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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Nach Nidwalden zurückgekehrt, wurde er wegen Beschimpfung der Obrigkeit
mit der (auch in andern Cantonen früher nicht ungewöhnlichen) Strafe belegt,
eine Viertelstunde unter Läutung der Glocke und mit einem Knebel im Munde
aus dem Lasterstein stehen zu müssen.

Nicht minder merkwürdig war das 1855 in Tamm gegen ein Mädchen
Kaldaune Berchthold ergangene Erkenntniß. Dieselbe traf wegen Unsittlichkeit
und lügenhafter Aussage in eidlichen Verhören: Ausstellung am Lasterstein,
Vorknien in der Kirche, viermonatliche Kettenstrafe (im elterlichen Hause zu
verbüßen!) Eingrenzung in die Gemeinde mit nächtlichem Hausarrest und An¬
weisung eines besondern Stuhls in der Kirche, dies alles auf drei Jahre, endlich
100 Franken Geldstrafe und Ersatz der erwachsenen Kosten. Ein wohlgemisch¬
ter Speisezettel, wie man sieht, zu dem die Kirche den Senf und den Pfef¬
fer gibt.

Als Beispiele der Betheiligung der Kirche bei der Strafvollziehung mögen
Noch folgende Fälle dienen: Einer, der aus einer Kirche eine Ampel gestohlen,
mußte während des Gottesdienstes unter der wiederausgehangnen Ampel stehen.
Drei Kinder von elf bis fünfzehn Jahren wurden wegen Diebereien zu nächt¬
lichem Hausarrest auf drei Jahre, Vorknien während einer Christenlehre und
dreijährigem Besuch der Christenlehren und Gottesdienste in der Pfarrkirche zu
Kerns, Wozu ihnen ein eigner Stuhl angewiesen wurde, verurtheilt. Endlich
figurirte 1854 in dem Strafenregister eines Todtschlägers sogar "das Vorknien
in allen Pfarrkirchen des Landes behufs einer angemessenen Strafpredigt".

Ungemein oft ergehen gegen falsche Spieler und Händelmacher wie als
Zuthat zu andern Strafen Erkenntnisse folgenden Inhalts: "Dem N. N. ist
der Besuch der Wirtshäuser und alles was räuschig macht, zu trinken und
jedermann ihm dergleichen geistige Getränke zu verabreichen verboten" mit dem
Beisatz: "ist auszutunden und auf die öffentlichen Trinkzettel zu schreiben."
Wirthe, welche dem Verbot zuwiderhandeln, und solche, die dem Betreffenden
geistige Getränke aus dem Wirthshaus holen, werden mit Geldbußen bestraft,
letzterer kommt auf die Prügelbank. Die Verbannung aus der Schenke ist
keineswegs eine leichte Strafe, da der Schweizer es allenthalben liebt, nach
Sonnenuntergang seinen Platz am Stammgaststische des Wirths einzunehmen.

Wir übergehen andere interessante Mittheilungen des Buchs, um noch
einen Blick auf die Handhabung des Criminalrechts im CantvnZug zuthun.
Hier führte man noch im Jahre 1738 die furchtbare Tragödie eines so großen
und vollständigen Hexenprocesses auf, wie er sonst auf deutschem Boden im
achtzehnten Jahrhundert nicht vorgekommen ist.

"Ein schwachsinniges Mädchen von siebzehn Jahren hatte sich nach einer
Unterredung mit den Jesuiten bei dem Hexentribunal in Zug als Hexe an¬
gegeben. Aus ihre Aussage wurden Männer, Frauen und Mädchen, darunter


Nach Nidwalden zurückgekehrt, wurde er wegen Beschimpfung der Obrigkeit
mit der (auch in andern Cantonen früher nicht ungewöhnlichen) Strafe belegt,
eine Viertelstunde unter Läutung der Glocke und mit einem Knebel im Munde
aus dem Lasterstein stehen zu müssen.

Nicht minder merkwürdig war das 1855 in Tamm gegen ein Mädchen
Kaldaune Berchthold ergangene Erkenntniß. Dieselbe traf wegen Unsittlichkeit
und lügenhafter Aussage in eidlichen Verhören: Ausstellung am Lasterstein,
Vorknien in der Kirche, viermonatliche Kettenstrafe (im elterlichen Hause zu
verbüßen!) Eingrenzung in die Gemeinde mit nächtlichem Hausarrest und An¬
weisung eines besondern Stuhls in der Kirche, dies alles auf drei Jahre, endlich
100 Franken Geldstrafe und Ersatz der erwachsenen Kosten. Ein wohlgemisch¬
ter Speisezettel, wie man sieht, zu dem die Kirche den Senf und den Pfef¬
fer gibt.

Als Beispiele der Betheiligung der Kirche bei der Strafvollziehung mögen
Noch folgende Fälle dienen: Einer, der aus einer Kirche eine Ampel gestohlen,
mußte während des Gottesdienstes unter der wiederausgehangnen Ampel stehen.
Drei Kinder von elf bis fünfzehn Jahren wurden wegen Diebereien zu nächt¬
lichem Hausarrest auf drei Jahre, Vorknien während einer Christenlehre und
dreijährigem Besuch der Christenlehren und Gottesdienste in der Pfarrkirche zu
Kerns, Wozu ihnen ein eigner Stuhl angewiesen wurde, verurtheilt. Endlich
figurirte 1854 in dem Strafenregister eines Todtschlägers sogar „das Vorknien
in allen Pfarrkirchen des Landes behufs einer angemessenen Strafpredigt".

