Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und ihr roher Enthusiasmus brach in die Prophezeiung aus' So lange das
Colosseum steht, wird Rom stehen; wenn das Colosseum fällt, wird Rom fal¬
len; wenn Rom fällt, wird die Welt untergehen."

Im kriegerischen Mittelalter richteten die Barone, deren eine Fracnon Va-
tican und Capitol, die andere Lateran und Colosseum inne hatte, letzteres zu einer
gewaltigen Burg ein. Um diese Zeit sehen wir noch einmal die teilweise wie¬
der hergestellten Sitzplätze gefüllt mit einer glänzenden Zuschauermenge. Jacova
ti Rovera, Savella Orsini und eine aus dem Geschlecht der Colonna sehen
wir auf der Kaisertribune, umgeben von der Blüthe der römischen Damen,
sie die Schiedsrichterinnen in einem Stiergefecht, zu welchem bis nach Rimini
und Ravenna hin die Einladungen ergangen waren. In drei Parteien getheilt,
unter den mannigfachsten Devisen und Farben fochten die Vornehmsten der
Ritterschaft; wir finden die berühmtesten Namen des Kirchenstaats, der Mala-
testa. Polenta, della Valle, Caffarella, Savaku. Capoccio, Conti, Annibaldi.
Altieri. Corsi. 18 wurden getödtet, 9 verwundet, und 11 der Stiere blieben
auf dem Platze. Es war aber wohl die letzte Festlichkeit, welche die Räume des
Colosseums sahen; denn im 14. Jahrhundert sicherte ein Eintrachtsvertrag bei¬
den Parteien das Recht, darin Steine zu brechen, und die Thorheit der Römer
verbrannte den Marmor zu Mörtel. In den Ruinen nisteten sich Gesindel und
Verbrecher aller Art ein, bis Papst Eugen der Vierte den weiten Raum mit einer
Mauer umschloß und ihn dem nahen Olivctanerkloster schenkte. Nach seinem
Tode ward die Mauer in einem Volksaufstande niedergerissen, das edelste Denk¬
mal Roms ging wieder in Privathände über, es wurden Kalköfen, eine Sai-
pcterfabrik, Heumagazine ze, darin angelegt und Paul des Dritten Nepoten
erbauten aus seinen Steinen den Farnese'schen Palast. Hätte man früher daran
gedacht, das Colosseum zur christlichen Kirche umzuschaffen, dann wclre es zu
diesem Grade der Verwüstung nicht gekommen. Erst Benedict der Vierzehnte,
der Edelste der Päpste, heiligte eine Stätte, welche Verfolgung und Fabel mit'
dem Blute so vieler Mättyrer getränkt hatte, indem er das Kreuz in der Mitte
der Arena und rund herum die 14 Leidensstationen errichtete. Seit jener Zeit
begannen die Restaurationen des Colosseums, die so weit gediehen sind, daß
sie weiterem Verfalle vorbeugen.

Führen wir noch ein anderes Bild vor unser geistiges Auge. Es war
am 8. November 1848, als sich diese Räume abermals mit Tausenden von Mer-'
sehen füllten. Alt und Jung im festlichsten Schmucke harrte unter den sonst
öden Wölbungen, um den neu erwählten Papst vorüberziehen zu sehen, der
vom Quirinal herabkam, um in üblicher Weise Besitz vom Lateran zu nehmen.
Nicht Neugier allein trieb die Menschen zu diesem Schauspiel, sondern Ehr¬
furcht und liebevolle Zuneigung eines jauchzenden Volkes, das nach sechzehn¬
jährigem Drucke einen populären Fürsten auf dem Stuhle Petri sah. Das


und ihr roher Enthusiasmus brach in die Prophezeiung aus' So lange das
Colosseum steht, wird Rom stehen; wenn das Colosseum fällt, wird Rom fal¬
len; wenn Rom fällt, wird die Welt untergehen."

