Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

So müssen also die übrigen Provinzen zu der Verwaltung dieses Landes
beitragen, um besten Falles in Kriegszeiten etwa 30.000 Mann weniger
stellen zu dürfen! Und diese Truppenmacht ist besonders gegenwärtig von ziem¬
lich zweifelhaftem Werthe,

Daß jedoch die Militärgesehe auch auf die nichtmilitärpflichtigcn Ange¬
hörigen der Grenzsoldaten ausgedehnt werden und das Land somit unter einer
Art beständigen Belagerungszustandes steht, ist eine offenbare Ungerechtigkeit
und eine der Schattenseiten des Grenzinstitutes, dürste aber wohl in nächster
Zukunft ein Ende finden.

Die Schulen, viele andere öffentliche Anstalten, der Ackerbau, die Vieh¬
zucht, insbesondere aber der Handel und die Industrie stehen allerdings auf
einer sehr nieder" Stufe, doch scheint daran weniger die Verfassung des Landes,
als vielmehr die Inferiorität der Bevölkerung die Schuld zu tragen. Denn
die Zustände in den benachbarten slavonischen und kroatischen Provinzen sind
um nichts besser, ja in manchen Gebieten weit trostloser. Freilich ist dann
noch immer der östreichischen Regierung der Vorwurf zu machen, daß sie die
Bevölkerung jener Provinzen nicht aus ihrer Indolenz erweckt und zu größerem
Fleiße und Unternehmungsgeiste angespornt habe.

Die Grenztruppen an und für sich betrachtet stehen -- gelinde gesagt --
wenigstens gegenwärtig nicht in der Reihe der vorzüglichsten östreichischen
Truppen. Ueber ihr Verhalten im eigenen Lande und ihre Verwendbarkeit
daselbst läßt sich allerdings viel Lvbenswcrthes sagen, doch will dieses nur
wenig bedeuten. Der Grenzer ist an die Einrichtungen seines Landes und an
seinen Dienst von Kindheit her gewöhnt, er gehört selbst zur bewaffneten
Macht und legt daher der Thätigkeit derselben keine Hindernisse in den Weg.
Er verfolgt den aus sein Gebiet eingedrungenen türkischen Räuber nicht nur,
weil ihn die Pflicht dazu auffordert, sondern auch aus persönlichem Interesse,
weil er sein Eigenthum bewahren will und weil er den Türken von Jugend
auf als seinen Todfeind zu betrachten gelernt hat. Auf die ihm gleichfalls
obliegende Verhinderung des Schmuggels aber verwendet er, wenn es ihm keinen
Vortheil verspricht, keinen übergroßen Eifer, daher der Werth der über die
Militärgrenze nach Oestreich eingeschmuggelten Waaren immer eine ganz artige
Summe erreicht. Seinen Offizieren ist der Grenzer mit sklavischer Unterwürfig¬
keit zugethan, vorausgesetzt, daß sie seiner Nationalität sind oder wenigstens
seine Sprache sprechen und sich die Sitten des Landes angeeignet haben, wo¬
gegen die bei den Grenztruppen eingetheilten deutschen oder ungarischen Offi-
ziere oft einen sehr schweren Stand haben. Ebenso werden auch die zufällig
im Lande stationirten oder durchmarschirenden regulären östreichischen Truppen
mit scheelen Augen betrachtet. Aeußerlich beehrt freilich der Grenzer den ihm
gleichstehenden Militär der Linie bei jeder Gelegenheit mit der Anrede "Bruder


So müssen also die übrigen Provinzen zu der Verwaltung dieses Landes
beitragen, um besten Falles in Kriegszeiten etwa 30.000 Mann weniger
stellen zu dürfen! Und diese Truppenmacht ist besonders gegenwärtig von ziem¬
lich zweifelhaftem Werthe,

Daß jedoch die Militärgesehe auch auf die nichtmilitärpflichtigcn Ange¬
hörigen der Grenzsoldaten ausgedehnt werden und das Land somit unter einer
Art beständigen Belagerungszustandes steht, ist eine offenbare Ungerechtigkeit
und eine der Schattenseiten des Grenzinstitutes, dürste aber wohl in nächster
Zukunft ein Ende finden.

Die Schulen, viele andere öffentliche Anstalten, der Ackerbau, die Vieh¬
zucht, insbesondere aber der Handel und die Industrie stehen allerdings auf
einer sehr nieder» Stufe, doch scheint daran weniger die Verfassung des Landes,
als vielmehr die Inferiorität der Bevölkerung die Schuld zu tragen. Denn
die Zustände in den benachbarten slavonischen und kroatischen Provinzen sind
um nichts besser, ja in manchen Gebieten weit trostloser. Freilich ist dann
noch immer der östreichischen Regierung der Vorwurf zu machen, daß sie die
Bevölkerung jener Provinzen nicht aus ihrer Indolenz erweckt und zu größerem
Fleiße und Unternehmungsgeiste angespornt habe.

