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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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er selbst hinaus wandern; er gab wie ein moderner Minister in oxtinis. toriria
seine Demission, und diese ward angenommen. Bevor er aber abzog, winkte er
seiner Frau "Maria komm mit". Wie es einer guten Frau geziemt, folgte
Maria ihrem Manne. Maria aber winkte ihrem Sohne Christus, dieser den
Aposteln, die Apostel ihren Jüngern und so setzte sich ein langer Zug in Be¬
wegung zum Himmelsthore hinaus. AIs Gott Vater sah, wie leer es um ihn
her wurde, erschien ihm die Sache doch bedenklich; er gab nach, rief S. Giu¬
seppe zurück und befahl, daß der Tischler eingelassen werde. S. Giuseppe
räumte diesem in seinem Palaste ein Zimmer mit anständiger Kost und täglich
einer Foliette Wein ein: hereingebracht habe er ihn, -nun solle er sich aber
auch anständig betragen. Anfangs ging die Sache auch ganz gut. Petrus
hatte sich indeß die Lection gemerkt und ließ nun rücksichtslos jeden Tischler
und Zimmermann ein; in S. Giuseppe's Palast wurde es immer voller und
lärmender; die Tischler und Zimmerleute hielten allmälig Abends Trinkgelage,
sangen Lieder, fingen auch an vor dem Hause Ball, Mona, mit Kupfermünzen
g, 1a doeeig. zu spielen, genug sie störten die anständige Ruhe, anfangs blos
der Nachbarschaft, nachher auch in weiteren Kreisen. S. Giuseppe's Ermah¬
nungen fruchteten nichts, er sann vergeblich nach, wie er sich der lästigen Gäste
entledigen könne. Da kam er eines Abends sehr vergnügt und aufgeheitert nach
Hause. Seine Gäste fragten, was ihm denn passirt sei; er erwiderte, er habe
nur eine halbe Miglie vor dem Himmelsthore eine Osterie entdeckt, in welcher
ein vortrefflicher billiger Wein zu haben sei. Sofort beschlossen die Tischler
und Zimmerleute in x1el>0 hinauszuziehen und den Wein zu kosten. Sobald
sie aber draußen waren, rief S. Giuseppe dem Petrus zu: "Jetzt, Petrus,
schließe zu und laß mir die wüsten Gesellen nicht wieder herein." Seit jener
Zeit ist die Rübe im Himmel wieder hergestellt. Es wird den Tischlern und
Zimmerleuten gerade so schwer gemacht in den Himmel zu gelangen, wie den
übrigen Menschenkindern; sie haben sich aber die Lection nicht genette.

Wir haben diese Legende möglichst genau dem Munde des Volks nach¬
erzählt als Beweis, wie naiv dessen Vorstellungen sind, wie neben religiöser
Bigotterie das Profane einhergeht, ohne daß letzteres der ersteren Abbruch
thut.

Der Platz vor der Kirche ist mit grünen Reisern, das Portal und das
Innere mit bunten kostbaren Drapirungen geschmückt; die Menge liegt vor
dem Hochaltar andächtig auf den Knieen. Unten in den Gefängnissen, die heut
dem Publicum geöffnet sind, wo Petrus und Paulus schmachteten und aus
einem durch ein Wunder emporsteigenden Quell ihre Kerkermeister tauften,
drängt sich Kopf an Kopf. Der Brunnen ist noch vorhanden und hält sich
stets auf gleichem Niveau, er soll an gewissen Tagen besondere Heilkräfte be¬
sitzen; heut ist einer dieser Tage; wir sehen Blinde und Krüppel ihre kranken


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er selbst hinaus wandern; er gab wie ein moderner Minister in oxtinis. toriria
seine Demission, und diese ward angenommen. Bevor er aber abzog, winkte er
seiner Frau „Maria komm mit". Wie es einer guten Frau geziemt, folgte
Maria ihrem Manne. Maria aber winkte ihrem Sohne Christus, dieser den
Aposteln, die Apostel ihren Jüngern und so setzte sich ein langer Zug in Be¬
wegung zum Himmelsthore hinaus. AIs Gott Vater sah, wie leer es um ihn
her wurde, erschien ihm die Sache doch bedenklich; er gab nach, rief S. Giu¬
seppe zurück und befahl, daß der Tischler eingelassen werde. S. Giuseppe
räumte diesem in seinem Palaste ein Zimmer mit anständiger Kost und täglich
einer Foliette Wein ein: hereingebracht habe er ihn, -nun solle er sich aber
auch anständig betragen. Anfangs ging die Sache auch ganz gut. Petrus
hatte sich indeß die Lection gemerkt und ließ nun rücksichtslos jeden Tischler
und Zimmermann ein; in S. Giuseppe's Palast wurde es immer voller und
lärmender; die Tischler und Zimmerleute hielten allmälig Abends Trinkgelage,
sangen Lieder, fingen auch an vor dem Hause Ball, Mona, mit Kupfermünzen
g, 1a doeeig. zu spielen, genug sie störten die anständige Ruhe, anfangs blos
der Nachbarschaft, nachher auch in weiteren Kreisen. S. Giuseppe's Ermah¬
nungen fruchteten nichts, er sann vergeblich nach, wie er sich der lästigen Gäste
entledigen könne. Da kam er eines Abends sehr vergnügt und aufgeheitert nach
Hause. Seine Gäste fragten, was ihm denn passirt sei; er erwiderte, er habe
nur eine halbe Miglie vor dem Himmelsthore eine Osterie entdeckt, in welcher
ein vortrefflicher billiger Wein zu haben sei. Sofort beschlossen die Tischler
und Zimmerleute in x1el>0 hinauszuziehen und den Wein zu kosten. Sobald
sie aber draußen waren, rief S. Giuseppe dem Petrus zu: »Jetzt, Petrus,
schließe zu und laß mir die wüsten Gesellen nicht wieder herein." Seit jener
Zeit ist die Rübe im Himmel wieder hergestellt. Es wird den Tischlern und
Zimmerleuten gerade so schwer gemacht in den Himmel zu gelangen, wie den
übrigen Menschenkindern; sie haben sich aber die Lection nicht genette.

Wir haben diese Legende möglichst genau dem Munde des Volks nach¬
erzählt als Beweis, wie naiv dessen Vorstellungen sind, wie neben religiöser
Bigotterie das Profane einhergeht, ohne daß letzteres der ersteren Abbruch
thut.

Der Platz vor der Kirche ist mit grünen Reisern, das Portal und das
Innere mit bunten kostbaren Drapirungen geschmückt; die Menge liegt vor
dem Hochaltar andächtig auf den Knieen. Unten in den Gefängnissen, die heut
dem Publicum geöffnet sind, wo Petrus und Paulus schmachteten und aus
einem durch ein Wunder emporsteigenden Quell ihre Kerkermeister tauften,
drängt sich Kopf an Kopf. Der Brunnen ist noch vorhanden und hält sich
stets auf gleichem Niveau, er soll an gewissen Tagen besondere Heilkräfte be¬
sitzen; heut ist einer dieser Tage; wir sehen Blinde und Krüppel ihre kranken


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/531>, abgerufen am 05.02.2025.