Im kriegerischen Mittelalter richteten die Barone, deren eine Fracnon Va-
tican und Capitol, die andere Lateran und Colosseum inne hatte, letzteres zu einer
gewaltigen Burg ein. Um diese Zeit sehen wir noch einmal die teilweise wie¬
der hergestellten Sitzplätze gefüllt mit einer glänzenden Zuschauermenge. Jacova
ti Rovera, Savella Orsini und eine aus dem Geschlecht der Colonna sehen
wir auf der Kaisertribune, umgeben von der Blüthe der römischen Damen,
sie die Schiedsrichterinnen in einem Stiergefecht, zu welchem bis nach Rimini
und Ravenna hin die Einladungen ergangen waren. In drei Parteien getheilt,
unter den mannigfachsten Devisen und Farben fochten die Vornehmsten der
Ritterschaft; wir finden die berühmtesten Namen des Kirchenstaats, der Mala-
testa. Polenta, della Valle, Caffarella, Savaku. Capoccio, Conti, Annibaldi.
Altieri. Corsi. 18 wurden getödtet, 9 verwundet, und 11 der Stiere blieben
auf dem Platze. Es war aber wohl die letzte Festlichkeit, welche die Räume des
Colosseums sahen; denn im 14. Jahrhundert sicherte ein Eintrachtsvertrag bei¬
den Parteien das Recht, darin Steine zu brechen, und die Thorheit der Römer
verbrannte den Marmor zu Mörtel. In den Ruinen nisteten sich Gesindel und
Verbrecher aller Art ein, bis Papst Eugen der Vierte den weiten Raum mit einer
Mauer umschloß und ihn dem nahen Olivctanerkloster schenkte. Nach seinem
Tode ward die Mauer in einem Volksaufstande niedergerissen, das edelste Denk¬
mal Roms ging wieder in Privathände über, es wurden Kalköfen, eine Sai-
pcterfabrik, Heumagazine ze, darin angelegt und Paul des Dritten Nepoten
erbauten aus seinen Steinen den Farnese'schen Palast. Hätte man früher daran
gedacht, das Colosseum zur christlichen Kirche umzuschaffen, dann wclre es zu
diesem Grade der Verwüstung nicht gekommen. Erst Benedict der Vierzehnte,
der Edelste der Päpste, heiligte eine Stätte, welche Verfolgung und Fabel mit'
dem Blute so vieler Mättyrer getränkt hatte, indem er das Kreuz in der Mitte
der Arena und rund herum die 14 Leidensstationen errichtete. Seit jener Zeit
begannen die Restaurationen des Colosseums, die so weit gediehen sind, daß
sie weiterem Verfalle vorbeugen.

Führen wir noch ein anderes Bild vor unser geistiges Auge. Es war
am 8. November 1848, als sich diese Räume abermals mit Tausenden von Mer-'
sehen füllten. Alt und Jung im festlichsten Schmucke harrte unter den sonst
öden Wölbungen, um den neu erwählten Papst vorüberziehen zu sehen, der
vom Quirinal herabkam, um in üblicher Weise Besitz vom Lateran zu nehmen.
Nicht Neugier allein trieb die Menschen zu diesem Schauspiel, sondern Ehr¬
furcht und liebevolle Zuneigung eines jauchzenden Volkes, das nach sechzehn¬
jährigem Drucke einen populären Fürsten auf dem Stuhle Petri sah. Das


