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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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klärten, daß sie auch evangelisch zu sein wünschten, und acht sofort der neuen
Gemeinde sich anschlössen. Dieselbe ist von den Glaubensgenossen bereits mehr¬
fach unterstützt, aber auch von den Behörden wiederholt gehemmt und beein¬
trächtigt worden. Als im October das erste evangelisch getaufte Kind starb,
wehrte man dessen Beerdigung auf dem katholischen Friedhof, weigerte sich die
Eisenbahn, die Leiche zu transportiren, und so mußte es fünf Stunden weit
zu Grabe getragen werden. Als die Gemeinde dann im Mai 1861 einen eignen
Begräbnißplatz erwarb, zögerte die Behörde mit der Bestätigung, und als im
Sommer darauf wieder ein Kind zu bestatten war, wurde dessen Beerdigung
auf dem neuen Friedhof von Gendarmen gehindert, und Pfarrer Mvlnar war
genöthigt, es im Garten des Vaters zu begraben. Die Gemeinde aber ist da¬
durch nicht abgeschreckt worden, sie hat Bibeln, Erbauungsbücher und die nö¬
thigen heiligen Gefäße erhalten und wird, da ihre Unterstützung von Seiten
des Gustav-Adolf-Vereins in Aussicht steht, demnächst auch eine eigne Kirche
und einen eignen Pfarrer haben.

Ausführlich auf alle bedürftigen Gemeinden der protestantischen Diaspora
in den zum deutschen Bunde gehörigen Provinzen Oestreichs einzugehen, ist
hier nicht der Ort. Es genüge zu bemerken, daß deren nach den uns vorliegen¬
de" Berichten in Ober- und Niederöstreich 17, in Kärnthen, Krain
und Steyermark t6 sind, die sämmtlich ein reges kirchliches Leben ent¬
falten, seit der Druck, der bis auf die neueste Zeit auf ihnen tag, von ihnen
genommen ist. Von fast allen gilt aber auch, was oben von den Protestan¬
ten in Böhmen und Mähren berichtet wurde. Mit Mühe erhalten sie sich auf¬
recht, und nur mit Beihilfe des Gustav-Adolf-Vereins und anderer Gönner
waren sie bisher im Stande, ihren kirchlichen Bedürfnissen zur Noth gerecht zu
werden, sich Kirchen und Schulen zu bauen, die vorhandenen zu restauriren
und ihren Geistlichen und Lehrern einen ausreichenden Gehalt zu gewähren.
Vielfach stocken aus Mangel an Mitteln die angefangenen Bauten, mehr als
eine Gemeinde ist durch solche Unternehmungen in Schulden gerathen, mehr
als eine wohnt meilenweit vom nächsten evangelischen Pfarrer, viele sind noch
ohne Schule, in andern ist, da der Dvtationsfond für den Lehrer nicht aus¬
reicht, der Fortbestand der Schule gefährdet.

Gilt dies schon von den älteren Gemeinden, so noch mehr von den neu¬
entstandenen. Ein Beispiel ist die in Salzburg. In dem östreichischen Kron¬
land Salzburg, das bekanntlich bis zu Anfang dieses Jahrhunderts unter geist¬
licher Herrschaft stand, hatte sich aus der Reformationszeit her vielfach evange¬
lischer Glaube erhalten, wenn auch nur in der Stille der Familien und ohne
öffentliches Bekenntniß. Als die katholische Geistlichkeit davon unterrichtet
wurde, schritt sie dagegen ein. 1684 wurde von jedem Bewohner des Erzbis-
thums die eidliche Versicherung gefordert, daß er sich zur römisch-katholischen'


klärten, daß sie auch evangelisch zu sein wünschten, und acht sofort der neuen
Gemeinde sich anschlössen. Dieselbe ist von den Glaubensgenossen bereits mehr¬
fach unterstützt, aber auch von den Behörden wiederholt gehemmt und beein¬
trächtigt worden. Als im October das erste evangelisch getaufte Kind starb,
wehrte man dessen Beerdigung auf dem katholischen Friedhof, weigerte sich die
Eisenbahn, die Leiche zu transportiren, und so mußte es fünf Stunden weit
zu Grabe getragen werden. Als die Gemeinde dann im Mai 1861 einen eignen
Begräbnißplatz erwarb, zögerte die Behörde mit der Bestätigung, und als im
Sommer darauf wieder ein Kind zu bestatten war, wurde dessen Beerdigung
auf dem neuen Friedhof von Gendarmen gehindert, und Pfarrer Mvlnar war
genöthigt, es im Garten des Vaters zu begraben. Die Gemeinde aber ist da¬
durch nicht abgeschreckt worden, sie hat Bibeln, Erbauungsbücher und die nö¬
thigen heiligen Gefäße erhalten und wird, da ihre Unterstützung von Seiten
des Gustav-Adolf-Vereins in Aussicht steht, demnächst auch eine eigne Kirche
und einen eignen Pfarrer haben.

