben zu ersehen, daß unsre
Geschenke, welche wir an Ihren Borgänger, Seine vortreffliche Präsidentschaft.
Franklin Pierce, gesandt, in Washington, dem Sitz der Regierung angelangt sind."

„Es ist beobachtet, daß nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge unter
wilden Stämmen der Stärkste sich durch eigne Macht und mit Hilfe seiner
Freunde zum Gebieter macht, gleichviel ob dies der Mehrheit genehm oder
zuwider ist. Aber in den meisten Ländern, wo die Leute einigermaßen gebildet,
wo irgend Gesetze herrschen und die Sitten gut sind, wird der Preiswürdigste
und Geehrteste im Volke einmüthig zum Obersten im Lande gewählt und zur
Rettung, zum Pfeiler des Staates gemacht. So zur Regierung erhoben bleibt
er gewöhnlich an der Herrschaft, wenn er Unglück, Krankheit oder gewaltsamen
Tode entgeht und fähig ist seine Unterthanen zu regieren, sowohl die, welche
ihm wirklich anhängen als die, welche gezwungen werden loyal zu sein. Unter
solchen Herrschern ist es üblich geworden, von Zeit zu Zeit Briefe und Ge¬
schenke auszutauschen, die allein für den Souverain bestimmt sind, über die er
also frei zu verfügen hat, und die er gewöhnlich bis an sein Lebensende behält,
wo sie dann seinem Nachfolget durch die Minister überantwortet werden."

„Nun ist es in den Vereinigten Staaten seit der berühmten Präsidentschaft
von George Washington Sitte gewesen. Personen für die höchsten Aemter zu
wählen und sie zum Präsidenten und Vicepräsidenten für eine bestimmte Zeit,
nämlich 4 oder 8 Jahre zu erheben. Daß diese Sitte so lange dauern konnte
ohne Störung, ohne Kampf um den Besitz der höchsten Macht, wie dersehe in
andern Ländern geführt wird, ist in der That höchst merkwürdig und alles
Preises werth."

„Nachdem wir nun nach Abschluß des Vertrages mit den Vereinigten
Staaten an den Präsidenten eine Reihe von Geschenken gesandt, hörten wir,
daß die amerikanischen Gesetze demselben verbieten, diese für sich anzunehmen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/86>, abgerufen am 05.02.2025.