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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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besetzt mit römischem Volke; dort sind die Logen des Senats, unter und ne¬
ben diesen die Reihen der Ritter und der Matronen. Das niedere Volk strömt
durch die 64 vvmitorig. aus und ein, denn dies war der passende Name,
mit welchen man die Thore bezeichnete. Die Brüstungen der Vallustraden sind
behängt mit seidenen Teppichen, am kostbarsten diejenigen, weiche die kaiser¬
liche Loge schmücken, die aber nicht im Stande sind, die Pracht der Bildsäulen
und seltensten Marmorarten, Erzeugnisse der Blüthe griechischer und römischer
Kunst, mit denen das Gebäude aus- und inwendig geschmückt war, zu verdun¬
keln. Der Dichter, welcher die Spiele des Carinus um 224 n. Chr. in
der Sprache eines Schäfers beschreibt, der durch den Ruf ihrer Pracht in die
Stadt gelockt worden, sagt, daß die zum Schutz gegen die wilden Thiere auf¬
gespannten Netze von Golddraht, daß die Säulengänge vergoldet und daß die
Scheidewände, welche die verschiedenen Abtheilungen der Zuschauer von einan¬
der trennten, mit Edelsteinen, Bernstein, Silber und Gold eingefaßt wären.
Mit feinem Sande war die Arena bestreut; ein ungeheures ausgespanntes
Zeltdach schützte gegen die Strahlen der Sonne und unterirdische Kanäle führ¬
ten eine Fülle kühlen Wassers herbei, welches in zahlreichen Springbrunnen
emporsprudelte oder die glatte Fläche in einen See verwandelte, der bewaff¬
nete Schiffe trug und mit den Ungeheuern des Meeres gefüllt war. Was jetzt
eine Wasserfläche, vermochte sich, gleich den Gärten der Hesperiden, empor¬
zuheben und im nächsten Augenblicke die Felsgebirge Thraciens zu zeigen. Der
Kaiser in weiter faltenreicher Toga tritt an die Brüstung seiner Loge heran
und gibt das Zeichen zum Beginn der Spiele. 1000 Strauße, 100.0 Rehe,
1000 Dammhirsche und 1000 wilde Eber sind der Jagd und Mordlust des
großen Haufens Preis gegeben; Elephanten, Löwen, Tiger, Büffel, alle reißen¬
den Thiere der Wildniß sehen wir im Kampfe gegeneinander und gegen den
Menschen. Wir sehen, wie Trajan 10,000 Gladiatoren gegen einander kämpfen
läßt; wir hören das Geheul der christlichen Märtyrer, welche unter dem Jauch¬
zen der Menge ihr Leben qualvoll verbluten.

Dann kamen die Zeiten der tiefsten Schmach. Alles was von Werth,
was trag- und zerstörbar war, die Statuen der Götter und Helden, die kost¬
baren Verzierungen der Bildhauerei, in Erz gegossen oder mit Silberplatten
belegt, waren der erste Raub der siegreichen Barbaren oder fanatischen Chri¬
sten. Die dichtgefügten Steine des Baues waren mit Erztlammern festgehalten;
auch diese verschmähte nicht das Auge des Raubes, denn noch heute sehen wir
die vielen Löcher, welche man hineinbrach, um sich des Metalls zu bemächtigen.
Der Raum der Arena ward ein Marktplatz, und friedliche Handwerker schlugen
ihre Stätten in den Gewölben auf, wie man das gegenwärtig im Theater des
Balbus vor Augen hat. In dieser prunklosen Majestät sahen die Pilger des
Nordens daS Flavische Amphitheater; sie gaben ihm den Namen des Colosseums


besetzt mit römischem Volke; dort sind die Logen des Senats, unter und ne¬
ben diesen die Reihen der Ritter und der Matronen. Das niedere Volk strömt
durch die 64 vvmitorig. aus und ein, denn dies war der passende Name,
mit welchen man die Thore bezeichnete. Die Brüstungen der Vallustraden sind
behängt mit seidenen Teppichen, am kostbarsten diejenigen, weiche die kaiser¬
liche Loge schmücken, die aber nicht im Stande sind, die Pracht der Bildsäulen
und seltensten Marmorarten, Erzeugnisse der Blüthe griechischer und römischer
Kunst, mit denen das Gebäude aus- und inwendig geschmückt war, zu verdun¬
keln. Der Dichter, welcher die Spiele des Carinus um 224 n. Chr. in
der Sprache eines Schäfers beschreibt, der durch den Ruf ihrer Pracht in die
Stadt gelockt worden, sagt, daß die zum Schutz gegen die wilden Thiere auf¬
gespannten Netze von Golddraht, daß die Säulengänge vergoldet und daß die
Scheidewände, welche die verschiedenen Abtheilungen der Zuschauer von einan¬
der trennten, mit Edelsteinen, Bernstein, Silber und Gold eingefaßt wären.
Mit feinem Sande war die Arena bestreut; ein ungeheures ausgespanntes
Zeltdach schützte gegen die Strahlen der Sonne und unterirdische Kanäle führ¬
ten eine Fülle kühlen Wassers herbei, welches in zahlreichen Springbrunnen
emporsprudelte oder die glatte Fläche in einen See verwandelte, der bewaff¬
nete Schiffe trug und mit den Ungeheuern des Meeres gefüllt war. Was jetzt
eine Wasserfläche, vermochte sich, gleich den Gärten der Hesperiden, empor¬
zuheben und im nächsten Augenblicke die Felsgebirge Thraciens zu zeigen. Der
Kaiser in weiter faltenreicher Toga tritt an die Brüstung seiner Loge heran
und gibt das Zeichen zum Beginn der Spiele. 1000 Strauße, 100.0 Rehe,
1000 Dammhirsche und 1000 wilde Eber sind der Jagd und Mordlust des
großen Haufens Preis gegeben; Elephanten, Löwen, Tiger, Büffel, alle reißen¬
den Thiere der Wildniß sehen wir im Kampfe gegeneinander und gegen den
Menschen. Wir sehen, wie Trajan 10,000 Gladiatoren gegen einander kämpfen
läßt; wir hören das Geheul der christlichen Märtyrer, welche unter dem Jauch¬
zen der Menge ihr Leben qualvoll verbluten.

Dann kamen die Zeiten der tiefsten Schmach. Alles was von Werth,
was trag- und zerstörbar war, die Statuen der Götter und Helden, die kost¬
baren Verzierungen der Bildhauerei, in Erz gegossen oder mit Silberplatten
belegt, waren der erste Raub der siegreichen Barbaren oder fanatischen Chri¬
sten. Die dichtgefügten Steine des Baues waren mit Erztlammern festgehalten;
auch diese verschmähte nicht das Auge des Raubes, denn noch heute sehen wir
die vielen Löcher, welche man hineinbrach, um sich des Metalls zu bemächtigen.
Der Raum der Arena ward ein Marktplatz, und friedliche Handwerker schlugen
ihre Stätten in den Gewölben auf, wie man das gegenwärtig im Theater des
Balbus vor Augen hat. In dieser prunklosen Majestät sahen die Pilger des
Nordens daS Flavische Amphitheater; sie gaben ihm den Namen des Colosseums


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/524>, abgerufen am 05.02.2025.