Ausführlich auf alle bedürftigen Gemeinden der protestantischen Diaspora
in den zum deutschen Bunde gehörigen Provinzen Oestreichs einzugehen, ist
hier nicht der Ort. Es genüge zu bemerken, daß deren nach den uns vorliegen¬
de» Berichten in Ober- und Niederöstreich 17, in Kärnthen, Krain
und Steyermark t6 sind, die sämmtlich ein reges kirchliches Leben ent¬
falten, seit der Druck, der bis auf die neueste Zeit auf ihnen tag, von ihnen
genommen ist. Von fast allen gilt aber auch, was oben von den Protestan¬
ten in Böhmen und Mähren berichtet wurde. Mit Mühe erhalten sie sich auf¬
recht, und nur mit Beihilfe des Gustav-Adolf-Vereins und anderer Gönner
waren sie bisher im Stande, ihren kirchlichen Bedürfnissen zur Noth gerecht zu
werden, sich Kirchen und Schulen zu bauen, die vorhandenen zu restauriren
und ihren Geistlichen und Lehrern einen ausreichenden Gehalt zu gewähren.
Vielfach stocken aus Mangel an Mitteln die angefangenen Bauten, mehr als
eine Gemeinde ist durch solche Unternehmungen in Schulden gerathen, mehr
als eine wohnt meilenweit vom nächsten evangelischen Pfarrer, viele sind noch
ohne Schule, in andern ist, da der Dvtationsfond für den Lehrer nicht aus¬
reicht, der Fortbestand der Schule gefährdet.

Gilt dies schon von den älteren Gemeinden, so noch mehr von den neu¬
entstandenen. Ein Beispiel ist die in Salzburg. In dem östreichischen Kron¬
land Salzburg, das bekanntlich bis zu Anfang dieses Jahrhunderts unter geist¬
licher Herrschaft stand, hatte sich aus der Reformationszeit her vielfach evange¬
lischer Glaube erhalten, wenn auch nur in der Stille der Familien und ohne
öffentliches Bekenntniß. Als die katholische Geistlichkeit davon unterrichtet
wurde, schritt sie dagegen ein. 1684 wurde von jedem Bewohner des Erzbis-
thums die eidliche Versicherung gefordert, daß er sich zur römisch-katholischen'


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[0054] klärten, daß sie auch evangelisch zu sein wünschten, und acht sofort der neuen Gemeinde sich anschlössen. Dieselbe ist von den Glaubensgenossen bereits mehr¬ fach unterstützt, aber auch von den Behörden wiederholt gehemmt und beein¬ trächtigt worden. Als im October das erste evangelisch getaufte Kind starb, wehrte man dessen Beerdigung auf dem katholischen Friedhof, weigerte sich die Eisenbahn, die Leiche zu transportiren, und so mußte es fünf Stunden weit zu Grabe getragen werden. Als die Gemeinde dann im Mai 1861 einen eignen Begräbnißplatz erwarb, zögerte die Behörde mit der Bestätigung, und als im Sommer darauf wieder ein Kind zu bestatten war, wurde dessen Beerdigung auf dem neuen Friedhof von Gendarmen gehindert, und Pfarrer Mvlnar war genöthigt, es im Garten des Vaters zu begraben. Die Gemeinde aber ist da¬ durch nicht abgeschreckt worden, sie hat Bibeln, Erbauungsbücher und die nö¬ thigen heiligen Gefäße erhalten und wird, da ihre Unterstützung von Seiten des Gustav-Adolf-Vereins in Aussicht steht, demnächst auch eine eigne Kirche und einen eignen Pfarrer haben. Ausführlich auf alle bedürftigen Gemeinden der protestantischen Diaspora in den zum deutschen Bunde gehörigen Provinzen Oestreichs einzugehen, ist hier nicht der Ort. Es genüge zu bemerken, daß deren nach den uns vorliegen¬ de» Berichten in Ober- und Niederöstreich 17, in Kärnthen, Krain und Steyermark t6 sind, die sämmtlich ein reges kirchliches Leben ent¬ falten, seit der Druck, der bis auf die neueste Zeit auf ihnen tag, von ihnen genommen ist. Von fast allen gilt aber auch, was oben von den Protestan¬ ten in Böhmen und Mähren berichtet wurde. Mit Mühe erhalten sie sich auf¬ recht, und nur mit Beihilfe des Gustav-Adolf-Vereins und anderer Gönner waren sie bisher im Stande, ihren kirchlichen Bedürfnissen zur Noth gerecht zu werden, sich Kirchen und Schulen zu bauen, die vorhandenen zu restauriren und ihren Geistlichen und Lehrern einen ausreichenden Gehalt zu gewähren. Vielfach stocken aus Mangel an Mitteln die angefangenen Bauten, mehr als eine Gemeinde ist durch solche Unternehmungen in Schulden gerathen, mehr als eine wohnt meilenweit vom nächsten evangelischen Pfarrer, viele sind noch ohne Schule, in andern ist, da der Dvtationsfond für den Lehrer nicht aus¬ reicht, der Fortbestand der Schule gefährdet. Gilt dies schon von den älteren Gemeinden, so noch mehr von den neu¬ entstandenen. Ein Beispiel ist die in Salzburg. In dem östreichischen Kron¬ land Salzburg, das bekanntlich bis zu Anfang dieses Jahrhunderts unter geist¬ licher Herrschaft stand, hatte sich aus der Reformationszeit her vielfach evange¬ lischer Glaube erhalten, wenn auch nur in der Stille der Familien und ohne öffentliches Bekenntniß. Als die katholische Geistlichkeit davon unterrichtet wurde, schritt sie dagegen ein. 1684 wurde von jedem Bewohner des Erzbis- thums die eidliche Versicherung gefordert, daß er sich zur römisch-katholischen'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/54>, abgerufen am 11.02.2025.