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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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die Reparatur der Kirche aufgebürdet hat, und unter der Sorge, welche ihr die
Nothwendigkeit eines neuen Schulhauses bei ihrer Mittellosigkeit auflegt.

In Schlesien führt unser Bericht 51 bedürftige Gemeinden auf. Die
evangelische Kirche Schlesiens hat in der östreichischen Zeit fast so Schweres
geduldet als ihre Schwester in Böhmen. Auch hier siel ein sehr großer Theil
der Landesbevölkerung bereits in den ersten Jahren der Reformation Luthers
Lehre zu, und auch hier wurde dieselbe durch Soldaten und Jesuiten auf weite
Strecken hin wieder ausgerottet. Der von Kaiser Rudolph erkaufte Majestcitsvrief
schützte nicht, und ebenso wenig kam den Protestanten Schlesiens der Westphälische
Friede zu Gute. Erst seit Karl dem Zwölften und unter preußischer Herrschaft
wurde ihnen gestattet, sich Kirchen und Bethäuser zu bauen, und erst durch den
Gustav Adolf-Verein erhielten viele Gemeinden die Mittel, ihre kirchlichen Bedürfnisse
zur Noth zu befriedigen. Der Verein hat hier seit seinem Bestehen 13 Kirchen
und 15 Schulhäuser erbauen helfen. Durch seine Unterstützung ist es möglich
geworden, daß an 18 neuen Stellen evangelischer Gottesdienst, an 26 Schul¬
stunden, an 7 Consirmationsunterricht gehalten wird. Allenthalben sind durch
,ihn die Gemüther ermuntert, der Geist evangelischen Glaubens neubelebt worden.
Aber noch immer bleibt Viel zu thun übrig, noch viel zu stützen und zu bauen,
noch viel Terrain zurückzugewinnen. Noch gibt es hier Strecken von 4 bis 6
Quadratmeilen, die nur eine einzige protestantische Kirche aufweisen, noch gilt
von sehr vielen Gemeinden, namentlich in Oberschlesien, was vorhin von denen
in den Rheinlanden und in Westphalen gesagt wurde. Einige Beispiele mögen
zeigen, was für Zustande hier herrschen.

In Großlassowitz und den umliegenden Dörfern wohnen 12N0 Evangelische,
die, zerstreut unter .Katholiken lebend, nach dem zwei Meilen entfernten Kreuz¬
burg eingepfant sind. Seit einigen Jahren ist für dieselben in einer hierzu
geliehenen Stube zu Großlassowitz ein abwechselnd deutscher und polnischer
Gottesdienst eingerichtet, welchen ein Krcisvicar aus Kreuzburg abhält. Die
Betstube ist aber viel zu klein, auch steht zu befürchten, daß sie der Gemeinde
bald wieder entzogen werden wird. Letztere bedarf daher dringend einer eignen
Kirche, und dies um so mehr, als in der nächsten Nachbarschaft jene großartige
katholische Kirche zu Thule liegt, von der aus jährlich eine feierliche Procession
zum Andenken an die Zurückführung der Protestanten Schlesiens in die allein¬
seligmachende Kirche ausgeht. , Die Parvchien Beuthen und Königshütte serner,
die von Einem Pfarrer versehen werden, umfassen einige dreißig Dörfer. Das
Schulwesen liegt hier sehr im Argen, die beiden öffentlichen Schulen genügen
dem Bedürfniß der weithin zerstreut wohnenden Gemeindeglieder nicht entfernt.
Im Fürstenthum Pleß mußten noch vor wenigen Jahrzehnten die Evangelischen
vieler Orte zehn Meilen und noch weiter wandern, wenn sie einem Gottes¬
dienst ihres Glaubens beiwohnen wollten. Im Jahre 1818 wurde durch die


die Reparatur der Kirche aufgebürdet hat, und unter der Sorge, welche ihr die
Nothwendigkeit eines neuen Schulhauses bei ihrer Mittellosigkeit auflegt.

In Schlesien führt unser Bericht 51 bedürftige Gemeinden auf. Die
evangelische Kirche Schlesiens hat in der östreichischen Zeit fast so Schweres
geduldet als ihre Schwester in Böhmen. Auch hier siel ein sehr großer Theil
der Landesbevölkerung bereits in den ersten Jahren der Reformation Luthers
Lehre zu, und auch hier wurde dieselbe durch Soldaten und Jesuiten auf weite
Strecken hin wieder ausgerottet. Der von Kaiser Rudolph erkaufte Majestcitsvrief
schützte nicht, und ebenso wenig kam den Protestanten Schlesiens der Westphälische
Friede zu Gute. Erst seit Karl dem Zwölften und unter preußischer Herrschaft
wurde ihnen gestattet, sich Kirchen und Bethäuser zu bauen, und erst durch den
Gustav Adolf-Verein erhielten viele Gemeinden die Mittel, ihre kirchlichen Bedürfnisse
zur Noth zu befriedigen. Der Verein hat hier seit seinem Bestehen 13 Kirchen
und 15 Schulhäuser erbauen helfen. Durch seine Unterstützung ist es möglich
geworden, daß an 18 neuen Stellen evangelischer Gottesdienst, an 26 Schul¬
stunden, an 7 Consirmationsunterricht gehalten wird. Allenthalben sind durch
,ihn die Gemüther ermuntert, der Geist evangelischen Glaubens neubelebt worden.
Aber noch immer bleibt Viel zu thun übrig, noch viel zu stützen und zu bauen,
noch viel Terrain zurückzugewinnen. Noch gibt es hier Strecken von 4 bis 6
Quadratmeilen, die nur eine einzige protestantische Kirche aufweisen, noch gilt
von sehr vielen Gemeinden, namentlich in Oberschlesien, was vorhin von denen
in den Rheinlanden und in Westphalen gesagt wurde. Einige Beispiele mögen
zeigen, was für Zustande hier herrschen.

In Großlassowitz und den umliegenden Dörfern wohnen 12N0 Evangelische,
die, zerstreut unter .Katholiken lebend, nach dem zwei Meilen entfernten Kreuz¬
burg eingepfant sind. Seit einigen Jahren ist für dieselben in einer hierzu
geliehenen Stube zu Großlassowitz ein abwechselnd deutscher und polnischer
Gottesdienst eingerichtet, welchen ein Krcisvicar aus Kreuzburg abhält. Die
Betstube ist aber viel zu klein, auch steht zu befürchten, daß sie der Gemeinde
bald wieder entzogen werden wird. Letztere bedarf daher dringend einer eignen
Kirche, und dies um so mehr, als in der nächsten Nachbarschaft jene großartige
katholische Kirche zu Thule liegt, von der aus jährlich eine feierliche Procession
zum Andenken an die Zurückführung der Protestanten Schlesiens in die allein¬
seligmachende Kirche ausgeht. , Die Parvchien Beuthen und Königshütte serner,
die von Einem Pfarrer versehen werden, umfassen einige dreißig Dörfer. Das
Schulwesen liegt hier sehr im Argen, die beiden öffentlichen Schulen genügen
dem Bedürfniß der weithin zerstreut wohnenden Gemeindeglieder nicht entfernt.
Im Fürstenthum Pleß mußten noch vor wenigen Jahrzehnten die Evangelischen
vieler Orte zehn Meilen und noch weiter wandern, wenn sie einem Gottes¬
dienst ihres Glaubens beiwohnen wollten. Im Jahre 1818 wurde durch die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/59>, abgerufen am 11.02.2025.