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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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dem Staate durch den Fortbestand der Militärgrenze zu Gute kämen. Und
diejenigen, welche das Letztere behaupteten, kamen gewiß der Wahrheit sehr
nahe.

Auf eine Bevölkerung von 1,100,000 Seelen stellt die Militärgrenze
im Kriege 54,000 Mann, im Frieden etwa "0,000, so daß im ersteren
Falle auf ungefähr 23, im zweiten auf 40 bis 42 Einwohner ein Soldat
kommt.

Von dem der Gleichberechtigung und auch der Nothwendigkeit entsprechen¬
den Grundsätze der allgemeinen Wehrpflicht (weiche aber bis jetzt in Oestreich
wohl nominell, jedoch nicht factisch zur Geltung gekommen ist) ausgehend,
kann man das Verhältniß der Bevölkerung zum Kriegsstande der Grenztruppen
kein übermäßig hohes nennen, wenn man berücksichtigt, daß eigentlich nur die
Feldtruppen als Soldaten zu betrachten sind, während die im Lande verblei¬
benden Reservebataillone eben nur jenen Dienst versehen, welcher in andern
Staaten nach dem Ausmarsche der stehenden Truppen dem Landsturme, der
Nationalgarde oder Bürgerwehr auferlegt wird. Die Streiterzahl dürfte also
verhältnißmäßig nicht höher als in mehren deutschen Staaten oder in den
nördlichen Provinzen des Königreiches Italien entfallen.

Anders scheint freilich das Verhältniß des Friedensstandes zu sein. Aber
der Grenzer befindet sich während des Friedens fast beständig in seiner Heimath,
bei seinen Angehörigen und in seinem Besitzthume und gehört also thatsächlich
nur in die Kategorie der Milizen. Er verrichtet den Dienst, welcher seine
Thätigkeit den vierten Theil des Jahres in Anspruch nimmt, in seiner gewöhn¬
lichen Bauerntracht und mit ziemlicher Bequemlichkeit, und kehrt nach dessen
Vollstreckung wieder zu seiner Feldarbeit oder zu seinem Gewerbe zurück, wäh¬
rend der.aus den übrigen östreichischen Provinzen rekrutirte Soldat seine Dienst¬
zeit gewöhnlich fern von seinem Vaterlande verbringt, durch zehn Jahre aber,
auch selbst wenn er beurlaubt oder bereits in den Neservestand eingereiht ist,
wenn auch nicht gänzlich dem bürgerlichen Leben entzogen ist, so doch wenig¬
stens kein eigenes Gewerbe unternehmen und keine Ehe eingehen darf. End¬
lich aber vergesse man nicht die große Erleichterung, welche dem Grenz¬
bewohner den andern Oestreichern gegenüber durch den verhältnißmäßig noch
immer sehr niedrig zu nennenden Steuersuß zu . Gute kommt. Auch hat die
Grenzbevölkerung die Einquartierung^ und Vorspannsleistungen in geringerem
Maße zu tragen, als es in andern Provinzen der Fall ist.

Die gewöhnlichen Gemeindearbeiten werden selbstverständlich von der Be¬
völkerung verrichtet, dagegen aber werden die meisten Communal- und öffent¬
lichen Anstalten nicht aus den Mitteln des Landes, sondern auf Kosten des
allgemeinen Staatsschatzes erhalten, daher aus dem letzteren der Militärgrenze
alljährlich mehre Millionen zufließen.


Grenzboten III. 1S62. ' S

dem Staate durch den Fortbestand der Militärgrenze zu Gute kämen. Und
diejenigen, welche das Letztere behaupteten, kamen gewiß der Wahrheit sehr
nahe.

Auf eine Bevölkerung von 1,100,000 Seelen stellt die Militärgrenze
im Kriege 54,000 Mann, im Frieden etwa »0,000, so daß im ersteren
Falle auf ungefähr 23, im zweiten auf 40 bis 42 Einwohner ein Soldat
kommt.

Von dem der Gleichberechtigung und auch der Nothwendigkeit entsprechen¬
den Grundsätze der allgemeinen Wehrpflicht (weiche aber bis jetzt in Oestreich
wohl nominell, jedoch nicht factisch zur Geltung gekommen ist) ausgehend,
kann man das Verhältniß der Bevölkerung zum Kriegsstande der Grenztruppen
kein übermäßig hohes nennen, wenn man berücksichtigt, daß eigentlich nur die
Feldtruppen als Soldaten zu betrachten sind, während die im Lande verblei¬
benden Reservebataillone eben nur jenen Dienst versehen, welcher in andern
Staaten nach dem Ausmarsche der stehenden Truppen dem Landsturme, der
Nationalgarde oder Bürgerwehr auferlegt wird. Die Streiterzahl dürfte also
verhältnißmäßig nicht höher als in mehren deutschen Staaten oder in den
nördlichen Provinzen des Königreiches Italien entfallen.

Anders scheint freilich das Verhältniß des Friedensstandes zu sein. Aber
der Grenzer befindet sich während des Friedens fast beständig in seiner Heimath,
bei seinen Angehörigen und in seinem Besitzthume und gehört also thatsächlich
nur in die Kategorie der Milizen. Er verrichtet den Dienst, welcher seine
Thätigkeit den vierten Theil des Jahres in Anspruch nimmt, in seiner gewöhn¬
lichen Bauerntracht und mit ziemlicher Bequemlichkeit, und kehrt nach dessen
Vollstreckung wieder zu seiner Feldarbeit oder zu seinem Gewerbe zurück, wäh¬
rend der.aus den übrigen östreichischen Provinzen rekrutirte Soldat seine Dienst¬
zeit gewöhnlich fern von seinem Vaterlande verbringt, durch zehn Jahre aber,
auch selbst wenn er beurlaubt oder bereits in den Neservestand eingereiht ist,
wenn auch nicht gänzlich dem bürgerlichen Leben entzogen ist, so doch wenig¬
stens kein eigenes Gewerbe unternehmen und keine Ehe eingehen darf. End¬
lich aber vergesse man nicht die große Erleichterung, welche dem Grenz¬
bewohner den andern Oestreichern gegenüber durch den verhältnißmäßig noch
immer sehr niedrig zu nennenden Steuersuß zu . Gute kommt. Auch hat die
Grenzbevölkerung die Einquartierung^ und Vorspannsleistungen in geringerem
Maße zu tragen, als es in andern Provinzen der Fall ist.

Die gewöhnlichen Gemeindearbeiten werden selbstverständlich von der Be¬
völkerung verrichtet, dagegen aber werden die meisten Communal- und öffent¬
lichen Anstalten nicht aus den Mitteln des Landes, sondern auf Kosten des
allgemeinen Staatsschatzes erhalten, daher aus dem letzteren der Militärgrenze
alljährlich mehre Millionen zufließen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/73>, abgerufen am 05.02.2025.