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0525" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114839"/>
            <p xml:id="ID_2031" prev="#ID_2030"> und ihr roher Enthusiasmus brach in die Prophezeiung aus' So lange das<lb/>
Colosseum steht, wird Rom stehen; wenn das Colosseum fällt, wird Rom fal¬<lb/>
len; wenn Rom fällt, wird die Welt untergehen."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2032"> Im kriegerischen Mittelalter richteten die Barone, deren eine Fracnon Va-<lb/>
tican und Capitol, die andere Lateran und Colosseum inne hatte, letzteres zu einer<lb/>
gewaltigen Burg ein. Um diese Zeit sehen wir noch einmal die teilweise wie¬<lb/>
der hergestellten Sitzplätze gefüllt mit einer glänzenden Zuschauermenge. Jacova<lb/>
ti Rovera, Savella Orsini und eine aus dem Geschlecht der Colonna sehen<lb/>
wir auf der Kaisertribune, umgeben von der Blüthe der römischen Damen,<lb/>
sie die Schiedsrichterinnen in einem Stiergefecht, zu welchem bis nach Rimini<lb/>
und Ravenna hin die Einladungen ergangen waren. In drei Parteien getheilt,<lb/>
unter den mannigfachsten Devisen und Farben fochten die Vornehmsten der<lb/>
Ritterschaft; wir finden die berühmtesten Namen des Kirchenstaats, der Mala-<lb/>
testa. Polenta, della Valle, Caffarella, Savaku. Capoccio, Conti, Annibaldi.<lb/>
Altieri. Corsi. 18 wurden getödtet, 9 verwundet, und 11 der Stiere blieben<lb/>
auf dem Platze. Es war aber wohl die letzte Festlichkeit, welche die Räume des<lb/>
Colosseums sahen; denn im 14. Jahrhundert sicherte ein Eintrachtsvertrag bei¬<lb/>
den Parteien das Recht, darin Steine zu brechen, und die Thorheit der Römer<lb/>
verbrannte den Marmor zu Mörtel. In den Ruinen nisteten sich Gesindel und<lb/>
Verbrecher aller Art ein, bis Papst Eugen der Vierte den weiten Raum mit einer<lb/>
Mauer umschloß und ihn dem nahen Olivctanerkloster schenkte. Nach seinem<lb/>
Tode ward die Mauer in einem Volksaufstande niedergerissen, das edelste Denk¬<lb/>
mal Roms ging wieder in Privathände über, es wurden Kalköfen, eine Sai-<lb/>
pcterfabrik, Heumagazine ze, darin angelegt und Paul des Dritten Nepoten<lb/>
erbauten aus seinen Steinen den Farnese'schen Palast. Hätte man früher daran<lb/>
gedacht, das Colosseum zur christlichen Kirche umzuschaffen, dann wclre es zu<lb/>
diesem Grade der Verwüstung nicht gekommen. Erst Benedict der Vierzehnte,<lb/>
der Edelste der Päpste, heiligte eine Stätte, welche Verfolgung und Fabel mit'<lb/>
dem Blute so vieler Mättyrer getränkt hatte, indem er das Kreuz in der Mitte<lb/>
der Arena und rund herum die 14 Leidensstationen errichtete. Seit jener Zeit<lb/>
begannen die Restaurationen des Colosseums, die so weit gediehen sind, daß<lb/>
sie weiterem Verfalle vorbeugen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2033" next="#ID_2034"> Führen wir noch ein anderes Bild vor unser geistiges Auge. Es war<lb/>
am 8. November 1848, als sich diese Räume abermals mit Tausenden von Mer-'<lb/>
sehen füllten. Alt und Jung im festlichsten Schmucke harrte unter den sonst<lb/>
öden Wölbungen, um den neu erwählten Papst vorüberziehen zu sehen, der<lb/>
vom Quirinal herabkam, um in üblicher Weise Besitz vom Lateran zu nehmen.<lb/>
Nicht Neugier allein trieb die Menschen zu diesem Schauspiel, sondern Ehr¬<lb/>
furcht und liebevolle Zuneigung eines jauchzenden Volkes, das nach sechzehn¬<lb/>
jährigem Drucke einen populären Fürsten auf dem Stuhle Petri sah. Das</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0525] und ihr roher Enthusiasmus brach in die Prophezeiung aus' So lange das Colosseum steht, wird Rom stehen; wenn das Colosseum fällt, wird Rom fal¬ len; wenn Rom fällt, wird die Welt untergehen." Im kriegerischen Mittelalter richteten die Barone, deren eine Fracnon Va- tican und Capitol, die andere Lateran und Colosseum inne hatte, letzteres zu einer gewaltigen Burg ein. Um diese Zeit sehen wir noch einmal die teilweise wie¬ der hergestellten Sitzplätze gefüllt mit einer glänzenden Zuschauermenge. Jacova ti Rovera, Savella Orsini und eine aus dem Geschlecht der Colonna sehen wir auf der Kaisertribune, umgeben von der Blüthe der römischen Damen, sie die Schiedsrichterinnen in einem Stiergefecht, zu welchem bis nach Rimini und Ravenna hin die Einladungen ergangen waren. In drei Parteien getheilt, unter den mannigfachsten Devisen und Farben fochten die Vornehmsten der Ritterschaft; wir finden die berühmtesten Namen des Kirchenstaats, der Mala- testa. Polenta, della Valle, Caffarella, Savaku. Capoccio, Conti, Annibaldi. Altieri. Corsi. 18 wurden getödtet, 9 verwundet, und 11 der Stiere blieben auf dem Platze. Es war aber wohl die letzte Festlichkeit, welche die Räume des Colosseums sahen; denn im 14. Jahrhundert sicherte ein Eintrachtsvertrag bei¬ den Parteien das Recht, darin Steine zu brechen, und die Thorheit der Römer verbrannte den Marmor zu Mörtel. In den Ruinen nisteten sich Gesindel und Verbrecher aller Art ein, bis Papst Eugen der Vierte den weiten Raum mit einer Mauer umschloß und ihn dem nahen Olivctanerkloster schenkte. Nach seinem Tode ward die Mauer in einem Volksaufstande niedergerissen, das edelste Denk¬ mal Roms ging wieder in Privathände über, es wurden Kalköfen, eine Sai- pcterfabrik, Heumagazine ze, darin angelegt und Paul des Dritten Nepoten erbauten aus seinen Steinen den Farnese'schen Palast. Hätte man früher daran gedacht, das Colosseum zur christlichen Kirche umzuschaffen, dann wclre es zu diesem Grade der Verwüstung nicht gekommen. Erst Benedict der Vierzehnte, der Edelste der Päpste, heiligte eine Stätte, welche Verfolgung und Fabel mit' dem Blute so vieler Mättyrer getränkt hatte, indem er das Kreuz in der Mitte der Arena und rund herum die 14 Leidensstationen errichtete. Seit jener Zeit begannen die Restaurationen des Colosseums, die so weit gediehen sind, daß sie weiterem Verfalle vorbeugen. Führen wir noch ein anderes Bild vor unser geistiges Auge. Es war am 8. November 1848, als sich diese Räume abermals mit Tausenden von Mer-' sehen füllten. Alt und Jung im festlichsten Schmucke harrte unter den sonst öden Wölbungen, um den neu erwählten Papst vorüberziehen zu sehen, der vom Quirinal herabkam, um in üblicher Weise Besitz vom Lateran zu nehmen. Nicht Neugier allein trieb die Menschen zu diesem Schauspiel, sondern Ehr¬ furcht und liebevolle Zuneigung eines jauchzenden Volkes, das nach sechzehn¬ jährigem Drucke einen populären Fürsten auf dem Stuhle Petri sah. Das

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/525
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/525>, abgerufen am 05.02.2025.