Ungemein oft ergehen gegen falsche Spieler und Händelmacher wie als
Zuthat zu andern Strafen Erkenntnisse folgenden Inhalts: „Dem N. N. ist
der Besuch der Wirtshäuser und alles was räuschig macht, zu trinken und
jedermann ihm dergleichen geistige Getränke zu verabreichen verboten" mit dem
Beisatz: „ist auszutunden und auf die öffentlichen Trinkzettel zu schreiben."
Wirthe, welche dem Verbot zuwiderhandeln, und solche, die dem Betreffenden
geistige Getränke aus dem Wirthshaus holen, werden mit Geldbußen bestraft,
letzterer kommt auf die Prügelbank. Die Verbannung aus der Schenke ist
keineswegs eine leichte Strafe, da der Schweizer es allenthalben liebt, nach
Sonnenuntergang seinen Platz am Stammgaststische des Wirths einzunehmen.

Wir übergehen andere interessante Mittheilungen des Buchs, um noch
einen Blick auf die Handhabung des Criminalrechts im CantvnZug zuthun.
Hier führte man noch im Jahre 1738 die furchtbare Tragödie eines so großen
und vollständigen Hexenprocesses auf, wie er sonst auf deutschem Boden im
achtzehnten Jahrhundert nicht vorgekommen ist.

„Ein schwachsinniges Mädchen von siebzehn Jahren hatte sich nach einer
Unterredung mit den Jesuiten bei dem Hexentribunal in Zug als Hexe an¬
gegeben. Aus ihre Aussage wurden Männer, Frauen und Mädchen, darunter


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[0506] Nach Nidwalden zurückgekehrt, wurde er wegen Beschimpfung der Obrigkeit mit der (auch in andern Cantonen früher nicht ungewöhnlichen) Strafe belegt, eine Viertelstunde unter Läutung der Glocke und mit einem Knebel im Munde aus dem Lasterstein stehen zu müssen. Nicht minder merkwürdig war das 1855 in Tamm gegen ein Mädchen Kaldaune Berchthold ergangene Erkenntniß. Dieselbe traf wegen Unsittlichkeit und lügenhafter Aussage in eidlichen Verhören: Ausstellung am Lasterstein, Vorknien in der Kirche, viermonatliche Kettenstrafe (im elterlichen Hause zu verbüßen!) Eingrenzung in die Gemeinde mit nächtlichem Hausarrest und An¬ weisung eines besondern Stuhls in der Kirche, dies alles auf drei Jahre, endlich 100 Franken Geldstrafe und Ersatz der erwachsenen Kosten. Ein wohlgemisch¬ ter Speisezettel, wie man sieht, zu dem die Kirche den Senf und den Pfef¬ fer gibt. Als Beispiele der Betheiligung der Kirche bei der Strafvollziehung mögen Noch folgende Fälle dienen: Einer, der aus einer Kirche eine Ampel gestohlen, mußte während des Gottesdienstes unter der wiederausgehangnen Ampel stehen. Drei Kinder von elf bis fünfzehn Jahren wurden wegen Diebereien zu nächt¬ lichem Hausarrest auf drei Jahre, Vorknien während einer Christenlehre und dreijährigem Besuch der Christenlehren und Gottesdienste in der Pfarrkirche zu Kerns, Wozu ihnen ein eigner Stuhl angewiesen wurde, verurtheilt. Endlich figurirte 1854 in dem Strafenregister eines Todtschlägers sogar „das Vorknien in allen Pfarrkirchen des Landes behufs einer angemessenen Strafpredigt". Ungemein oft ergehen gegen falsche Spieler und Händelmacher wie als Zuthat zu andern Strafen Erkenntnisse folgenden Inhalts: „Dem N. N. ist der Besuch der Wirtshäuser und alles was räuschig macht, zu trinken und jedermann ihm dergleichen geistige Getränke zu verabreichen verboten" mit dem Beisatz: „ist auszutunden und auf die öffentlichen Trinkzettel zu schreiben." Wirthe, welche dem Verbot zuwiderhandeln, und solche, die dem Betreffenden geistige Getränke aus dem Wirthshaus holen, werden mit Geldbußen bestraft, letzterer kommt auf die Prügelbank. Die Verbannung aus der Schenke ist keineswegs eine leichte Strafe, da der Schweizer es allenthalben liebt, nach Sonnenuntergang seinen Platz am Stammgaststische des Wirths einzunehmen. Wir übergehen andere interessante Mittheilungen des Buchs, um noch einen Blick auf die Handhabung des Criminalrechts im CantvnZug zuthun. Hier führte man noch im Jahre 1738 die furchtbare Tragödie eines so großen und vollständigen Hexenprocesses auf, wie er sonst auf deutschem Boden im achtzehnten Jahrhundert nicht vorgekommen ist. „Ein schwachsinniges Mädchen von siebzehn Jahren hatte sich nach einer Unterredung mit den Jesuiten bei dem Hexentribunal in Zug als Hexe an¬ gegeben. Aus ihre Aussage wurden Männer, Frauen und Mädchen, darunter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/506>, abgerufen am 05.02.2025.