Die Grenztruppen an und für sich betrachtet stehen — gelinde gesagt —
wenigstens gegenwärtig nicht in der Reihe der vorzüglichsten östreichischen
Truppen. Ueber ihr Verhalten im eigenen Lande und ihre Verwendbarkeit
daselbst läßt sich allerdings viel Lvbenswcrthes sagen, doch will dieses nur
wenig bedeuten. Der Grenzer ist an die Einrichtungen seines Landes und an
seinen Dienst von Kindheit her gewöhnt, er gehört selbst zur bewaffneten
Macht und legt daher der Thätigkeit derselben keine Hindernisse in den Weg.
Er verfolgt den aus sein Gebiet eingedrungenen türkischen Räuber nicht nur,
weil ihn die Pflicht dazu auffordert, sondern auch aus persönlichem Interesse,
weil er sein Eigenthum bewahren will und weil er den Türken von Jugend
auf als seinen Todfeind zu betrachten gelernt hat. Auf die ihm gleichfalls
obliegende Verhinderung des Schmuggels aber verwendet er, wenn es ihm keinen
Vortheil verspricht, keinen übergroßen Eifer, daher der Werth der über die
Militärgrenze nach Oestreich eingeschmuggelten Waaren immer eine ganz artige
Summe erreicht. Seinen Offizieren ist der Grenzer mit sklavischer Unterwürfig¬
keit zugethan, vorausgesetzt, daß sie seiner Nationalität sind oder wenigstens
seine Sprache sprechen und sich die Sitten des Landes angeeignet haben, wo¬
gegen die bei den Grenztruppen eingetheilten deutschen oder ungarischen Offi-
ziere oft einen sehr schweren Stand haben. Ebenso werden auch die zufällig
im Lande stationirten oder durchmarschirenden regulären östreichischen Truppen
mit scheelen Augen betrachtet. Aeußerlich beehrt freilich der Grenzer den ihm
gleichstehenden Militär der Linie bei jeder Gelegenheit mit der Anrede „Bruder


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0074" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114388"/>
            <p xml:id="ID_249"> So müssen also die übrigen Provinzen zu der Verwaltung dieses Landes<lb/>
beitragen, um besten Falles in Kriegszeiten etwa 30.000 Mann weniger<lb/>
stellen zu dürfen! Und diese Truppenmacht ist besonders gegenwärtig von ziem¬<lb/>
lich zweifelhaftem Werthe,</p><lb/>
            <p xml:id="ID_250"> Daß jedoch die Militärgesehe auch auf die nichtmilitärpflichtigcn Ange¬<lb/>
hörigen der Grenzsoldaten ausgedehnt werden und das Land somit unter einer<lb/>
Art beständigen Belagerungszustandes steht, ist eine offenbare Ungerechtigkeit<lb/>
und eine der Schattenseiten des Grenzinstitutes, dürste aber wohl in nächster<lb/>
Zukunft ein Ende finden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_251"> Die Schulen, viele andere öffentliche Anstalten, der Ackerbau, die Vieh¬<lb/>
zucht, insbesondere aber der Handel und die Industrie stehen allerdings auf<lb/>
einer sehr nieder» Stufe, doch scheint daran weniger die Verfassung des Landes,<lb/>
als vielmehr die Inferiorität der Bevölkerung die Schuld zu tragen. Denn<lb/>
die Zustände in den benachbarten slavonischen und kroatischen Provinzen sind<lb/>
um nichts besser, ja in manchen Gebieten weit trostloser. Freilich ist dann<lb/>
noch immer der östreichischen Regierung der Vorwurf zu machen, daß sie die<lb/>
Bevölkerung jener Provinzen nicht aus ihrer Indolenz erweckt und zu größerem<lb/>
Fleiße und Unternehmungsgeiste angespornt habe.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_252" next="#ID_253"> Die Grenztruppen an und für sich betrachtet stehen &#x2014; gelinde gesagt &#x2014;<lb/>
wenigstens gegenwärtig nicht in der Reihe der vorzüglichsten östreichischen<lb/>
Truppen. Ueber ihr Verhalten im eigenen Lande und ihre Verwendbarkeit<lb/>
daselbst läßt sich allerdings viel Lvbenswcrthes sagen, doch will dieses nur<lb/>
wenig bedeuten. Der Grenzer ist an die Einrichtungen seines Landes und an<lb/>
seinen Dienst von Kindheit her gewöhnt, er gehört selbst zur bewaffneten<lb/>
Macht und legt daher der Thätigkeit derselben keine Hindernisse in den Weg.<lb/>
Er verfolgt den aus sein Gebiet eingedrungenen türkischen Räuber nicht nur,<lb/>
weil ihn die Pflicht dazu auffordert, sondern auch aus persönlichem Interesse,<lb/>
weil er sein Eigenthum bewahren will und weil er den Türken von Jugend<lb/>
auf als seinen Todfeind zu betrachten gelernt hat. Auf die ihm gleichfalls<lb/>
obliegende Verhinderung des Schmuggels aber verwendet er, wenn es ihm keinen<lb/>
Vortheil verspricht, keinen übergroßen Eifer, daher der Werth der über die<lb/>
Militärgrenze nach Oestreich eingeschmuggelten Waaren immer eine ganz artige<lb/>
Summe erreicht. Seinen Offizieren ist der Grenzer mit sklavischer Unterwürfig¬<lb/>
keit zugethan, vorausgesetzt, daß sie seiner Nationalität sind oder wenigstens<lb/>
seine Sprache sprechen und sich die Sitten des Landes angeeignet haben, wo¬<lb/>
gegen die bei den Grenztruppen eingetheilten deutschen oder ungarischen Offi-<lb/>
ziere oft einen sehr schweren Stand haben. Ebenso werden auch die zufällig<lb/>
im Lande stationirten oder durchmarschirenden regulären östreichischen Truppen<lb/>
mit scheelen Augen betrachtet. Aeußerlich beehrt freilich der Grenzer den ihm<lb/>
gleichstehenden Militär der Linie bei jeder Gelegenheit mit der Anrede &#x201E;Bruder</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0074] So müssen also die übrigen Provinzen zu der Verwaltung dieses Landes beitragen, um besten Falles in Kriegszeiten etwa 30.000 Mann weniger stellen zu dürfen! Und diese Truppenmacht ist besonders gegenwärtig von ziem¬ lich zweifelhaftem Werthe, Daß jedoch die Militärgesehe auch auf die nichtmilitärpflichtigcn Ange¬ hörigen der Grenzsoldaten ausgedehnt werden und das Land somit unter einer Art beständigen Belagerungszustandes steht, ist eine offenbare Ungerechtigkeit und eine der Schattenseiten des Grenzinstitutes, dürste aber wohl in nächster Zukunft ein Ende finden. Die Schulen, viele andere öffentliche Anstalten, der Ackerbau, die Vieh¬ zucht, insbesondere aber der Handel und die Industrie stehen allerdings auf einer sehr nieder» Stufe, doch scheint daran weniger die Verfassung des Landes, als vielmehr die Inferiorität der Bevölkerung die Schuld zu tragen. Denn die Zustände in den benachbarten slavonischen und kroatischen Provinzen sind um nichts besser, ja in manchen Gebieten weit trostloser. Freilich ist dann noch immer der östreichischen Regierung der Vorwurf zu machen, daß sie die Bevölkerung jener Provinzen nicht aus ihrer Indolenz erweckt und zu größerem Fleiße und Unternehmungsgeiste angespornt habe. Die Grenztruppen an und für sich betrachtet stehen — gelinde gesagt — wenigstens gegenwärtig nicht in der Reihe der vorzüglichsten östreichischen Truppen. Ueber ihr Verhalten im eigenen Lande und ihre Verwendbarkeit daselbst läßt sich allerdings viel Lvbenswcrthes sagen, doch will dieses nur wenig bedeuten. Der Grenzer ist an die Einrichtungen seines Landes und an seinen Dienst von Kindheit her gewöhnt, er gehört selbst zur bewaffneten Macht und legt daher der Thätigkeit derselben keine Hindernisse in den Weg. Er verfolgt den aus sein Gebiet eingedrungenen türkischen Räuber nicht nur, weil ihn die Pflicht dazu auffordert, sondern auch aus persönlichem Interesse, weil er sein Eigenthum bewahren will und weil er den Türken von Jugend auf als seinen Todfeind zu betrachten gelernt hat. Auf die ihm gleichfalls obliegende Verhinderung des Schmuggels aber verwendet er, wenn es ihm keinen Vortheil verspricht, keinen übergroßen Eifer, daher der Werth der über die Militärgrenze nach Oestreich eingeschmuggelten Waaren immer eine ganz artige Summe erreicht. Seinen Offizieren ist der Grenzer mit sklavischer Unterwürfig¬ keit zugethan, vorausgesetzt, daß sie seiner Nationalität sind oder wenigstens seine Sprache sprechen und sich die Sitten des Landes angeeignet haben, wo¬ gegen die bei den Grenztruppen eingetheilten deutschen oder ungarischen Offi- ziere oft einen sehr schweren Stand haben. Ebenso werden auch die zufällig im Lande stationirten oder durchmarschirenden regulären östreichischen Truppen mit scheelen Augen betrachtet. Aeußerlich beehrt freilich der Grenzer den ihm gleichstehenden Militär der Linie bei jeder Gelegenheit mit der Anrede „Bruder

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/74
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/74>, abgerufen am 05.02.2025.